Ingolstadt
In neuem Licht

Das Bayerische Armeemuseum präsentiert besondere Fotos von besonderen Ausstellungsstücken

08.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:36 Uhr
Nächtliche Fotoaktion im Schlosshof: Um nicht von Sonnenlicht gestört zu werden, fotografierten Carlo Paggiarino (links) und sein Assistent Gary Shepard die Kanone vor dem Neuen Schloss bei Nacht. −Foto: Schönauer

Ingolstadt (DK) Die Dauerausstellung im Bayerischen Armeemuseum wird derzeit neu konzipiert. Die Räume des Neuen Schlosses bieten bis zur Wiedereröffnung Platz für eine bemerkenswerte Ausstellung.

Es ist der Anspruch von Museen, wann immer möglich, Originale auszustellen. Notfalls muss es vielleicht eine Replik tun und wenn gar nichts anderes hilft, ein Foto. Es sei denn, die Aufnahme selbst wird zum Kunstobjekt. Eine Fotoausstellung würde man freilich eher in einer Galerie oder einem Kunstmuseum vermuten. Das Bayerische Armeemuseum kombiniert die beiden Ansätze und bringt künstlerische Fotos mit originalen Exponaten zusammen.

Der Mailänder Fotograf Carlo Paggiarino gilt als einer der besten Objektfotografen. Er hat sich auf museale Ausstellungsstücke aus der Zeit um 1500 spezialisiert und arbeitete unter anderem schon mit den Londoner Museen Wallace Collection und Royal Armouries zusammen. An der Ingolstädter Sammlung interessierten den Fotografen vor allem die Schwerter jener Zeit, sagt Tobias Schönauer, Historiker im Armeemuseum und Kurator der Ausstellung.

Im Juli vergangenen Jahres zogen Paggiarino und sein Assistent Gary Shepard in das Gästezimmer des Neuen Schlosses. Im zweiten Stock des derzeit leerstehenden Museums richteten sie ein Fotostudio ein. In Abstimmung mit Schönauer wurden die Objekte für die Aufnahmen ausgwählt. Im Museum beschäftigt man sich in Vorbereitung der neuen Dauerausstellung ohnehin gerade intensiv mit der Sammlung, und so konnten dem Fotografen besonders reizvolle Stücke empfohlen werden. In den Werkstätten des Museums wurden die Exponate für die Aufnahmen vorbereitet und dann - quasi just in time - in das provisorischen Fotostudio gebracht. Bei einem Ausstellungsstück war das freilich nicht möglich. "Carlo Paggiarino wollte unbedingt die zerbrochene Kanone im Schlosshof fotografieren", erinnert sich Schönauer. Die allerdings wiegt zu viel, um sie mal schnell in den zweiten Stock zu schleppen. Nach Einbruch der Dunkelheit - um nicht durch Sonnenlicht gestört zu werden - errichteten Paggiarino, Shepard und Schönauer deswegen ein Lichtzelt über dem Fotomotiv, damit der Fotograf die Kanone in die gewünschte künstliche Beleuchtung setzen konnte. Bis weit nach Mitternacht dauerte die nächtliche Foto-Session, bis Paggiarino zufrieden war.

Das Foto der Kanone ist verständlicherweise auch das einzige der ausgestellten 35 Bilder, das in der Ausstellung nicht neben dem fotografierten Original-Objekt hängt. Warum aber sollte man sich überhaupt ein Foto ansehen, wenn man auch das echte Exponat betrachten kann? "Der Fotograf schaut anders auf die Dinge als zum Beispiel ein Historiker", sagt Schönauer. "Mit den Fotos kann man den Blick von Paggiarino nachempfinden." Nicht umsonst heißt die Schau auch im Untertitel "Im Visier des Fotografen". Tatsächlich arbeitet der Künstler mit seinen Bildern Details heraus, die einem Betrachter beim Blick auf das Original eventuell verborgen bleiben. So hat er sich etwa bei einer Radschlosspistole auf den Knauf und nicht - wie man vermuten könnte - auf die Mechanik des Schlosses konzentriert. Bei einer Pavese, einem großen Schild, hat er den Fokus auf einen Brandfleck gelegt und ihn so detailliert abgelichtet, dass das Bild abstrakt wirkt. "Das ist Kunst", sagt Schönauer. In der Betrachtung wirkt die Kombination der Fotos mit den Originalen wie ein Vexierbild, findet Schönauer.

Kritiker mögen in den Fotos eine unangebrachte Ästhetisierung von Krieg und Gewalt sehen. Dieser Gefahr ist sich Schönauer bewusst. In der neuen Dauerausstellung werden die Waffen jedenfalls ganz sicher nicht so präsentiert, wie sie in der künstlerischen Fotoausstellung gezeigt werden, sondern werden in ihren historischen - oft grausamen - Kontext gestellt. Die allermeisten der abgelichteten Hellebarden, Rüstungen und Klingen waren außerdem nicht für den Kriegseinsatz gedacht sondern sind ihrerseits Kunstobjekte, die eher repräsentativen Charakter hatten, so der Kurator. Aber freilich gebe es auch Bilder von Schwertern und etwa einem Armbrustbolzen, von denen man nicht wisse, ob sie nicht vielleicht doch im Einsatz waren. "Das ist eine Gratwanderung", räumt Schönauer ein.

Paggiarinos Bilder wurden zu einem bibliophilen Fotoband zusammengestellt. 145 Euro kostet das Buch, das unter anderem an der neuen Museumskasse im Schloss zu haben ist. Neben den künstlerischen Aspekten erfüllt der Band auch einen wissenschaftlichen Zweck. Viele der abgebildeten Stücke werden auf diese Weise das erste Mal publiziert und so auch einem Fachpublikum zugänglich gemacht. "Wir hatten zu einem Stück schon eine Anfrage eines Kollegen aus Kamtschatka", erzählt Schönauer.

Johannes Hauser