Hofstetten
Pionier des Denkmalschutzes

Der streitbare Journalist und langjährige Vorsitzende des Jurahausvereins, Peter Leuschner, wird 70

25.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:44 Uhr

Über die Hälfte seines Lebens hat sich Peter Leuschner dem Denkmalschutz verschrieben. Heute feiert der gebürtige Ingolstädter seinen 70. Geburtstag. - Foto: privat

Hofstetten (DK) Sein Haar ist grau geworden, er selbst gelassen. Die Jahre haben das äußere Erscheinungsbild und die innere Einstellung etwas verändert. Aber sein Plädoyer für den Denkmalschutz fällt immer noch klar und deutlich aus - wie in den 40 Jahren zuvor: Peter Leuschner wird heute 70 Jahre alt.

Deutlich mehr als die Hälfte seiner Lebenszeit hat der gebürtige Ingolstädter dem Erhalt der einzigartigen Jurahauslandschaft gewidmet. Er hat gekämpft und gezweifelt, Erfolge erlebt, Niederlagen eingesteckt, musste Verleumdungen, ja Hass aushalten und persönliche Demütigungen hinnehmen. Seine Familie blieb phasenweise auf der Strecke, wie er selbst einräumt. Aber ohne sie, ohne seine Frau Helga vor allem, seine drei Kinder Juri-Johannes, Emanuel-Euchar und Miranha-Isabel "hätte ich das nie alles geschafft", sagt er.

"Das alles" ist die Renovierung der mittelalterlichen Burg der einstigen Herren von Hofstetten, die in den Jahren 1691 bis 1694 zum barocken Jagdsitz der Eichstätter Fürstbischöfe ausgebaut worden war, einem Bau von Jakob Engel. Ein gewagtes, mutiges Unterfangen. Von einem "Wahnsinn" spricht Leuschner immer wieder, von einem "Zweigkampf" mit einem "gefräßigen und geliebt gehassten Steinkasten" - das ihn und seine Familie nicht nur finanziell über Jahrzehnte belastet hat, sondern auch für das familiäre Zusammenleben zu einer Gratwanderung zwischen Abgrund und Glück geworden war.

Heute ist die gesamte Familie Leuschner stolz auf den geschichtsträchtigen Bau, in dem unter anderem Trauungen und Hochzeiten stattfinden und in dem Urlaubsgäste sich erholen können. Als Schlossherr versteht sich Peter Leuschner dennoch nicht, eher als "Knecht unseres Schlosses".

Peter und Helga Leuschner haben mit ihrem privaten Engagement für das ehemalige Burg-Schloss ein Zeichen gesetzt.

Als das Ehepaar - er war 27 Jahre alt, sie 22 - gemeinsam mit ihren Eltern das Gemäuer in einem knapp 8000 Quadratmeter großen Garten im Jahr 1974 erwarb, standen die Zeichen auf Abbruch. Zudem: Das Bayerische Denkmalschutzgesetz war gerade mal ein Jahr alt, und vieles, was heute Standard in der Denkmalpflege ist, war damals unbekannt wie beispielsweise ein verformungsgerechtes Aufmaß oder das sogenannte Vorprojekt zur Ermittlung der Schäden und der damit verbundenen Kosten.

Das größte Handicap war deshalb das Fehlen wirklich denkmalerfahrener Architekten, Statikern, Restauratoren und Handwerkern. Verloren gegangen war auch das Wissen über historische Baumaterialien wie selbst gemachten Kalkspatzenmörtel und alte Handwerkstechniken. Mit dem Einzug in das Haus im April 1975 wurden Peter und Helga Leuschner zwangsläufig zu "Pionieren" im privaten Denkmalschutz. Dies hieß auch, Fehler zu machen, die die Sanierung in die Länge zogen und für eine stetige Kostenerhöhung sorgten. Fast 40 Jahre dauerte es mit etlichen Verschnaufpausen, bis im April 2013 der Abschluss der Renovierungsarbeiten gefeiert werden konnte. "Wir haben unsere Erfahrungen gemacht", sagt Leuschner heute. Erfahrungen, an denen die Familie über alle die Zeit bis heute viele sanierungswillige Jurahausbesitzer hat teilhaben lassen.

Und diese Teilhabe ist die andere Seite der imposanten Leistung des Denkmalschützers Peter Leuschner: sein öffentliches Engagement für den Erhalt der einzigartig bäuerlichen Hauskultur des Jurahauses. Zehn Jahre nach dem Erwerb von Schloss Hofstetten und noch immer mit Haut und Haaren dessen Sanierung verschrieben, gründete Leuschner zusammen mit einigen wenigen Gleichgesinnten den Jurahausverein. "Aus Wut darüber, dass um uns herum munter abgerissen wurde, während wir das Alte zu retten versuchten." Durch den Verein sind unzweifelhaft zahllose vom Abbruch bedrohte Jurahäuser gerettet worden. Der Jurahausverein hat dazu beigetragen, dass die Hauslandschaft des Altmühl-Jura nicht restlos und mit einigen Federstrichen verschwunden ist. Leuschner war über zwei Jahrzehnte die Speerspitze des Vereins, fast ebenso lang Vorsitzender. Und er hat in dieses Unterfangen wohl mehr Herzblut und Engagement gesteckt als in seinen eigenen "gefräßigen Steinkasten".

Laut und markant, provokant und zuweilen auch verletzend hat Leuschner für das Jurahaus gestritten und sich als völlig unpolitischer Mensch, der er immer war, mit Verantwortungsträgern in den Gemeinden, Städten, im Landkreis und im Land angelegt. Nie um seinet-, sondern immer um der Sache willen. Und er hat auch abbruchwilligen Hauseigentümern einen Spiegel vorgehalten, der nicht immer ein schönes Bild von ihrem Handeln zeigte. Brandbriefe an Politiker wurden geschrieben, "Todeslisten" erstellt, auf denen die vom Abbruch bedrohten Häuser standen, "goldene und silberne Abrissbirnen" wurden vergeben, wenn wieder einmal ein besonders wertvolles Gebäude dem Erdboden gleichgemacht geworden war.

Neben dieser "harten Linie" haben Leuschner und seine Mitstreiter immer wieder versucht, die Bürgermeister, Landräte, Behördenchefs, Hausbesitzer und Bürgerinnen und Bürger für den vom Aussterben bedrohten Haustyp des Jurahauses zu sensibilisieren, ihnen die Einmaligkeit des Jurahauses vor Augen zu führen, sie von der Schlichtheit, der Ästhetik, der Qualität der Bauten und der Verbindung von Landschaft und überlieferter Baukultur zu überzeugen und ihnen bewusst zu machen, dass sich in einem "oiden Glump" nach einer fachgerechten Renovierung und Sanierung sehr wohl nach ganz modernen Standards gut leben lässt. Tage des offenen Jurahauses waren dafür ins Leben gerufen worden, in denen Jurahausbesitzer ihre sanierten Häuser öffneten. Oder die unter von ihm herausgegebene Zeitschrift "Das Jurahaus", in deren Rahmen auch ein Sonderheft über den zeitweise in seinem Inchinger Schlösschen lebenden Münchener Architekten, Ministerialbeamten, Landschaftsmaler und Fotografen Heinrich Ullmann (1872 - 1953) veröffentlicht wurde. Nach und nach gelang es dem Verein, einen Bewusstseinswandel für das fast schon verschwundene Jurahaus zu wecken - und auch ein Gefühl für Heimat, das damals noch längst nicht so in Mode war wie heute. Eigentlich war der Einsatz Leuschners paradox: Auf der einen Seite abbruchwillige Hausbesitzer, die bei Genehmigungsbehörden kaum Widerstand für ihre Pläne vorfanden, auf der anderen Seite ein Denkmalschutzgesetz, an deren Einhaltung sich gerade die genehmigenden Ämter eigentlich zu halten hatten. Dazwischen ein Verein, der sich zwischen alle Stühle setzte, um für die Belange des Denkmalschutzes zu kämpfen und der sich immer auch auf das Grundgesetz berief, nach dem Eigentum auch verpflichtet. Deshalb hat Leuschner die amtlichen Denkmalschützer trotz aller unterschiedlicher Auffassungen immer als Verbündete gesehen, nie als Gegner.

Geschickt nutzte Leuschner auch seinen Hauptberuf als Journalist der Münchener "tz" und seine Arbeit als Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks. In zahlreichen Veröffentlichungen und Fernsehbeiträgen hat er die Belange des Denkmalschutzes öffentlich gemacht und sie vertreten, hat die Liebe zu dem "oiden Glump" geweckt. Dafür erhielt er 1997 den "Deutschen Preis für Denkmalschutz". Auch bayernweit wurde sein Engagement zu Recht gewürdigt: 1986 mit der bayerischen Denkmalschutzmedaille und 1992 zusammen mit seiner Frau Helga mit dem Denkmalpreis der Hypo-Kulturstiftung, dem "Oscar" unter den Denkmalschützern. 1994 kam noch der "Goldene Amboss der Deutschen Handwerksfilmtage" in Ulm für einen Fernsehbeitrag hinzu. Nebenbei arbeitete er als Schriftsteller und befasste sich mit geschichtlichen Themen, darunter mit dem bis heute unaufgeklärten Mordfall Hinterkaifeck.

Seinen als Jurahausvereinsvorsitzender sicherlich sehr fundamentalistischen Stil hat Leuschner immer wieder hinterfragt, und heute würde er davon Abstand nehmen. Ansonsten würde er "alles wieder so machen". Allerdings, so schränkt er ein, "würde ich jetzt auch egoistischer sein", sprich sich mehr um sein eigenes Denkmal und die eigene Familie kümmern. Denn damals hat der "Verein alles aufgefressen, was ich an Energie hatte".

Mit 70 ist Leuschner realistischer geworden. Das laute Kämpfen und Streiten ist nicht mehr so seine Sache. Sein Eintreten für den Denkmalschutz aber hat an Intensität nichts verloren. "Hinter jedem alten Haus steht auch ein Schicksal seines Besitzers", sagt er. Und auch dessen Situation müsse berücksichtigt werden. "Nicht jedes alte Haus lässt sich retten", zieht er Bilanz. Auch wenn dies nach wie vor sein Wunsch ist.