Glacis aus dem Dornröschenschlaf wecken

11.04.2008 | Stand 03.12.2020, 6:00 Uhr

Ortstermin im Schutterhof: Die Halle und die Gartenhäuser sind verschwunden, das Gebüsch wurde abgeholzt. Davon überzeugten sich die Mitglieder des Bezirksausschusses Mitte bei ihrem Festungsrundgang. - Fotos: Rössle

Ingolstadt (DK) Verwittertes Mauerwerk, von Efeu überwuchert, versteckte, lauschige Plätze, Vogelzwitschern: Eine kleine Schar Ingolstädter begab sich am Donnerstag auf einen besonderen Festungsrundgang und bekam dabei einen ersten Eindruck, wie es im Glacis einmal aussehen kann.

Treffpunkt Hallenbad Mitte: Dort versammeln sich die Mitglieder des Bezirksausschusses Mitte, um mit Siegfried Dengler, Leiter des Stadtplanungsamts, Hans Georg Wüst, Leiter des Gartenamts, und Johann Steiner vom Förderverein bayerische Landesfestung Ingolstadt einen Spaziergang im Glacis zu machen. Der erste Eindruck allerdings ist ernüchternd: Wohn- und Wertstoffcontainer sowie ein oft verschmutzter Stellplatz für Wohnmobile prägen das Bild am Eingang zum Grün- und Festungsgürtel, der in Deutschland einmalig ist. "Hier kommen viele Touristen rein, das ist die Visitenkarte der Stadt", so Denglers Kommentar.

Doch es soll besser werden, nicht nur an dieser Stelle, sondern auch woanders im Glacis: Der Stadtrat beauftragte die Verwaltung im vergangenen Jahr, den Festungsrundgang und das Glacis erlebbar zu machen und aufzuwerten. So wurde ein Maßnahmenkatalog erarbeitet, der demnächst erstmals im Planungsausschuss vorgestellt werden soll.

Bank mit Aussicht

Der Bezirksausschuss bekam einen ersten Vorgeschmack, was geschehen soll: Da steht zum Beispiel eine Bank im Glacis, zu der ein paar Stufen hinaufführen. Von dort oben soll man einen herrlichen Blick auf die Altstadt haben – von wegen. Alles ist zugewachsen. Diese "Schaufenster" wieder freizumachen, ist eine der leicht umsetzbaren, geplanten Maßnahmen.

Beim Spaziergang fällt auf, dass im Künettegraben zurzeit fast Ebbe herrscht. "Das Wasser wird abgelassen, damit der Grundwasserdruck die Becken des Freibads während der Bauarbeiten nicht sprengt", erklärt Dengler. Wüst weist darauf hin, dass, wenn der Wasserstand wieder steige, es Probleme mit den Nestern der Wasservögel geben könne. "Rund 20 verschiedene Ziergefügelarten leben hier, von der Brautente bis zur Nonnengans."

Auch wenn es auf manchen etwas trostlos wirkt – das Vogelgehege ist eine der Attraktionen im Glacis. Gleich daneben steht das Werk eines polnischen Künstlers mit dem Titel "Blitzschlag". Für Dengler ist es wichtig, dem Skulpturenpark im Glacis eine Systematik zu verleihen. Gespräche mit dem Kulturamt sind geplant.

Ruinöse Situation

Rund um das Vogelgehege, das in einem der so genannten Blockhäuser der Festung untergebracht ist, wird sichtbar, wie die stattlichen Verteidigungsmauern unter dem steten Wachsen, Wuchern und Wurzeln der Natur zu zerfallen drohen. Dengler: "Wir wollen unsere Festung doch präsentieren und nicht in diesem Dschungel verschwinden lassen." Die Sanierung wird auch eine Aufgabe für die nächsten Jahre sein. Wüst wirft ein: "So unangenehm ist diese ruinöse Situation nun auch wieder nicht."

Entlang der Friedhofstraße, die übrigens erst 1932 entstand, geht es zum alten Militärbad. Am Eingang zum Schutterhof die ehemalige Kneippanlage: "Ein Saustall", schimpft ein BZA-Mitglied. Frisch renoviert wird hingegen gerade die Mauer im Eingangsbereich. Der Schutterhof selbst bietet einen völlig neuen Anblick, seit die unschönen Bauten verschwunden sind: "Jetzt erst wird die räumliche Qualität richtig deutlich", schwärmt Dengler.

Auch auf Johann Steiner, 40 Jahre lang staatlicher Verwalter der Festung, wirkt dieser fast schon magische Ort: "25 Jahre lang hab’ ich mir Gedanken gemacht über eine Nutzung, aber mir ist auch nichts eingefallen. Ich hab’ ja auch eher immer Planungen verhindern müssen: für eine Dreifachturnhalle, für ein Eisstadion, für einen Parkplatz der Fachoberschule." Der Pensionär betont, er könne sich hier durchaus eine gastronomische Nutzung vorstellen, aber in einem kleineren Rahmen mit 150 bis 200 Sitzplätzen. Später einigt sich der Bezirksausschuss auf die Formulierung, der Biergarten solle eine verträgliche, den Belangen des Denkmalschutzes angemessene Größe haben. Der Vorschlag des BZA-Vorsitzenden Thomas Deiser, "nicht mehr als 1000 Sitzplätze" zuzulassen, findet keine Mehrheit. Das sei zu viel, heißt es.

Nach zwei Stunden muss der Spaziergang aus zeitlichen Gründen abgebrochen werden – dabei gebe es noch so viel zu entdecken. Und zu tun: Wegeverbindungen müssen geschaffen werden in den Bereichen Heydeck, Rechberg und Gießereigelände, wo der Festungsrundgang am Donauufer enden soll. Eine einheitliche und aussagekräftige Beschilderung muss her. Dengler: "Das Glacis ist ein riesiger Schatz, den wir hegen und pflegen sollten." Der Anfang ist gemacht.