Ingolstadt/Eichstätt
Grube, Erker oder Misthaufen

Die Toiletten des Mittelalters standen im Fokus der vierten Kinder-Uni-Vorlesung

09.12.2020 | Stand 23.09.2023, 15:55 Uhr
Ehgräben, also die Zwischenräume zwischen Häusern, waren im Mittelalter eine Möglichkeit, sich zu erleichtern. Das erklärte Kilian Baur (oben) den rund 60 Kindern über die Videoplattform Zoom am Freitag. −Foto: Schönach (Screenshot)

Ingolstadt/Eichstätt - Er ist ein natürliches Bedürfnis, und heutzutage machen sich wohl die wenigsten Gedanken darüber: der Toilettengang.

Zumindest das Wie hat sich über die Jahrhunderte stark verändert. "Wo ist der Ort, an den selbst der Kaiser zu Fuß geht? ", fragte am Freitag deshalb Kilian Baur. Der wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte ging zusammen mit knapp 60 Mädchen und Buben auf Spurensuche. Die Vorlesung war die vierte und letzte Online-Veranstaltung der diesjährigen Kinderuni der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) und der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI).

Keramikschüsseln, Spül- oder Kläranlagen, wie wir sie heute kennen, kannte man in der Zeit zwischen 500 und 1500 nach Christus noch nicht. Die Menschen mussten kreative Lösungen finden. "Das war sehr unterschiedlich. Es richtete sich danach, wo man gewohnt hat: auf dem Bauernhof, in der Burg, im Kloster oder in der Stadt", erklärte Baur. Ein weiterer Faktor: die finanzielle Situation. Reiche Menschen hatten es komfortabler.

Der Wissenschaftler startete mit dem Land: In den Häusern gab es keine Toiletten. Wo sollte man also seine Notdurft verrichten? Die Ideen der Kinder, einen Eimer zu verwenden, sich im Busch eine Stelle zu suchen oder eine Grube zu benutzen, gingen in die richtige Richtung: "Es gibt auch die Möglichkeit, den Stall oder den Misthaufen zu verwenden. "

Auf den Burgen, auf denen vor allem Adlige lebten, sah es anders aus. Erker, überdachte Balkone, waren die Lösung. In diesem Erker setzen sich die Menschen auf eine Bank, die Ausscheidungen fielen auf den Boden - oder im Idealfall in einen Wassergraben. "Das gab es aber nicht immer", erklärte Baur. Die Mädchen und Buben erkannten das Problem. Strenger Geruch und Ungeziefer sind nur einige unangenehme Folgen.

Im Mittelalter gab es aber durchaus fortschrittlichere Toiletten: Vor allem in Klöstern, in denen viele Menschen auf engem Raum gelebt haben, baute man Türme. "Oben waren die Toiletten, unten floss ein Bach, der alle Exkremente weggespült hat. " Große Haufen wie in den Burgen wurden damit vermieden. Auch die Hände wuschen sich die Mönche und Nonnen.

In der Stadt war die Sache wieder schwieriger: Zwischen 3000 und 5000 Menschen lebten im Spätmittelalter in Ingolstadt. Sich auf der Straße zu erleichtern, war eher unangenehm. Die Teilnehmenden der Vorlesung hatten wieder viele Alternativen und schrieben fleißig in den Chat der Online-Plattform Zoom. Manche benutzten den Fluss, andere Gruben. "Die gingen schon in die Richtung von Kanälen", erklärte Baur. Die sogenannten Ehgräben, die Zwischenräume zwischen Häusern, wurden schräg angelegt. Die Exkremente flossen ab. "Große, gemauerte Gruben sind eine weitere Möglichkeit. " Irgendwann mussten die geleert werden, und dafür wurden Regeln vorgeschrieben. Die Ausscheidungen brachten Arbeiter auf Deponien außerhalb der Stadt oder zu den Bauern. Diese Arbeit musste im Winter und nachts erledigt werden.

Ausgerechnet im Zusammenhang mit einem Unfall griff Baur die Themenfrage auf: Als sich Kaiser Friedrich Barbarossa in Erfurt mit anderen versammelt hatte, fielen alle in solch eine Grube. Der einzige, der sich retten konnte, war der Kaiser. "Tatsächlich sollen 100 Leute dabei ertrunken sein. " Bequem und sicher wie heute waren diese Gruben also auch nicht.

"Eine Sternstunde der Menschheitsgeschichte im Mittelalter", wie es Kilian Baur schmunzelnd nannte, waren dagegen öffentliche Toiletten in der Stadt. Als gute Lösung boten sich Brücken an. Um die Toiletten sauber zu halten, kam ein neuer Beruf auf: der der Toilettenfrau. In Frankfurt am Main ist diese Aufgabe seit 1330 bekannt.

Bleibt noch die Frage nach dem Klopapier, eine Frage der finanziellen Möglichkeiten. Während ärmere Menschen auf Stroh zurückgreifen mussten, verwendeten Adlige zum Beispiel Stoffreste. Zumindest das erinnert an das vierlagige Toilettenpapier von heute.

EK


Lina Schönach