Ingolstadt
Von der Maische zum fertigen Bier

DK-Redakteur erlebt den Brauprozess bei Herrnbräu

13.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:52 Uhr
Im obergärigen Gärkeller von Herrnbräu hebt DK-Redakteur Norbert Schmidl die Kräuse von einem Weizen ab, das in dem offenen Gärbottich seit einem Tag gärt. −Foto: Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Irgendwie ist es beruhigend zu wissen, dass in unserer schnelllebigen Welt einerseits nicht alles mit moderner Technik immer noch schneller geht, aber andererseits vieles gleichzeitig mit deutlich weniger harter körperlicher Arbeit als früher verbunden ist. Das Bierbrauen in größerem Stil gehört zweifellos zu dieser Kategorie, so die Erfahrung unseres Redakteurs bei einem Besuch bei Herrnbräu.

Denn während beispielsweise Rührwerke in den großen Bottichen das anstrengende Umrühren der Maische von Hand ersparen (was Hobbybrauer noch tun müssen) und die Brauereimitarbeiter dank Gabelstaplern nicht mehr schwere Fässer heben müssen, brauchen die biochemischen Prozesse im Sudhaus (und auch danach) halt ihre Zeit. Und das sind pro Brauprozess etwa acht bis neun Stunden. Gut Ding will eben Weile haben.

Schon beim Betreten des kleinen Kontrollraums im Herrnbräu-Sudhaus fällt neben den beiden Monitoren als erstes der Ventilator auf, der unentwegt läuft und gegen die allgemeine, aber auch gegen die Hitze ankämpft, die die großen Kessel verströmen, in denen die Bierwürze gekocht wird. Mehrere der 300 Hektoliter (hl), also 30000 Liter, fassenden Bottiche sind von hier aus zu überblicken. Vom Brauprozess selbst ist freilich so gut wie gar nichts zu sehen. Nur der Blick auf die beiden Bildschirme (und in geringem Maß durch die kleinen Fenster an der Oberseite der Kessel) lässt Rückschlüsse auf den momentanen Zustand der beiden 300-hl-Sude (einmal Weizen, einmal Export) zu, die Biersieder Michael Pol im wahrsten Sinn des Wortes gerade "durchschleust". Vom Maische- zum Läuterbottich und dann vom Sudkessel zum Whirlpool. Und während Pol zufrieden ist mit dem, was er auf den Bildschirmen sieht, sitzt der DK-Redakteur verständnislos vor dem dort zu sehenden Wust an Zahlen und schematisierten Darstellungen der Brauanlage, die ihm der Fachmann zu erklären versucht.

Ab und zu piept es irgendwo im Sudhaus und Pol geht zielstrebig auf einen der Bottiche zu, um eine kleine Probe zu nehmen. Die überprüft der 40-jährige Neuburger dann mit einer sogenannten Bierspindel, um den jeweiligen Stammwürzegehalt - also den Anteil der aus dem Malz und Hopfen im Wasser gelösten, nicht flüchtigen Stoffe - des im Werden befindlichen Biers in unterschiedlichen Stadien festzustellen. Dazu muss er allerdings die Proben erst auf 20 Grad herunterkühlen, denn darauf sind die Spindeln geeicht. Nur bei dieser Temperatur zeigen sie die richtigen Werte an.

Einen Stammwürzegehalt von 12,8 Grad Plato soll das Weizen, das gerade gebraut wird, haben, wenn es das Sudhaus verlässt. Der Wert ist nach rund einer Stunde kochen schon fast erreicht. Aber eben noch nicht ganz. Also muss Pol die Würze noch ein wenig weiter kochen. Zehn Minuten sind im Computer dafür voreingestellt. Seine Erfahrung sagt dem 40-Jährigen aber, dass das in diesem Fall viel zu lange ist. Er reduziert die Zeit. Das sind, wie er sagt, "die kleinen Eingriffe in den Brauprozess", die er zu machen hat, "damit es runder läuft". Zehn Minuten Nachkochen, erfährt der Gast im Sudhaus in diesem Zusammenhang nebenbei, würden zudem drei Hektoliter wegdampfen. 300 Liter Bier weniger, einfach so.

Der Redakteur, der bisher nur mit Kleinstbrauanlagen nähere Bekanntschaft gemacht hat, mag sich die Mengen, die bei Großbrauereien benötigt (und auch verdampft) werden, gar nicht vorstellen. Selbst bei einer mittelständischen Brauerei wie Herrnbräu werden allein für einen 300-hl-Sud - je nach Biersorte - rund fünf Tonnen Malz eingesetzt. Und auch die von Pol genannte Menge von etwa 17 Kilogramm Hopfenpellets, die in zwei "Gaben" (beim Pils in drei) der Bierwürze zugegeben wird, klingt für den "Gastbrauer" schon riesig, da er für die ihm bekannten Mini-Sude immer nur eine Handvoll Hopfen und lediglich ein paar Kilo Malz gebraucht hat.

Mittlerweile hat das Bier die gewünschte Stammwürze erreicht. Es wird deshalb von der Sudpfanne in den Whirlpool weitergeleitet, wo der sogenannte Heißtrub von der Flüssigkeit getrennt wird. Wenn es dann im Plattenkühler von 95 Grad heruntergekühlt wurde - beim Weizen auf 15 Grad - und er noch eine Probe für das Labor genommen sowie die Freigabe für die Hefegabe erteilt hat, ist dieser Sud für Pol erledigt.

Das Weizen läuft - inzwischen mit der automatisch zugegebenen Hefe, wie Braumeister Frank Lindemann dem Redakteur erklärt - derweil in einen der offenen Gärbottiche im obergärigen Gärkeller. Ziemlich rasch füllt sich der 300-hl-Behälter unter ständigem Rauschen und unter Beobachtung von Brauer Markus Leischner. Wie das Bier nur einen Tag später dank der Arbeit der Hefe aussehen wird, ist in einem anderen Gärbottich zu sehen. Dort ist das erst einen Tag alte Weizen schon mit einer dicken weiß-braunen Schaumschicht überzogen. Diese muss regelmäßig "abgehoben" werden, weshalb der Redakteur auch eine große Kelle in die Hand gedrückt bekommt, damit er diese Arbeit verrichten kann. Gerade die sogenannte Braunkräuse, also der dunklere Teil der Schaumschicht, müsse entfernt werden, so Lindemann, denn sie würde - anders als beim Hopfen, wo dies gewollt ist - eine unerwünschte kratzige Bittere im Bier hervorrufen.

Rund sieben Tage dauert die Gärung, dann wird das Weizen für die Reifung in Flaschen abgefüllt und kühl gelagert. Die untergärigen Biere, also etwa Helles oder Export, verbringen nach ihrer Gärung derweil den nächsten Monat in einem der Tanks in dem 0 bis 2 Grad kalten Lagerkeller, bis sie fertig sind, wie Lindemann sagt. Um diesen Reifungsprozess überprüfen zu können, hat der Braumeister die nach Einschätzung des Redakteurs wohl schönste Aufgabe, die es in der Brauerei gibt. Beim sogenannten Zwickln nimmt er über einen kleinen Zapfhahn immer wieder mal eine winzige Probe des vor sich hin reifenden Biers.

Erst wenn es nach der Beurteilung des Braumeisters den Qualitätsanforderungen entspricht, kommt es schließlich vom Lagerkeller über eine Filtrationsanlage und Drucktanks in die Abfüllerei, um dann in Flaschen oder Fässern auf die Herrnbräu-Laster verladen zu werden, die sie letztlich zu den verschiedenen Verkaufsstellen bringen.