Ingolstadt
Mit dem Online-Baukasten zum Brautkleid

Gründerpreisträgerin Helen Porsche setzt auf veränderte Einkaufsgewohnheiten der jungen Generation

14.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:25 Uhr
Einige Muster für Brautkleider hält Helen Porsche auch in ihrem kleinen Büro im Digitalen Gründerzentrum "brigk" bereit. Eines Tages möchte sie eine Firmenzentrale mit Showroom haben. −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Als sie sich im vergangenen Herbst für den Gründerpreis beworben hat, hieß sie noch Helen Ngo.Auch bei der Preisverleihung im April war das noch so. Seit zwei Wochen nun aber heißt die Tochter vietnamesischer Eltern Helen Porsche. Und geheiratet hat sie selbstverständlich in einem Brautkleid aus der eigenen Kollektion. Alles andere wäre auch verwunderlich gewesen.


Die Hochzeit - für die meisten Menschen mit der schönste Tag im Leben, bei dem auch in Sachen Garderobe alles stimmen soll. Wenn in Weiß geheiratet wird, ist die Auswahl des Brautkleides (meistens bereits Monate vor dem Termin) für viele Frauen eine große Zeremonie, oft mit Müttern, Schwestern und Freundinnen begangen. Kann man sich einen solch wichtigen, emotionalen Termin ohne die haptischen und direkten optischen Eindrücke in einem Fachgeschäft vorstellen?

Helen Porsche glaubt sehr wohl, dass es auch anders geht - und hat mit ihrem Onlinehandel "mivory" auch schon den Beweis angetreten. Ihre ersten Verkaufserfolge mit einem Brautkleid-Konfigurator haben sie in ihrer Auffassung bestärkt, aufs richtige Pferd gesetzt zu haben. Die Jury des Gründerpreises Ingolstadt zeigte sich von der Idee derart angetan, dass sie der 30-jährigen Jungunternehmerin den Sieg in der Kategorie "Digitales Geschäftsmodell" zuerkannt hat.

Die aus Riedlingen bei Ulm stammende Gründerin ist Marketingexpertin, hat in Stuttgart Medienwirtschaft studiert, arbeitet (noch) hauptberuflich bei einem niederbayerischen Schuhhersteller - auch hier bereits im Bereich E-Commerce, wandelt also längst auf digitalen Pfaden. Auf die Idee, sich intensiver mit Brautmoden und einem entsprechenden Onlineangebot zu befassen, kam sie bereits vor acht Jahren - auch durch ihre in Deutschland lebenden vietnamesischen Verwandten: "Die haben ihre Textilien immer alle in der Heimat bestellt. " Da hat sie gesehen, dass der Kauf auf Distanz durchaus ein Mittel der Wahl sein kann - und die schon seit den 60er-Jahren auch in Deutschland bekannten Versandhausbestellungen sind schließlich auch ein Beweis dafür, dass Kunden Waren, eben auch Kleidung, gerne mal per Katalog ordern. Aber auch Brautkleider?

Sicher auch eine Generationenfrage. Helen Porsche verweist auf die Tatsache, dass die sogenannten Digital Natives, also jene, die mit Internet, PC und Smartphone aufgewachsen sind, schon in wenigen Jahren den Großteil der Heiratswilligen stellen werden. Bis 2025, so eine von ihr zitierte Studie, dürften bis zu 30 Prozent der Umsätze, die mit Hochzeitsmode zu erzielen sind, ins Netz abwandern - zu Portalen, die die Konsumgewohnheiten einer neuen Generation bedienen. Da möchte die Wahl-Ingolstädterin, die wegen der Arbeit nach Bayern gekommen ist, mit im Rennen sein.

Bei "mivory" kann die künftige Braut ihr Kleid für den Tag der Tage aus einer Palette von Oberteilen, Röcken und Schleppen wie aus einem Baukasten am Bildschirm daheim zusammenstellen und immer neu variieren, bis ihr der aus ihrer Sicht gefälligste Mix gelungen ist. Noch die gewünschte Grundfarbe und die Körpermaße hinzugefügt - und schon kann bestellt werden.

Wobei die Betonung auf "kann" liegt, denn auch Helen Porsche weiß, dass es meistens Fragen gibt. Deshalb steht sie ihren Kundinnen auch für telefonische Auskünfte zur Verfügung, will den Auswahl- und Bestellvorgang so zu einem Erlebnis wie im Ladengeschäft machen. Individualisierung, Maßanfertigung und der persönliche Kontakt zur Kundin sollen die drei Säulen ihres Geschäftsmodells sein - und dies alles auch bei einem Preis-Leistungs-Verhältnis, das überzeugen kann.

Auch der Unternehmensgründerin ist bewusst, dass sie in Konkurrenz zu Geschäften steht, die das Anprobieren im Laden als Teil des Einkaufserlebnisses bieten können. Da hinkt eine Online-Kundenbeziehung auf den ersten Blick hinterher, doch mit Engagement und Einfühlungsvermögen kann ihrer Meinung nach auch im Online-Kontakt eine stabile Vertrauensbasis geschaffen werden. Helen Porsche: "Das Internet muss nicht gesichtslos bleiben - man muss eben auch einen Mehrwert anbieten. "

Weil es ihr auf Qualität bei den Stoffen und bei der Verarbeitung ankommt, arbeitet die Gründerin ausdrücklich nicht mit Billiganbietern aus Fernost, sondern mit Herstellern aus Osteuropa zusammen. Die Kleider bzw. ihre Einzelteile kommen aus der Ukraine und aus Polen. Deutsche Hersteller wollten nach ihren Worten bei Offerten der Jungunternehmerin nicht anbeißen - sie vertrauen offenbar noch sehr auf das klassische Absatzmodell im Laden. Ob das auch so bleibt?

Bernd Heimerl