Ingolstadt
Fuß vom Pedal

Künstliche Intelligenz beim automatisierten Fahren: Wissenschaftsminister Bernd Sibler zu Gast bei der THI

02.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:12 Uhr
  −Foto: Hammer

Ingolstadt - Es ist noch immer ein völlig ungewohntes Bild, wenn zwei Autos mit einer Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometer aufeinander zufahren und niemand hinter dem Steuer sitzt.

 

Auf dem Carissma-Testgelände ist ein kleiner, weißer Elektro-Smart, getauft auf den Namen Marie - so verrät es das Kennzeichen - auf dem Weg in einen Kreisel, lässt zuerst ein anderes Auto passieren und fährt dann selbst los. Als "Marie" den Kreisel wieder verlassen möchte, überquert auf einmal ein Fußgänger die Straße. Das Auto muss scharf abbremsen und "Marie" macht das ganz von alleine.

Am Dienstagvormittag haben Vertreter der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI) diesen Versuch präsentiert, der zeigt, wie Künstliche Intelligenz (KI) beim automatisierten Fahren eingesetzt wird. Zu Gast war auch der bayerische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Bernd Sibler (CSU).

Mitte Mai hatte Sibler den Ausbau des KI-Mobilitätsknotens in Ingolstadt bekanntgegeben (DK berichtete). Die THI erhält im Rahmen des bayernweiten Wettbewerbs um KI-Professuren eine weitere Forschungsprofessur für Innovative Mobilitätskonzepte und Geschäftsmodelle der Künstlichen Intelligenz. Im Moment arbeiten 30 Professoren und 125 wissenschaftliche Mitarbeiter in den Themenfeldern Mobilität und KI in Ingolstadt. Bis 2025 sollen hier mit neuen Professuren über 100 Wissenschaftler aufgebaut werden.

Michael Botsch ist wissenschaftlicher Leiter des Ingolstädter KI-Forschungszentrums Artificial Intelligence Network Ingolstadt gGmbH (Ainin) und Studiengangleiter des Masters "Automatisiertes Fahren und Fahrzeugsicherheit". In einem kurzen Vortrag erklärt Botsch die Hintergründe des Fahrversuchs: "Es gibt eine unendliche Vielfalt an Straßenszenarien - das richtige auszuwählen, ist gar nicht so einfach. " Hier habe man sich an realen Straßenverhältnissen orientiert und einen Kreisel in unmittelbarer Nähe als Modell für den Versuch ausgewählt, der zunächst mit einer Drohne aufgenommen wurde. Mithilfe von Bildbearbeitung werden die Fahrzeuge im Kreisel getrackt und ihre Position, ihre Geschwindigkeit und die Abstände berechnet. In der Simulation können diese Bedingungen variiert werden.

 

Die KI versucht über so genanntes unüberwachtes maschinelles Lernen, Strukturen darin zu finden. "Es ist der Versuch vorauszusehen, was andere Verkehrsteilnehmer tun werden", sagt Botsch. Über Algorithmen sollen schließlich Voraussagen getroffen werden. So wird etwa berechnet, wann das Fahrzeug abbremsen muss, um dem Fußgänger rechtzeitig auszuweichen.

Versuchsingenieur Christian Gudera erklärt, dass dem Fahrzeug bei diesen Versuchen Situationen vorgegeben werden. Hier gehe es nicht so sehr um die Sensorik des Fahrzeugs, also wie es etwas erfasst, sondern darum, wie es reagieren muss.

Die Datenmengen, die KI benötigt, um diese Reaktionen zu lernen, sind enorm. Michael Botsch sagt: "Diese Versuche dauern, wenn sie funktionieren, etwa eine halbe Minute, aber da steckt viel dahinter" - Entwicklungen, die Monate, Jahre in Anspruch nehmen. "Das ist ein dynamischer Prozess. "

Ein Prozess, bei dem Bayern ganz vorne mit dabei sein will, sagt Sibler: "Wir wollen diese Entwicklung nicht nur erleben, sondern mitgestalten. Das ist der bayerische Ansatz. " Der Wissenschaftsminister zeigt sich begeistert, als er das Testgelände nach dem Versuch genauer unter die Lupe nehmen darf. "Sie bauen hier wirklich Zukunft", sagt er an die Mitarbeiter des Forschungszentrums gerichtet. Gudera freut sich, dass der Fahrversuch geglückt ist: "Da ist immer eine gewisse Anspannung vor solchen Versuchen. " Es sind aber gerade diese Herausforderungen, sagt er, die er an seinem Job mag.

DK

 

Laura Csapó