Irsching
Froschbeine und Pfeilarme

DK-Sommerserie: Einmal Bademeister im Warmbad Irsching - Unvorstellbar viel muss beachtet werden

08.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:20 Uhr
  −Foto: Fotos: Schweiger

Irsching (DK) Bademeister ist der beste Job. Gut gebräunt mit Sonnenbrille jeden Tag im Freibad sitzen und die Zeit genießen. Wer das glaubt, liegt mit seiner Einschätzung ziemlich weit daneben, wie unser Redakteur im Selbstversuch sehr schnell und vor allem sehr früh am Morgen festgestellt hat.

Fast wie ein Spiegel, durch den man durchschauen kann, sieht das Wasser aus. Nur der Wind kräuselt hier und dort die Oberfläche ein wenig. Das Warmbad liegt ruhig da an diesem Morgen, die Sonne kündigt bereits um 7.30 Uhr an, dass es heute richtig heiß werden wird. Doch noch ist die Temperatur angenehm und im Bad ist es still und friedlich. Es wird erst in zweieinhalb Stunden öffnen. Zu diesem Zeitpunkt ahne ich noch nicht, dass es der letzte ruhige Moment im Warmbad an diesem Tag sein wird.

Denn kaum hat mich Bademeisterin Tanja Schweiger entdeckt, drückt sie mir einen Wasserschlauch in die Hand. Im Kinderbecken, das sie "Planschi" nennt, ist kein Wasser, dafür umso mehr Sand. Meine erste Aufgabe ist es nun, den Sand mit dem Wasserstrahl in den Abfluss zu treiben. "Die Schuhe ziehst du besser aus, sonst schwimmst du gleich drin." Kaum ist der Sand einigermaßen raus aus dem Kinderbecken, lotst mich die Chefin - den Wasserschlauch unter dem Arm - zu den kleinen Becken mit Dusche, die jeder Besucher durchqueren muss, um in das große Becken zu gelangen. Bewaffnet mit Schrubber seift Schweiger das Becken ein und ich spritze es sauber, dazwischen reinige ich noch das Pflaster rund um das Becken und gieße nebenbei die Beete. Hinten auf der Liegewiese läuft derweil der Rasensprenger und wir gehen in das Herzstück des Bades, die Technik.

Auf dem Planeten Erde geht bekanntlich nichts verloren. Und so ähnlich ist es auch im Warmbad. Alles, was die Badegäste im Wasser verlieren, kommt irgendwo wieder raus. "Jetzt wird es eklig", warnt Schweiger mich vor. Sie schaltet die Umwälzpumpen ab, wir öffnen die beiden Filtergehäuse und ein Schwall Wasser strömt uns entgegen. Dann reinfassen und die Metallfilter herausholen. Während ich mit einem speziellen Schaber die Haare von dem Gitter kratze, wünsche ich mir, dass es viel mehr glatzköpfige Menschen geben sollte. Sei's drum. Filter wieder rein, Anlage aufdrehen, fertig.

Nun drückt mir Tanja eine Fernsteuerung in die Hand. Am Beckenboden zieht seit Stunden ein Satelliten gesteuerter Putzroboter im Wert eines Mittelklassewagens seine Bahnen. Jetzt ist er fertig. Ich soll ihn an eine bestimmte Stelle steuern und dort rückwärts einparken, damit wir ihn aus dem Wasser heben können. Rückwärts einparken geht leichter als gedacht. Einen Knopf gedrückt und er taucht auf. Schweiger öffnet die große Klappe des Gefährts und holt die Filter heraus. Denn auch hier sammelt sich das, was die Badegäste verloren haben - jede Menge Haare. Filter reinigen, Gefährt aufräumen. Die ersten eineinhalb Stunden sind vorbei und ich bin noch nicht einmal zum Luft holen gekommen. Im Sanitärbereich werkelt die Putzfrau ebenfalls seit mehr als einer Stunde. Dabei ist es erst 9 Uhr, das Bad öffnet um 10 Uhr. "Jetzt geht gleich der Schwimmkurs los", sagt Tanja Schweiger plötzlich. Schwimmkurs?

Also schnell umziehen und ab ins Wasser. Für die nächsten 45 Minuten sind die "Froschbeine" und "Pfeilhände" meine Lieblingswörter. Im Nu planschen 15 Kinder im Alter von vier, vielleicht fünf, Jahren im Wasser. Die Eltern schauen von draußen zu. Tanja Schweiger und zwei Schwimmtrainer bringen den Kleinen das Schwimmen bei. Korbinian macht das mit den Froschbeinen richtig gut, Emily traut sich ohne festhalten vom Beckenrand zu springen und Benedikt erzählt mir, dass er die Froschbeine mit seinem Vater schon geübt hat. Zehn Einheiten umfasst der Kurs, jeden Tag von 9 bis 9.45 Uhr. "Eine willkommene Abwechslung zum Alltag", sagt Schweiger und der zweite Bademeister Klaus Lang, der ebenfalls als Schwimmtrainer dabei ist, nickt.

Die Kinder sind kaum aus dem Wasser, da soll ich die Sprinkleranlage auf der Liegewiese abbauen. Die Schläuche sind überraschend schwer, nicht so dünn und schmal wie zu Hause im Garten. Ich wuchte sie in die Garage und denke: "Jetzt wäre eine Pause recht." Da fällt mein Blick auf den Eingang: Es ist 10 Uhr. Jetzt geht's erst richtig los, das Bad öffnet. An der Kasse steht eine Schlange bis zum Parkplatz. Das mit der Pause kann ich mir abschminken.

Schon hält mir Tanja zwei kleine Reagenzgläser hin. Die Wasserqualität in den beiden Becken wird regelmäßig überprüft, die Messwerte kann der Bademeister per Computer ständig abrufen und reagieren, sollte der Chlor- oder der ph-Wert den geforderten Normbereich verlassen. Aber das genügt nicht, die Werte müssen per Hand nachgemessen werden. Also nehmen wir Wasserproben und stecken sie in das Analysegerät. Tanja Schweiger trägt sie in das Betriebstagebuch ein. Alles wird registriert, dokumentiert und doppelt und dreifach abgesichert. Regelmäßig wird auch das Wasser von einem Labor in Ingolstadt auf alle möglichen Erreger hin untersucht, der Prüfbericht umfasst mehrere Seiten und bestätigt immer wieder das, was Schweiger ohnehin weiß: "Die Wasserqualität in Irsching ist top."

Das Bad hat gerade erst seit 20 Minuten geöffnet und das Becken ist bereits proppenvoll. Durch die vielen Menschen im Wasser und die starke Sonneneinstrahlung sinkt der Chlorwert im Becken und die Bademeisterin muss eingreifen. Hier ein Ventil aufdrehen, dort einen Knopf drücken und schon nähert sich der Wert wieder dem Ideal.

Nach fast vier Stunden putzen, aufräumen, kontrollieren und sonstiger Tätigkeiten beginnt die eigentliche Arbeit. Schweiger spannt einen Sonnenschirm neben dem Becken auf und überwacht das bunte Treiben. Ich setze mich dazu und sehe eine Unmenge an Menschen: groß und klein, jung und nicht mehr ganz so jung, mit Schwimmflügel, mit Schwimmbrett, mit Schwimmgurt, mit Wasserball und was es sonst noch an Schwimmutensilien gibt. Sie tummeln und vergnügen sich im Wasser. Immer mit dem guten Gefühl, das jemand da ist, der aufpasst.

Markus Meßner