Idylle für Dorngrasmücke und Jogger

18.08.2008 | Stand 03.12.2020, 5:40 Uhr

Herrlich abgeschieden: Helmut Kühlmann und Hündin Nelli genießen die Ruhe im Landschaftsschutzgebiet.

Zuchering (DK) „24 Stunden Ingolstadt“ lautet der Titel der Sommerserie im DK. In zwei Dutzend Geschichten wird jeweils eine Stunde des Tages an einem anderen Ort in Ingolstadt erzählt, um den ganz normalen Alltag zu schildern. Heute: Von 18 bis 19 Uhr im Zucheringer Wäldchen.

Seit 1983 ist das Wäldchen ein Landschaftsschutzgebiet, in der Mitte schlängelt sich ein Rundweg hindurch, der vier große Abzweigungen hat: Spitalhof, Unterbrunnenreuth sowie zwei Mal Zuchering. Haaaa, Pffff. Nach ein paar Metern auf dem mit Kies gefestigten Untergrund schweben die Beine scheinbar. Das Dröhnen von der Straße ist verstummt. Die Baumwipfel blocken nicht nur die wärmenden Sonnenstrahlen, auch Lärm muss weitgehend draußen bleiben. Doch der kurze Moment der Stille ist bereits wieder vorbei. Klack, klack, klack, klack. So dringt es monoton den Weg entlang. Um die Kurve biegt eine Nordic-Walkerin. Die Bewegungen sind sportlich, der Schweiß steht ihr auf der Stirn. Die Blicke treffen sich, ein kurzes Nicken. Und weiter. Haaaa, Pfffff.

Kurz darauf öffnet sich ein breiter Korridor im Wald. Vorne ist bereits wieder asphaltierte Straße sichtbar. Der Schlund nach Zuchering. Links geht es weiter. Haaaaaaaaaaa, Pff. Vier Schritte ein, nur mehr einen aus: Zeit für Dehnübungen.

Wie durch einen Tunnel kommt Helmut Kühlmann daher. Seine Hündin Nelli begleitet den Zucheringer auf Schritt und Tritt. Und das zwei Mal täglich. Vormittags ("Da powern die Frauen") und abends. "Bei Wind und Wetter", sagt Kühlmann. Drei Kilometer ist der Rundweg, preist das verwitterte Holzschild an der Ecke. "3,2", korrigiert Kühlmann. Er hat es mit dem Radl ausgemessen "Aber die 200 Meter schenke ich denen", sagt er und lacht. Stramm auf die 80 Jahre geht er zu, gesteht der Zucheringer. Auch Nelli ist bereits 15. Doch beide sind noch topfit. "So fantastisch", sagt der Rentner. Er meint den Wald. "Da müsste man noch mehr daraus machen." Mit zwei Bekannten hat er schon Kies auf die Wege geschüttet, damit der Matsch nicht so durchkommt. Nelli fordert ihn auf. Jetzt weiter.

Haaaa, Pffff. Vier ein, vier aus, der Takt stimmt wieder. Die dornigen Beerensträucher am Wegesrand hinterlassen ihre Spuren am Läuferbein, sobald es ihnen zu nahe kommt. Schilf ist da nachgiebiger. Ja, auch das gibt es hier. In der Mitte des Wäldchen versteckt sich ein herrlicher Weiher. Den Sportlern bleibt er verborgen. Haaaa, Pfffff. Auch die beiden anderen Weiher am Wegesrand sind verborgen. In den 60er Jahren waren sie Kiesgruben. Flora-Fauna-Habitat darf sich das Zucheringer Wäldchen aber inzwischen nennen. 55 Brutvogelarten machen es sehr artenreich.

Leises Gezwitscher dringt von den Bäumen herüber, nachdem sich ein etwas lauter zwitscherndes Joggerpärchen verflüchtigt hat. Halsbandschnäpper? Dorngrasmücke? Die gefährdeten Arten sollen hier leben. Nur erkennen mag sie der Unkundige nicht. Das ist auch bei Frauenschuh, Mücken-Händelwurz, Brand-Knabenkraut und Küchenschelle so. Alles gefährdete Pflanzen.

Haaaaaa, Pfff. Die kleine Brücke über die Sandrach ist erreicht. Kurz davor zweigt ein verschlungener Pfad ab. Die Atmung passt noch. Also weiter, entlang der ruhig fließenden Sandrach. Noch eine Runde. Oder gar zwei?