Ingolstadt
Ressource mit gewaltigen Verlusten

Festung Ingolstadt und Gießereigelände: Ergebnisse einer Tagung im Sammelblatt des Historischen Vereins

16.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:15 Uhr
Von den umfangreichen archäologischen Untersuchungen berichtete Gerd Riedl vom Stadtarchiv per Megafon vor der Baugrube des Kongresshotels. Der Vorsitzende des Historischen Vereins, Matthias Schickel, hielt für die zahlreichen Zuhörer einer Führung die entsprechenden Pläne der alten Festungsbauten hoch. −Foto: Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Seit 2009 steht das Ingolstädter Gießereigelände auch im Fokus der Archäologie. Die Ergebnisse der Grabungen und die Funde stoßen seit Beginn auf ein sehr breites Interesse. Erste Erkenntnisse einer gemeinsamen Tagung verschiedener Disziplinen (Archäologie, Naturwissenschaft, Geschichte) zur Festung Ingolstadt im März 2017 wurden jetzt im 126. Band des Sammelblatts des Historischen Vereins veröffentlicht.

Die Beiträge seien allerdings weiterhin als "Zwischenbericht" über das bisher Geleistete zu verstehen, so Landeskonservator Prof. Sebastian Sommer in seinem Vorwort, das auch kritische Töne anschlägt. Man müsse sich darüber im Klaren sein, dass "die ?Ressource' Festung in den letzten Jahrzehnten gewaltige Verluste erlitten hat und endlich ist". Zukünftig werden daher auch in Ingolstadt Lösungen gefunden werden müssen, "die mehr zum Schutz und der Erhaltung dieses einzigartigen Bodendenkmals beitragen können."

Beatrix Schönewald umreißt in ihrem Beitrag die Geschichte der Stadt, das Heerwesen in Bayern und die Festung Ingolstadt bis ins 19. Jahrhundert. Dabei arbeitet die Leiterin des Stadtmuseums die beiden maßgeblichen Aspekte im Bau von Verteidigungsanlagen heraus (Schönheit und Nützlichkeit) und zeigt, wie in der langen Geschichte der Garnison die Zweckmäßigkeit und das Geld die Ästhetik eines höfischen Bauprogramms der Wittelsbacher überwogen. Dieser Aspekt "modellierte städtisches Leben und Entwicklung in eindeutiger Weise", vor allem die großen Kavaliere und Türme des 19. Jahrhunderts, die Ingolstadt bis heute prägen.

Den Sinn der Festung Ingolstadt und deren Wandel nicht zuletzt aufgrund des technischen Fortschritts beleuchtet Daniel Hohrath. Angesichts der immensen Kosten derartiger Verteidigungsanlagen stellt er die Frage, wieso eigentlich Ingolstadt , das als eine von wenigen Städten über Jahrhunderte Landesfestung sein sollte, in der frühen Neuzeit dafür ausgewählt wurde. Wiederholt zeigt er auf, dass Festungen nicht eindimensional betrachtet werden dürfen, und erinnert auch an die einzige, recht eigenartig verlaufende Belagerung Ingolstadts 1743 während des Österreichischen Erbfolgekriegs.

Die Garnison als Wirtschaftsfaktor und die Bedeutung des Militärs für die Infrastruktur ist das Anliegen von Brigitte Huber. Man darf nicht vergessen, dass die Stadt nach dem Weggang der Universität ein Bauerndorf war. "Wie schrecklich weckte mich die Wirklichkeit aus meinen wonnevollen Träumen", hieß es 1820 in einer Beschreibung Ingolstadts im Königlich-Bayerischen Intelligenzblatt. Die Straßen seien öde und leer, jeder Wohlstand unwiederbringlich gewichen. Die aktuelle Nutzung und Instandsetzung der Festungsgebäude beschreibt Stadtheimatpfleger Tobias Schönauer. Er zeigt gelungene Beispiele auf, wie etwa das Freibad oder das Kavalier Elbracht, aber auch weniger geglückte wie etwa die Kugelbastei. Wie schwer man sich mit der Sanierung und Nutzung von Festungsbauten tut, dafür ist die Wunderlkasematte ein Beispiel. Eindringlich warnt Schönauer vor Begehrlichkeiten im Hinblick auf Gebäude im Glacis.

Ruth Sandner dokumentiert den Stand der archäologischen Untersuchungen auf dem Gießereigelände. Beginnend mit einer spätmittelalterlichen Uferbefestigung und den Resten der Eselsbastei stießen die Ausgräber auf zahlreiche, zum Teil überraschende Funde aus der Barockzeit, der Festungswerke des 19. Jahrhunderts und der industriellen Nutzung. Die Ergebnisse belegen eindeutig, so ihr Fazit, "mit welchem untertägigen Erhaltungszustand der Festungswerke in Ingolstadt zu rechnen ist". Die Erkenntnis von vielen, im Boden noch vorhandenen Objekten und Resten an verschiedenen Orten "muss in zukünftige Überplanungen zum Schutz des hochrangigen Bodendenkmals Bayerische Landesfestung einfließen". Dieter Storz schließlich hat die Gegenstände militärischer Herkunft im Fundgut aus dem Bereich der Festung zugeordnet, während der städtische Archäologe Gerd Riedel sich mit dem Fundmaterial in Stadt und Festungsanlagen befasst. Er fordert, auch das Umfeld der Verteidigungswerke stärker ins Bewusstsein zu rücken.

Bis in die jüngste Vergangenheit reicht das Forschungsspektrum von Hermann Kerschner, der sich der Militärtopographie angenommen hat. Einmalig sind nach seinen Angaben im deutschen Sprachraum die vier hintereinander gestaffelten Reihen so genannter "Wolfsgruben", die in den 90er-Jahren nördlich des Haunstetter Bachs auf der Trasse der Ostumfahrung Etting bei der Rohrmühle gefunden wurden. Gut einen Meter tief und mit einem Durchmesser von knapp zwei Metern sollten sie herannahende Feinde aufhalten.

Der Erwerb des Bandes zum Preis von 25 Euro ist an der Kasse des Stadtmuseums Ingolstadt und des Bayerischen Armeemuseums möglich.

Bernhard Pehl