Ingolstadt
"Frauen brauchen Informationen"

Beratungsverein Pro Familia unterstützt Aktionstag gegen Werbeverbot für Abtreibungen

25.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:46 Uhr
Kontrovers: Die Abschaffung des Paragrafen 219a fordern hier Demonstrantinnen vor dem Amtsgericht in Gießen. Dort musste sich eine Ärztin verantworten, weil sie auf ihrer Homepage für Abtreibung geworben haben soll. An diesen Samstag findet ein bundesweiter Aktionstag statt, an dem sich auch Aktivisten aus Ingolstadt beteiligen. −Foto: Boris Roessler/dpa

Ingolstadt (DK) An diesem Samstag findet in mehreren deutschen Städten ein bundesweiter Aktionstag gegen den Paragrafen 219a des Strafgesetzbuches statt. Die Teilnehmer gehen für dessen ersatzlose Streichung auf die Straße, beziehungsweise setzen sich für eine Reform ein. Auch Aktivisten aus Ingolstadt fahren zu einer Demonstration nach München.

Grundsätzlich ist der Schwangerschaftsabbruch in Deutschland gesetzlich verboten, die Strafandrohung für Arzt und Schwangere hat jedoch zahlreiche Ausnahmen und Grenzen. Auch Hinweise darauf unterliegen einer gesetzlichen Regelung. Der Paragraf 219a, der die Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft regelt, geht in seiner heutigen Form zurück auf eine Gesetzgebung im Reichsstrafgesetzbuch von 1933. Danach machte sich strafbar, wer öffentlich seine eigenen oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung von Abtreibungen anbot. Frauen seien damals verpflichtet gewesen, Mutter zu werden. So sieht es Angelika Wegener-Hüssen, Vorsitzende des Beratungsvereins Pro Familia Ingolstadt, der die Schwangerschaftskonfliktberatung durchführt.

Der Verein beteiligt sich am Nachmittag auf dem Münchner Marienplatz an der Aktion. Das aus gutem Grund, wie Wegener-Hüssen und ihre Mitstreiterinnen Evi Tietmann, Geschäftsführerin der Beratungsstelle, und Steffi Kürten-Ringelhann vom Ortsverein von Pro Familia, erläutern. "Wir mussten erfahren, dass es immer weniger Arztpraxen gibt, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen", sagen sie. Zum einen sei dies der Fall, weil Ärzte sich zunehmend davor scheuten, zum anderen, weil es mittlerweile oft an der nötigen Ausbildung fehle. In Ingolstadt gebe es inzwischen keine einzige Arztpraxis und auch kein Krankenhaus mehr, wo ein Abbruch vorgenommen werden könne, so Tietmann.

Die Problematik für die Ärzte schildern die Frauen so: Demnach würden Informationen über die Vornahme des Abbruchs, beispielsweise auf der Homepage einer Arztpraxis, von Abtreibungsgegnern als unerlaubte Werbung für Abtreibung angesehen - mit der Folge, dass die betreffenden Ärzte angezeigt würden. "Deshalb soll der Paragraf weg", sagt Wegener-Hüssen. "Die Frauen brauchen doch Informationen, wenn sie eine medizinische Leistung in Anspruch nehmen. Das Internet ist dafür heutzutage nun einmal das Mittel der Wahl", so ihre Auffassung. "Wir fordern die Abschaffung deshalb aus der Überzeugung heraus, Frauen in Not helfen zu wollen."

Eine Ursache für die derzeitige Entwicklung sehen die Frauen in einem zunehmenden Rechtspopulismus - auch in der Politik. "Frauen und Ärzten wird auf diese Art Angst gemacht - das kann nicht der Sinn eines Gesetzes sein", argumentieren sie. Sie befürchten überdies, dass Abtreibung so wieder in die Illegalität abdriften könnte.

Aktuelle Brisanz erlangte das Thema durch den Fall der Gießener Allgemeinärztin Kristina Hänel. Sie veröffentlichte auf ihrer Webseite entsprechende Informationen und wurde deshalb im November 2017 vom Amtsgericht Gießen zu einer Geldstrafe verurteilt. Im Oktober 2018 bestätigte das Landgericht Gießen das Urteil im Berufungsverfahren. Es äußerte zugleich aber Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Werbeverbots. Auch Bundesjustiz- ministerin Katarina Barley (SPD) setzt sich seither für die Reform oder die Abschaffung des Paragrafen ein.

Michael Brandl