Ingolstadt
Frankenstein, Schutzbunker und Revolution

Große Vielfalt an Themen: Historischer Verein verleiht zum dritten Mal Preise an Nachwuchshistoriker

16.09.2019 | Stand 23.09.2023, 8:36 Uhr
Preisverleihung der Jungen Historiker im Barocksaal mit Lehrkräften, Mitgliedern den Historischen Vereins und Stadtheimatpfleger Tobias Schönauer (4.v.l.). −Foto: Pehl

Ingolstadt (DK) "Jede Arbeit ist gut", lobte Stadtheimatpfleger Tobias Schönauer bei der Preisverleihung für die jungen Historiker die acht eingereichten Beiträge aus fünf Ingolstädter Schulen.

Bereits zum dritten Mal hat der Historische Verein angehende Geschichtsforscher ausgezeichnet. Besonders gut gefielen Schönauer die völlig unterschiedlichen Herangehensweisen, die Formen der Präsentation und die Kreativität der Schüler und Abiturienten. "Geschichte ist eben mehr als nur Bücherwissen", ergänzte Matthias Schickel, Vorsitzender des Historischen Vereins.

nDen ersten Platz hat eine Jury an das Projekt "Pfad des Lebens" vergeben, eine Gemeinschaftsarbeit von alles in allem 30 Schülern des Katharinen- und des Reuchlin-Gymnasiums, die das jüdische Leben in Ingolstadt erforschten. Mit den Pogromen im November 1938 fanden 700 Jahre jüdische Geschichte in der Stadt ihr brutales Ende. Doch sie haben Spuren hinterlassen, die die Schüler bewahren wollen, indem sie zeigen, wo und wie die jüdischen Bürgerinnen und Bürger gelebt haben: "Diese Menschen waren ein Teil Ingolstadts. " Ziel der Schülerinnen und Schüler war es, einen "Pfad des Lebens" zu ziehen: Wo haben sich Orte erhalten? Wie sehen die Häuser heute aus? Gibt es Bilder und Aufnahmen, Erinnerungsstücke und Erinnerungen?

In einem ersten Schritt haben sie die Schicksale jüdischer Familien in Ingolstadt untersucht, ihre Wohnhäuser und Geschäfte ausfindig gemacht und in der Gegenüberstellung gezeigt, wie diese Erinnerungsorte heute aussehen. Außerdem gelang es ihnen, in Kontakt mit Nachkommen dieser Familien zu treten, um auch deren familiäre Erinnerungen zu nutzen. Ein letzter sichtbarer authentischer Erinnerungsort in Ingolstadt ist der Israelitische Friedhof mit dem Tahara-Haus, die als Zeugnis der jüdischen Ingolstädter ein lebendiger Bestandteil der Stadtgeschichte werden sollen.

nEinen verdienten zweiten Platz erreichte Juliana Tonn vom Gymnasium Gaimersheim mit ihrer Arbeit aus dem wissenschaftspropädeutischen Seminar "Die bayerische Landesuniversität Ingolstadt im Spiegel der Zeit" - Johannes Eck: Humanist und Scholastiker". Sie setzte sich mit dem Ingolstädter Pfarrer und wohl bekanntesten Gegner Luthers auseinander - und mit den unterschiedlichen Urteilen über ihn. War er ein verknöcherter Scholastiker, der Antiheld der Reformation, war er ein Humanist, ein Mensch, der der Wahrheit stets treu blieb? Unabhängig sowohl von der katholischen als auch von der protestantischen Sichtweise war Tonns Ziel eine möglichst neutrale Betrachtung Ecks, primär als Humanist und sekundär um dessen Position als Scholastiker sowie die Frage, ob sich dies widerspricht oder ergänzt. Anhand der Briefe Ecks und zahlreicher Quellen gelang Juliana Tonn ein fundierter Streifzug durch diese auch für Historiker nicht einfache Materie.

nDen dritten Platz errang die Gymnasiastin Janina Hofmann, die wissen wollte, wie viel Wirklichkeit in Mary Shelleys Roman "Frankenstein" steckt. Dazu hat sie anhand des Buchs und von Sekundärliteratur die Charaktere von Victor Frankenstein und seiner Kreatur untersucht sowie die Nennung Ingolstadts und der damit verknüpften Personen und Geschehnisse. Das Ergebnis: Ingolstadt werde zwar im Buch häufig genannt, aber nicht ausführlich beschrieben und daher nicht besonders wichtig. Hofmann stellt auch den Einfluss von Elektrizität und Galvanismus auf den Forscher Frankenstein dar und nennt den in Ingolstadt gegründeten Illuminatenorden als mögliches Motiv für die Standortwahl des Romans.

Tim Breuer und Bastian Griesbeck von der Fronhofer-Realschule haben sich in ihrer Arbeit mit der Theater-Tiefgarage Ost befasst, die ja einige Jahre lang (bis 2002) auch ein Atomschutzbunker war. Ab 1990 erbaut, hätte er im Falle eines Angriffs über 7000 Menschen Schutz bieten sollen - allerdings nur für höchstens zwei Wochen. Einige Überreste wie Stahlschienen zeugen noch davon, dass dort einst einer der größten Mischbunker (Schutz vor chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen) Deutschlands war.

Mehrere Schüler des Apian-Gymnasiums und der Fronhofer-Realschule haben Texte für Infotafeln erstellt, die aus anderen Vierteln bereits bekannt sind und jetzt auch im Süden der Stadt installiert werden sollen. So erfährt man beispielsweise, dass sich der Spielplatz Saindllohstraße auf dem Areal der früheren Lagerschanze Nr. 5 befindet, die (ausgelegt für 250 Mann) im Falle eines Angriffs im 19. Jahrhundert die Stadt hätte mit schützen sollen. Andere Beispiele sind das frühere Moorbad in Unsernherrn an der Sandrach oder die 1955 offiziell gestrichene Bezeichnung Siechenhaus für einen Unsernherrner Ortsteil.

Schülerinnen der Gnadenthal-Realschule (Julia und Sophia Fürst, Emma Gerstner und Nicole Braschalko) haben sich bei dem BR-Projekt "Ich, Eisner" mit dem ermordeten ersten bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner und der Revolution in Bayern vor 100 Jahren beschäftigt. Auf sehr interessante Weise haben die Realschülerinnen die Ereignisse chronologisch festgehalten, so in Form einer Revolutions-Uhr, eines -Kalenders oder -Tagebuchs.

Bernhard Pehl