Ingolstadt
Geburtenrekord in Ingolstadt

Deutsche Frauen bekommen mehr Kinder als früher - Tendenz bei Ausländerinnen fallend

27.08.2019 | Stand 23.09.2023, 8:20 Uhr
Charlotte Hafenrichter zählt nicht bei der städtischen Statistikmit : Sie war das erste Baby dieses Jahres im Klinikum Ingolstadt. Ihre Eltern freuen sich trotzdem über ihren Nachwuchs. −Foto: DK-Archiv

Ingolstadt (DK) Über 1600 Kinder von Ingolstädter Eltern kamen im vergangenen Jahr auf die Welt - der höchste Wert seit Ende des Zweiten Weltkriegs.

Doch der Anstieg der Geburten ist nur teilweise auf die Zunahme der Bevölkerung zurückzuführen, haben die städtischen Statistiker jetzt herausgefunden. Ihr überraschendes Ergebnis: Deutsche Frauen bekommen mehr Kinder, ausländische Frauen weniger.

Demographische Dekomposition nennt sich die Methode, die das Amt für Statistik angewandt hat. Dabei geht es nicht um die Geburten von Kindern in Ingolstadt insgesamt - das waren im Vorjahr fast 3000. Vielmehr haben Helmut Schels und die anderen Fachleute nur die Geburten von Ingolstädter Kindern herangezogen, also von kleinen Schanzern, aber die Kinder weggelassen, deren Eltern im Umland leben und die nur zur Niederkunft ihres Nachwuchses ins Klinikum gingen. Nicht berücksichtigt in der Statistik wurden Frauen, die jünger als 15 oder älter als 49 waren sowie von Bewohnerinnen des Ankerzentrums Oberstimm und seiner Dependancen.

Auch in der Demografie ist das Phänomen der Wellenbewegung bekannt: Die Tochtergeneration von Baby-Boomern bekommt mehr Kinder als die von geburtenschwachen Jahrgängen. Relativ viele Kinder kamen in Deutschland vor den beiden Weltkriegen, in den 1960er- und 90er-Jahren sowie ab 2013 zur Welt. Die Eltern der in den 60er-Jahren Geborenen kamen in den 30ern zur Welt, während die Babyboomer der 60er-Jahre ihrerseits zwischen 1985 und 1995 Eltern wurden (plus hoher Zuzug von Aussiedlern). Ähnlich verhält es sich mit der zuletzt genannten Generation, die seit einigen Jahren selber Nachwuchs hat.

Betrachtet man nun die Zahl der Frauen und der Geburten, so stellt man fest, dass der weibliche Bevölkerungsanteil zwischen 15 und 49 in den vergangenen Jahren in Ingolstadt um 11,4 Prozent gestiegen ist, während die Zahl der Geburten in diesem Zeitraum um 27,6 Prozent zunahm. In den vergangenen zehn Jahren lag der Anstieg der Frauen bei vier Prozent, die der Geburten aber bei 33 Prozent. Die Schlussfolgerung ist eindeutig: "Der Anstieg der Geburten entspricht somit nicht dem Anstieg der Frauen in dieser Altersgruppe", so Schels.

Eine Hilfe kann die so genannte allgemeine Fruchtbarkeitsziffer geben. Sie gibt an, wie viele Kinder pro 1000 Frauen in einem Jahr durchschnittlich geboren wurden. 2018 waren dies in Ingolstadt 51, im Jahr 2008 genau 40 und 1998 exakt 45. Die Statistiker fanden mit Hilfe der demographischen Dekomposition außerdem heraus, dass sich sowohl die Altersstruktur der weiblichen Bevölkerung als auch die Einstellung zum Thema Kinder sich positiv auf die Zahl der Geburten auswirken.

In Zahlen: Im Vorjahr wurden elf Kinder pro 1000 Frauen mehr geboren als 2008. Davon sind nach Angaben der Stadt fünf auf die Altersstruktur, aber sechs auf die veränderte Einstellung zum Thema Geburt und Nachwuchs zurückzuführen. Gegenüber 1998 lag die Fruchtbarkeitsziffer um 6,5 Kinder höher, wovon jedoch nur zwei auf der geänderten Altersstruktur beruhen.

Vor allem bei den deutschen Frauen hat sich das Geburtsverhalten in den vergangenen zwei Jahrzehnten verändert. "Es erklärt sieben der acht Kinder mehr pro 1000 deutscher Frauen in Ingolstadt", so die Stadt. Der deutsche Frauenanteil zwischen 15 und 49 in Ingolstadt ist in diesem Zeitraum um 1,5 Prozent gesunken, die Geburtenzahl dieser Frauen jedoch um 20 Prozent gestiegen. Speziell die Frauen zwischen 30 und 40 haben dazu beigetragen.

Anders das Bild bei ausländischen Frauen. Die Zahl der Geburten bei dieser Gruppe ist in den vergangenen 20 Jahren um zwölf Kinder pro 1000 Frauen gesunken, wobei dies fast ausschließlich auf Frauen unter 30 zurückzuführen ist. Die Anzahl der ausländischen gebärfähigen Frauen ist in diesem Zeitraum um 76 Prozent angewachsen, deren Geburten aber nur um 48 Prozent.

Als Fazit lässt sich laut Schels sagen, dass die Geburtenzunahme nur zum Teil auf dem Anstieg der Bevölkerung basiert. "Diese Untersuchungen zeigen, dass sich das Geburtsverhalten in Ingolstadt eindeutig geändert hat", so die Statistiker. Die Gründe dafür lassen sich jedoch allein aus den Daten des Melderegisters nicht erklären. "Die Entwicklung kann der langfristige Effekt des Ausbaus der Kinderbetreuung, der Einführung des Elterngeldes und der sozialen Akzeptanz beider Faktoren sowie einer allgemeinen höheren wirtschaftlichen Sicherheit in den letzten Jahren sein", so Schels. Es könnte aber auch sein, dass verschobene Geburten nachgeholt wurden.

Bernhard Pehl