Kösching
Fahrstunde auf dem Traktor

Krumme Furchen und viel Staub: Das Bedienen eines Bulldogs erfordert mehr Übung als gedacht

01.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:17 Uhr
  −Foto: Fotos: Hauser

Kösching (DK) Große Staubwolken ziehen hinter dem Traktor her.

Je länger die Fahrt, desto erdiger der Geschmack im Mund - obwohl die Kabine geschlossen ist. Das zweieinhalb Hektar große Feld zwischen Kösching und Hepberg ist trocken, es hat lange nicht geregnet. "Es darf nicht zu matschig sein für die Bodenbearbeitung", sagt der Fahrlehrer. Die Info ist in diesem Moment zweitrangig - viel größer ist die Freude darüber, soeben die ersten 100 Meter am Steuer eines Traktors zurückgelegt zu haben. Entschuldigung - eines Bulldogs natürlich, wie die bayerischen Bauern sagen, so lautet die erste Lektion.

Als Dorfkind gibt es Erinnerungen an viele Sommer, in denen die Landwirte rund um den Ort die Felder bestellten. Die Gelegenheit dazu, eine der großen Maschinen zu bedienen, kam nie. So ist es der nostalgische Gedanke, diesen Wunsch nun erfüllen zu können. Praktisch, wenn IT-Kollegen wie Wolfgang Schöberl im Haus arbeiten, die nebenher eine Landwirtschaft betreiben und ihren Bulldog als Versuchsgefährt anbieten.

Als Schöberl mit seinem grünen John Deere Typ 6330 mit den markanten gelben Felgen um die Ecke kommt, folgt leichte Nervosität. Jemand, der erstaunlich lang für den Führerschein gebraucht hat, soll dieses Riesending bedienen? Nun, der Schlepper muss ja nicht eingeparkt werden, und um auf Privatgelände zu rangieren, ist kein Führerschein notwendig, ergab die vorherige Recherche.

Erst einmal geht es auf den Beifahrersitz, um auf dem Weg zum Feld die Grundlagen zu lernen. "Eigentlich ist es wie Autofahren", sagt Schöberl. Links die Kupplung, in der Mitte die Bremse, rechts das Gaspedal. Ebenfalls rechts auf Armhöhe ist der Schaltknüppel mit den Gängen von A bis F. "Da geht es nie um die Fahrtgeschwindigkeit, sondern die Arbeitsgeschwindigkeit", erklärt der Bauer. Trotzdem drängt die Frage, wie schnell der Bulldog mit seinen 105 PS ist: "Auf der Straße bis 40 Stundenkilometer, auf dem Feld je nach Maßnahme bis zu 14."

So "schnell" wird es heute gar nicht. Zu viele andere Dinge erfordern die Aufmerksamkeit des Anfängers, als Schöberl Platz macht. Der Fahrersitz ist im Gegensatz zum Beifahrersitz gut gefedert und erhöht, sodass der Blick weit über den Frontlader hinaus auf den abgeernteten Acker fällt. "Man kann in jedem Gang losfahren, aber langsam", bittet Schöberl. Als er sagt, dass auch der Motor eines Traktors absterben kann, kommt kurz die Beklemmung aus der Fahrschulzeit wieder hoch. Wie unangenehm es doch war, mit dem Auto an der Ampel einen Hopser zu machen. Mit dem Schlepper sieht das sicher noch lustiger aus.

Zehn Jahre Fahrpraxis zahlen sich aber doch aus - das Anfahren ist schon mal kein Problem. Kupplung kommen lassen, Gas geben, und schon rollt der Bulldog. Anders als vor diesem Abenteuer vorgestellt, lässt sich das Lenkrad mit dem Hirsch-Logo in der Mitte leicht bedienen, es ist kein kräftezehrendes Gekurbel notwendig. Da es erst immer geradeaus geht, bleibt sogar Luft für eine weitere Entdeckung: Auf dem Kopf des Schalthebels sind zwei unscheinbare Knöpfe mit einer Schildkröte und einem Hasen markiert. Leicht zu erraten, welche Funktion diese haben: "Je nachdem, welchen man drückt, wird man schneller oder langsamer", sagt Schöberl. Ein kurzer Ruck geht durch den Traktor nach der Betätigung des Hasen - und tatsächlich geht es nun etwas schneller voran.

Trotz Klimaanlage fließt bald der Schweiß: Volle Konzentration ist verlangt, denn neben dem Bulldog will gleichzeitig der Grubber bedient werden, um den Boden zu lockern und das Unkraut herauszuziehen. Das Gerät mit den gänsefußartigen Scharen und der Walze zur Verfestigung des Bodens hängt hinter dem Schlepper. Es lässt sich durch einen Kippschalter bedienen. Der Grubber muss vor einer Kurve am Ende des Ackers nach oben gebracht werden. Ein Profi macht das in voller Fahrt. Heute sieht das - vor allem anfangs - anders aus: panisches Bremsen, am besten fünf Meter zu früh, um nicht ins angrenzende Maisfeld oder in den Fotografen zu fahren, im Stehen den Grubber-Schalter drücken, und dann erst langsam in die Kurve rollen. Den Radius des Wendekreises einzuschätzen, ist mit dem großen Gerät gar nicht so einfach.

Das Geheimnis ist, den Traktor samt Grubber nun genau parallel zur letzten Spur zu platzieren - und dann auch noch exakt geradeaus zu fahren, um keine Lücke zu hinterlassen. Leichter gesagt, als getan: Bald werden die Spuren hinter dem Schlepper immer krummer, als ob ein Bauer sein Feld nach einer durchfeierten Nacht bestellt hätte. Nicht nur einmal weist Schöberl darauf hin, weiter rechts oder links zu fahren. Schlechtes Gewissen stellt sich ein - der Landwirt soll die Arbeit ja nicht doppelt machen müssen.

Fast zwei Stunden und ein halbes Feld später ist das Fahrtraining vorbei. Schade, am Ende sind zumindest die Kurven schon viel leichter gegangen. Schöberl würde für die Bearbeitung seines Ackers etwa 70 Minuten brauchen - das nächste Mal wird aber wohl etwas Schönheitskorrektur notwendig sein. "Das ist reine Übungssache, ich bin ja damit aufgewachsen", tröstet er.

Nichtsdestoweniger hat der kleine Ausflug in die Landwirtschaft, für den so mancher bei Eventagenturen bis zu 200 Euro ausgibt, viel Spaß gemacht - und eine Lehre mit sich gebracht: Ein Feld zu bearbeiten ist harte Arbeit.
 

Tanja Stephan