Ingolstadt
Grünring-Schützer geben nicht auf: Man sieht sich vor Gericht

Stadt setzt Planungen für umstrittenen Schulstandort bei Oberhaunstadt fort

01.10.2021 | Stand 23.09.2023, 21:05 Uhr
Einen Karton voller Unterschriftenlisten übergaben Vertreter des Bürgerbegehrens Ende Juli an den OB. Von links: Reglind Seyberth, Eva Bulling-Schröter, Franz Hofmaier, Christian Scharpf, Steffi Kürten und Malik Diao. −Foto: Schattenhofer (Archiv)

Ingolstadt - Gabriel Engert ist kein Jurist, sondern ursprünglich Gymnasiallehrer.

Aber der Bildungsreferent erkannte sofort, dass jetzt eine diffizile und brisante rechtliche Streitfrage auf die Stadt zukommt. Was wird aus seinem Schulentwicklungsplan, wenn die Aktivisten des Bürgerbegehrens "Hände weg vom Grünring! " doch noch erfolgreich sind, und die Mittelschule Nordost - anders als vorgesehen - nicht im zweiten Grünring bei Oberhaunstadt gebaut werden darf? Dann hätte Engert ein ernstes Problem.

Schule im Augraben wird ökologischer Musterbau

Wie berichtet, hat der Stadtrat das Begehren im August auf Empfehlung von Rechtsreferent Dirk Müller für unzulässig erklärt. Aber die Initiatoren klagen jetzt dagegen vor dem Verwaltungsgericht München. Am Donnerstag haben sie ihren Schriftsatz eingereicht. Sie werden von der Anwältin und früheren SPD-Landtagsabgeordneten Adelheid Rupp vertreten. Doch es dürfte dauern, bis in München eine Entscheidung fällt. Mehrere Monate mindestens. Was bedeutet das für die Schulbauplanungen und den Architektenwettbewerb?

Das Schulhaus für 650 Kinder und Jugendliche auf 2,05 Hektar soll ein nachhaltig-ökologischer Musterbau mit hohem Standard werden. Kann, darf, muss die Stadt die Planungen vorantreiben, derweil der Richterspruch noch aussteht? "Wir haben die Planungen aufgenommen und werden sie auf jeden Fall fortführen. Wenn wir jetzt noch ein Jahr verlieren, kommen wir in wahnsinnige schulische Nöte", sagte Engert am Freitag. Vom Bau der Mittelschule im Augraben hänge es auch ab, den Schulstandort an der Pestalozzistraße in eine reine Grundschule umzuwandeln, was die stark steigenden Kinderzahlen erforderten. Andernfalls müssten dort Container aufgestellt werden.

Die Initiatoren des Begehrens betonen, dass sich ihr Vorgehen nicht gegen die Schule richte - und schon gar nicht gegen Kinder -, sondern gegen deren Standort in einer "Klimaoase". Genügend Unterschriften - exakt 5562 - hatten sie bis Juli rasch beisammen.

Engert erklärt die rechtliche Fragestellung: Gegen einen gültigen Bebauungsplan könne es kein Bürgerbegehren geben, weil sonst die Belange und Anliegen der vielen am Verfahren beteiligten Personen, die so ein Plan abbilde, ausgehebelt würden. Für die Mittelschule Nordost liege ein gültiger Plan vor. Allerdings sei er erst veröffentlicht worden (womit er Gültigkeit erlangte), als das Bürgerbegehren die nötige Unterschriftenzahl erreicht hatte.

Wie beurteilt der Stadtjurist den Fall? Zunächst: Die Verwaltung habe aus Rücksicht auf die Unterschriftensammlung im Juli mit der Veröffentlichung des Bebauungsplans gewartet, erklärt Müller. Das Wichtigste: Die Stadt dürfe die Planungen für die Schule im Grünring fortsetzen. Der im Dezember gefasste Grundsatzbeschluss des Stadtrats, an besagtem Standort die Schule zu bauen, sei weiterhin in Kraft. "Entscheidend ist: Die Verwaltung unterliegt mit ihren Aktivitäten bezüglich des Dezemberbeschlusses keiner so genannten Sperrwirkung, das heißt, keine Handlungen vorzunehmen, die der Intention des Bürgerbegehrens zuwider laufen könnten", so Müller. Die Sperrwirkung wäre erst dann eingetreten, wenn der Stadtrat im August das Bürgerbegehren zugelassen hätte, "und würde erst jetzt wieder eintreten, wenn das Gericht zugunsten der Bürgerinitiative urteilen und das Bürgerbegehren zulassen würde".

Initiatoren des Begehrens sehr zuversichtlich

Wann kann man mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechnen? Eine Sprecherin erklärt auf Anfrage: "Allgemein können wir zum Zeitablauf bei Klagen gegen die Nichtzulassung von Bürgerbegehren mitteilen, dass das Bemühen besteht, diese möglichst in einem überschaubaren Zeitrahmen zum Abschluss zu bringen. Auch dies kann aber im Hinblick auf den normalen Verfahrenslauf mehrere Monate - in Einzelfällen auch bis zu einem Jahr - dauern und hängt nicht zuletzt davon ab, wie zügig die Beteiligten das Verfahren betreiben (Stellungnahmen abgeben et cetera). In eiligen Fällen, wenn etwa die Gefahr besteht, dass vor der Entscheidung des Gerichts über die Klage Maßnahmen getroffen werden, die dem Bürgerbegehren die Grundlage entziehen würden, besteht die Möglichkeit, den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu beantragen. Darüber würde auch zeitnah entschieden werden, damit eventuelle Rechtsverluste verhindert werden. "

Unter den Naturschützern herrsche "ganz eindeutig Zuversicht", sagte der langjährige ÖDP-Stadtrat Franz Hofmaier am Freitag. "Alles Weitere müssen die Juristen entscheiden. " Er geht davon aus, dass es im Sinne der Grünring-Schützer sein wird. Hofmaier äußert sich zu den "irreführenden Aussagen" des Bürgerbegehrens, die Referent Müller in seiner Begründung der Zurückweisung angeführt hatte. So sei der Begriff Biotopverbund kritisiert worden, sagt Hofmaier. "Grünflächenverbund wäre wohl zutreffender gewesen - aber das sind Spitzfindigkeiten, die das Gericht sicher nicht so dramatisch sieht. " Es gelte grundsätzlich zu berücksichtigen, "dass die Initiatoren des Bürgerbegehrens ganz normale Bürger sind und keine Juristen".

DK

ZEITPLAN DES BAUREFERATS

Baureferent Gero Hoffmann erläutert den Zeitplan für den Bau der Mittelschule, falls sie auf dem Grundstück im Grünring entstehen kann. Er schreibt: "Sollte die gerichtliche Überprüfung oder das Ergebnis eines Bürgerentscheides für die Stadt positiv ausfallen, ist eine rasche Umsetzung des aus Bedarfsgründen notwendigen Schulbauvorhabens dringend. Es soll hier keine Zeit verloren werden. "

Folgende Ecktermine sind dafür vorgesehen:

- Bekanntmachung des Wettbewerbes im EU-Amtsblatt in der 40. KW 2021
- Bearbeitung der Wettbewerbsaufgabe durch die teilnehmenden Architekturbüros über den Jahreswechsel 2021/2022 bis Ende Januar 2022.
- Preisgerichtssitzung und Wettbewerbsentscheidung in der zweiten Märzhälfte des Jahres 2022.

DK

SCHULSTANDORT IM AUGRABEN: PRO UND CONTRA

Ingolstadt - Vor etwa zehn Jahren entbrannte eine der hitzigsten und langwierigsten Debatten in der jüngeren Stadtgeschichte: Man stritt um die Versiegelung von drei Hektar Land zwischen Hundszell und Haunwöhr - mitten im zweiten Grünring, der Ingolstadt umgibt. Die 90 Wohneinheiten wurden gebaut. Die Unterlegenen schworen damals: Nie wieder! Mit der Zerstörung dieses "Grünzugs von regionaler Bedeutung" nach "Salamitaktik" müsse endlich Schluss sein.

Jetzt kommt es zum Kampf um eine rund zwei Hektar große landwirtschaftliche Fläche im zweiten Grünring bei Oberhaunstadt. Die Stadt hat sie für einen Millionenbetrag gekauft (heißt es), um darauf eine Mittelschule zu bauen. Die müsse im Nordosten liegen, weil sie eine Sprengelschule ist. Wegen der enorm steigenden Kinderzahlen sollen die Schulstandorte Auf der Schanz, Lessingstraße, Pestalozzistraße und Fried-richshofen reine Grundschulen werden. Deshalb seien drei neue, große Mittelschulen nötig. Scheitere dieser Plan, sagt die Stadt, müssten zahlreiche Kinder in Container ziehen.

Auch die Naturschützer bieten viele Argumente auf. Eines steht ganz oben: "Der 2. Grünring ist in der bebauten Stadt eine unverzichtbare großräumige und durchgängige Lebensader für Menschen, Tiere, Pflanzen und Bodenleben. "

sic


Christian Silvester