Ingolstadt
Impfteam als "Kindermörder" beschimpft

Unangemeldete Demonstration an Köschinger Schule eskaliert - Landrat: Eine Grenze überschritten

17.09.2021 | Stand 23.09.2023, 20:50 Uhr
Die Idylle trügt: An der Realschule in Kösching ist es am Mittwoch zu einem Übergriff auf das mobile Impfteam der Malteser durch Impfgegner gekommen. −Foto: Stephan, Archiv

Kösching - Eine unangemeldete Demonstration von Impfgegnern gegen eine Impfaktion an der Realschule in Kösching ist am Mittwoch eskaliert.

Die Polizei rückte an, es kam zu Handgreiflichkeiten. Auch Hausfriedensbruch steht im Raum. Die Verantwortlichen der Malteser und Politiker sind fassungslos.

Die Demonstration vor der Realschule in Kösching ist nach DK-Informationen von einer Familie initiiert worden, die in ähnlichen Zusammenhängen schon amtsbekannt ist. Die Malteser, die am Mittwochvormittag die Impfaktion an der Realschule Kösching durchführten, sind dort schon von etwa 10 bis 15 Demonstranten "begrüßt" worden, sagte Christian Alberter, Diözesan- und Bezirksgeschäftsführer der Malteser, auf Anfrage unserer Zeitung und unter Verweis auf einen Bericht, den er über den Vorfall erhalten habe.

Gegner dringen durch Terrassentür ein

Die Mitarbeiter hätten im Keller der Schule eine Impfstation aufgebaut. Um die Privatsphäre der Impfwilligen, aber auch der Malteser selbst zu gewährleisten, hätten sie die Fenster des Kellerraums verhängt. An einem kleinen Fenster sei dies aber nicht geschehen, woraufhin ein Demonstrant durch dieses Fenster mit seinem Smartphone fotografiert beziehungsweise gefilmt habe. Die anwesende Ärztin und auch die Malteser-Mitarbeiter hätten daraufhin klar gemacht, dass dies so nicht gehe. Sie hätten versucht, die inzwischen offenbar durch eine Terrassentür eingedrungenen Demonstranten "höflich rauszubekommen". Die Malteser seien bei der Aktion auch als "Kindermörder" beschimpft, einer Mitarbeiterin sei an der Tür die Hand gequetscht worden. Das Impfteam habe schließlich die Schulleitung gebeten, die Polizei zu informieren, was dann auch geschehen sei.

Nach Alberters Einschätzung haben sich die Demonstranten unbefugt Zutritt zu der Schule verschafft, um die Impfaktion zu blockieren oder zu verhindern. Er wisse, so Alberter, dass Schulimpfungen "ein Anlass zu Diskussionen" seien und er akzeptiere auch jegliche Meinung dazu. Aber deren Ausdruck müsse immer "auf der Basis der Rechtsstaatlichkeit" beruhen.

In diese Kerbe schlägt auch der Köschinger Bürgermeister Ralf Sitzmann (UW), der sagt, er könne so etwas überhaupt nicht verstehen: "Wer gegen Impfen ist, soll es sein. Aber nicht auf diese Weise. " Gegen andere Leute so vorzugehen, das dürfe nicht passieren, so Sitzmann. Von Seiten der Realschule Kösching war zu dem Vorfall keine Stellungnahme zu erhalten.

Für den Eichstätter Landrat Alexander Anetsberger (CSU) ist mit dem Eindringen der Impfgegner in das Schulhaus "eine Grenze überschritten". Die Pandemie und die damit verbundene Impfkampagne polarisiere in der Gesellschaft enorm, so Anetsberger gegenüber unserer Zeitung. Nun erfahre alles "eine weitere Zuspitzung", die die Bekämpfung der Pandemie zusätzlich erschwere. Es habe schon des Öfteren brenzlige Situationen bei Demonstrationen, Versammlungen und Kontrollen gegeben, die aber nicht eskaliert seien, erzählte der Landrat.

Malteser: "Keine vergleichbaren Ereignisse

Mit dem Eindringen in das Schulgebäude ist die unangemeldete Aktion in Kösching allerdings aus dem Ruder gelaufen. "Ich sage klar: So geht es nicht", sagte Anetsberger. Niemand konnte damit rechnen, dass die Situation mit dem Eintreffen des Impfteams an der Realschule eskaliert. "Ich akzeptiere, wenn sich jemand aus persönlichen Gründen nicht impfen lässt", erklärte Anetsberger und fügte an: "Die wissenschaftliche Einschätzung dazu ist aber klar: Damit behindert er die Bekämpfung der Pandemie. " Die Malteser im Kreis Eichstätt sind nun offenbar die ersten, die eine derartige Eskalation erleben mussten. Ein Sprecher der bayerischen Malteser berichtete auf DK-Anfrage, dass "keine vergleichbaren Ereignisse" im Freistaat bekannt seien. Er sagte: "Gewaltbereite Demonstranten haben wir sonst noch nicht erlebt. " Das gleiche gilt auch für die Johanniter, den Arbeiter-Samariter-Bund und das Rote Kreuz.

Ob und wie man künftig so etwas verhindern könne? "Das ist ein bundesweites Phänomen, es gibt dafür keine einfach Strategie", so Anetsberger. Es helfe möglicherweise nur zu versuchen, jeden Einzelnen zu überzeugen, "geduldig, mehrfach, bis er seine Meinung ändert". Die Haltung der Minderheit von Corona-Skeptikern und -Leugnern zeigt Anetsberger zufolge aber "mehr und mehr ideologische Züge, die aus unterschiedlichen, oft zweifelhaften Quellen gespeist werden, und ihr missionarischer Eifer macht eine sachliche Diskussion oft nicht mehr möglich".

Auch in Beilngries ist eine Impfaktion für Realschüler am Donnerstag nicht ohne Nebengeräusche über die Bühne gegangen. Etwa 20 Personen, darunter stadtbekannte Corona-Protestierer, fanden sich zu einer angemeldeten und genehmigten Versammlung ein Stück von der Schule entfernt ein.

Bei der Polizei laufen Vernehmungen

Diese Zusammenkunft wurde vom Veranstalter aber nach etwa 20 Minuten schon wieder aufgelöst, wie der Beilngrieser Polizeichef Maximilian Brunner im DK-Gespräch mitteilte. Anschließend hielten sich die Protestierer noch vereinzelt im Umfeld des Schulgeländes auf. Zu Ausschreitungen kam es nicht, wie Brunner bestätigte.

Bei der Polizei laufen unterdessen noch die Vernehmungen im Köschinger Fall, die klären sollen, wie viele Personen beschuldigt werden und aufgrund welcher Straftaten. Eine Polizeisprecherin sprach von "etwa 15 Demonstranten", die an der Aktion beteiligt gewesen seien und bezeichnete die Umstände an der Realschule, ohne Details zu nennen, als "relativ dynamische Lage".

DK

Norbert Schmidl, Marco Schneider