Ingolstadt
Immer in Bewegung: Heinz Wolf wird 95 Jahre alt

Hauptmann a. D., Allroundsportler, DK-Fotograf

17.10.2021 | Stand 21.10.2021, 3:34 Uhr
Seine Kamera hatte Heinz Wolf lange Jahre stets zur Hand, wenn er für den DK unterwegs war. −Foto: Hammer

Ingolstadt - Wie das so ist, wenn man Jubilare kurz vor ihrem Festtag daheim aufsucht, um sie fotografisch ins beste Licht zu rücken, weiß Heinz Wolf aus langjähriger Erfahrung als freier Mitarbeiter des DONAUKURIER.

Jetzt hat Wolf selbst wieder einmal Besuch von Ex-Kollegen bekommen, denn an diesem Sonntag wird er 95 Jahre alt. Groß zum Feiern ist ihm aber nicht zumute, weil zum ersten Mal der Geburtstag in seinem Eigenheim in Feldkirchen ohne Ehefrau Erni begangen werden muss. "Man ist auf einmal ganz allein", sagt der Jubilar, der nach 74 Ehejahren die Gefährtin vor zwei Wochen zu Grabe getragen hat. Über viele Jahre hatte er seine schwerkranke Erni daheim selbst gepflegt und umsorgt.
Als der Verfasser des Artikels 1986 zur DK-Lokalredaktion kam, wurde ihm im Großraumbüro der Schreibtisch neben dem Fotografen, also Heinz Wolf, zugewiesen. Jeden Morgen trudelten die Kollegen so gegen neun, teils noch recht unausgeschlafen, zur Redaktionskonferenz ein. Nur Wolf tippte währenddessen schon fleißig auf der Schreibmaschine seine ersten Bildtexte aufs Manuskriptpapier. Wenn die jungen Leute nicht in die Gänge kommen wollten, half der Fotograf mit seiner Bemerkung, er habe "heute schon drei Hemden durchgeschwitzt", etwas nach. Womit er sagen wollte: Jetzt stellt euch bloß nicht so an und macht mal ein bisschen Tempo! Ob Gruppenbild mit verdienten Mitbürgern oder Verkehrsunfall auf der Autobahn, ob nächtlicher Feueralarm oder geplanter Einsatz in aller Herrgottsfrühe - der DK-Mann mit der Nikon-Kamera war immer zur Stelle. Auch bei katastrophalen Ereignissen wie jenem Flugzeugabsturz 1968 bei Langenbruck, als alle 48 Passagiere ums Leben kamen. "Wenn Sie in die Linse schauen, haben Sie Abstand zu den Dingen", beschrieb er bei früherer Gelegenheit den Umgang des Pressefotografen mit oft grausamen Details. Für die Ingolstädter Leser und Zuschauer (bis 2006 war Wolf noch fürs Lokalfernsehen aktiv) hatte sich der allgegenwärtige Fotoreporter den Ruf als bekanntestes Gesicht des DK erarbeitet.
Allein der Weg des gebürtigen Niederschlesiers nach Ingolstadt wäre schon Stoff genug für einen spannenden Abenteuerroman. Es ist der Weg eines Mannes, der sich nicht unterkriegen ließ, der frühzeitig lernen musste, mit jeder Situation irgendwie zurechtzukommen. Mit 14 Jahren hatte er fest vor, wie viele seiner Altersgenossen, "den Krieg zu gewinnen". Das nannte sich zunächst Unteroffizier-Vorschule und endete im Oktober 1944 für den Fahnenjunker Wolf an der Ostfront bei Warschau. Verwundung, Lazarett, Kriegsende ("ich war zweimal in amerikanischer und einmal in russischer Gefangenschaft"), Neuanfang in Niederbayern, unter anderem als Kraftfahrer für die US-Army und - seit 1947 als junger Ehemann.
Die Mobilität, sei es mit Motor- oder Muskelantrieb, sollte fortan für den Allroundsportler eine tragende Rolle spielen. Eine unvollständige Auswahl seiner Disziplinen: Handball, Fußball, Radrennen, Skifahren, Automobilrallye und Gleitschirmfliegen. Sogar zum Stadtmeister von Deggendorf im Langsamfahren mit dem Rad - was es alles gibt - brachte es der umtriebige Bewegungskünstler. Da überrascht es nicht besonders, dass er mit Ehefrau Erni in späteren Jahren mehrfach per Wohnmobil durch die USA tourte. Seit 1951 verdiente Wolf seinen Lebensunterhalt wieder in Uniform, erst beim Bundesgrenzschutz, seit 1956 bei der Bundeswehr und seit 1957 in der Ingolstädter Pionierkaserne. Die Pensionierung als Hauptmann 1980 bedeutete für ihn zugleich den Start in neue Aktivitäten als Pressefotograf, siehe oben.
Wer anfängt, mit dem Jubilar in seiner privaten Fotosammlung zu stöbern, der stößt noch auf so manches Kuriosum. Beispielsweise den Filmstatisten mit angeklebtem Schnurrbart, der mit einer Hundertschaft vom Bundesgrenzschutz 1955 unter der Regie von Max Ophüls marschierte. "Für eine Brotzeit und fünf Mark am Tag", erinnert sich Wolf, habe man in München als Königliche Garde im Hintergrund der berühmten Affäre von Lola Montez und Ludwig I. agiert. Auf der Besetzungsliste dieser millionenschweren Produktion tauchten Stars wie Peter Ustinov, Ivan Desny, Will Quadflieg, Adolf Wohlbrück und nicht zuletzt die französische Schönheit Martine Carol als Lola auf, von der sich Statist Wolf natürlich ein Originalautogramm sicherte.
Mit 95 Jahren noch selbst mit dem eigenen Auto fahren? Für Jubilare in diesem Alter ist das in der Regel nicht mehr ratsam. Heinz Wolf zählt wohl auch hier zu den Ausnahmen. Erst vor zwei Monaten hat er sich freiwillig einem Fahrsicherheits- und Fitnesscheck unterzogen. Gesamtnote: 1,5. Nur ein bisschen zu flott sei sein Fahrstil, sonst hatte der Prüfer nichts zu bemängeln.

DK