Münchsmünster
Paradies für Menschen, Tiere und Pflanzen

Wo die Natur Natur sein darf - Ein Ausflug mit dem Jäger in sein facettenreiches Revier

23.08.2018 | Stand 23.09.2023, 3:53 Uhr
  −Foto: Lamprecht

Münchsmünster (DK) Andere Kinder hatten einen Teddy oder eine Puppe.

Ich hatte Willi, das am Anfang noch flauschige und hellbraune Stoffschwein, das im Laufe der Jahre etwas totgeliebt aussah und aus meinem Leben doch nicht wegzudenken war. Und ich nahm sie ernst, die Liebe zum Schwein: Schweinefleisch essen? Undenkbar. Der Jäger war entsprechend, wenn schon nicht der Todfeind meines vier-, fünfjährigen Ichs, so doch zumindest eine Persona non grata. Bis zu jenem Tag jedenfalls, als sich ein Jäger Zeit nahm, sich hinsetzte und mir ganz genau erklärte, was Jägersein eigentlich bedeutet. Dass und warum dazu auch manchmal gehört, ein Tier zu schießen. Dass das aber längst nicht Alles und sicherlich auch nicht das Wichtigste ist.

Jetzt, viele Jahre später, wollte ich mir noch einmal anschauen, was der Jäger eigentlich genau tut und so machte ich mich mit Manfred Kreis und seiner Frau auf den Weg in sein Revier zwischen Münchsmünster und Vohburg.

Den ganzen Nachmittag über fahren wir an diesem heißen Sommertag in seinem Geländewagen durch das Revier. Steigen immer wieder aus, wenn es etwas Besonderes zu sehen gibt. Und davon gibt es hier eine ganze Menge: Schon kurz nach der Ilmbrücke, gleich am Ortsrand, halten wir das erste Mal an: "Komm mal, ich zeig dir was", sagt Kreis und steigt aus dem Auto. Ein Satz, den ich an diesem Nachmittag noch oft hören werde.

An dieser ersten Station sind zwei Wiesen direkt nebeneinander. Die eine wird regelmäßig gemäht, die andere nur einmal im Jahr. Und der Unterschied ist deutlich. Während in der einen fast ebenes Grün vorherrscht, ist die andere erfüllt von Farbenpracht und Leben: Unzählige verschiedene Blumen blühen hier. Lila, blau, gelb, weiß. Insekten summen, brummen, zirpen. Etwas weiter hinter in der Wiese raschelt es. Eine Fasanhenne ist hier unterwegs. "Da sind viele drin und wahrscheinlich auch noch so einiges mehr", sagt Kreis und lächelt.

Flecken wie diese sind es, für die der Jäger und Naturfreund aus Leidenschaft kämpft. "Die Natur braucht ihren Platz", sagt er wenig später bei der nächsten Station, an einen der Jägerstände gelehnt, die es überall im Revier verteilt gibt und die jetzt im Sommer, ebenso wie die Futterstationen für das Wild, überprüft werden müssen. Auch das machen wir auf unserer Tour. "Du sollst ja schließlich alles sehen", sagt er schmunzelnd.

Der Jägerstand freilich ist nicht der einzige Grund unseres Halts: Auf einer Wiese, die ihnen günstig von einem Bürger überlassen wurde, haben Kreis und seine Jagdgenossen im Frühjahr Miscanthus gepflanzt. Noch sind die Pflanzen, nicht zuletzt auch wegen des extrem heißen Sommers klein. Später aber werden sie eine wertvolle Deckung für das Wild abgeben. "Wir haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht", sagt Kreis und verweist auf einige andere Stellen in der Nähe, an denen der Miscanthus inzwischen meterhoch steht und es vor Leben nur so wimmelt. Rehe finden hier einen Unterschlupf. Niederwild, von dem so viel gibt wie in kaum einem Revier in der Region. Vögel, zum Teil auch seltene, tummeln sich.

Wunderschön ist all das. Beeindruckend. Ein bisschen wie im Paradies. "Aber das eigentliche Paradies kommt jetzt", sagt er und biegt in einen schmalen Feldweg ein. "Leise sein", mahnt er und geht einen noch schmäleren Weg entlang, an dessen Rand sich versteckt hinter Büschen ein Weiher auftut.

Es riecht nach Wasser, nach Büschen, Bäumen, Gräsern, Blüten. Eisvögel sitzen am Rand des Weihers und auf den drei kleinen Inseln. Fische ziehen ihre Kreise. Ein Vogelschwarm fliegt auf und lässt sich auf einem toten Baum nieder. Ein Reiher stößt herab. Eine seltene Weihe zieht ihre Kreise über unseren Köpfen.

Plötzlich ist es ganz still. Keine Autos, keine Flugzeuge. Niemand spricht. Nur die Natur ist zu hören, und genau in diesem Moment weiß ich, was Kreis und der Jäger aus meiner Kindheit gemeint haben, als sie sagten: "Es geht nicht um uns. Es geht um die Natur. Wenn die gewinnt, dann gewinnen wir alle. "

Fast seltsam ist es da, wieder ins Auto zu steigen und weiter zu fahren. Richtung Münchsmünster. Über die Ilmbrücke, unter der fast zahme Enten schwimmen, hinein in den Ort mit seinen gepflegten Gärten. Seinen Geräuschen und Gerüchen. Und dann reist mich Kreis' Stimme unvermittelt aus meinen Gedanken: "Wir leben natürlich in einer Kulturlandschaft. Aber wenn man miteinander redet und der Natur auch ein bisschen Raum lässt - einen Seitenstreifen hier und da, einen Weiher der nicht verpachtet wird, eine Wiese, die nicht gemäht wird - dann gewinnen wir alle. Und ich glaube, dass das viele Menschen inzwischen merken. Jedenfalls sagen sie zu mir: Es ist schön in deinem Revier. Bei dir sieht man wenigstens noch Tiere. " Von ungefähr, das hat mir dieser Nachmittag deutlich gemacht, kommt das freilich nicht.

Susanne Lamprecht