Ingolstadt
Fahren wie von Geisterhand

Marcel Egle präsentiert sein selbstfahrendes AI-Car in der Fußgängerzone und erhält viel Aufmerksamkeit <?ZE>

09.08.2020 | Stand 02.12.2020, 10:48 Uhr
Runde um Runde: Ein selbstfahrendes Modellauto zog am Samstag in der Ludwigstraße viel Aufmerksamkeit auf sich. Entwickelt hat es Marcel Egle aus Kösching. −Foto: Brandl

Ingolstadt - Wer am vergangenen Samstag in der Ludwigstraße nach dem Mann mit der Fernsteuerung Ausschau hält, sucht vergebens.

Das Modellfahrzeug, das hier auf einer mit Kreide aufgemalten Strecke seine Runden dreht, bewegt sich selbstfahrend fort - gesteuert allein von künstlicher Intelligenz.
Marcel Egle aus Kösching ist der Konstrukteur dieser eigentümlichen Mischung aus Monstertruck und Mondauto im Miniaturformat. Der 19-jährige IT-Student hat das AI-Car, wie er sein Gefährt nennt, im Corona-Lockdown entwickelt (DK berichtete). Jetzt hat er es in der Fußgängerzone vor dem "fahrerlos"-Ladenlokal vorgeführt - und stößt damit bei Passanten auf reges Interesse. "Damit müssen Sie zu den Löwen gehen", legt ihm ein älterer Herr nahe, nachdem er Egle, der auf einer Bank über seinem Laptop brütet und Zustandsinformationen des Fahrzeugs studiert, entdeckt hat. Egle schaut auf und grinst geschmeichelt. Die Löwen um Ralf Dümmel und Dagmar Wöhrl müssen auf ein Investment wohl noch warten, bis hinter der Entwicklung des Köschingers eine schlüssige Geschäftsidee steht. Vor Fragen jedoch kann sich der junge Mann an diesem Vormittag kaum retten: "Ist das ein Bausatz? " "Fährt das mit Batterie? " "Waren die Stoßdämpfer schon dabei? " Egle gibt geduldig Auskunft, lässt die Aufzeichnungen auf dem Computer dabei aber kaum aus dem Blick. Schließlich sollen die Fähigkeiten des selbstfahrenden AI-Cars weiterentwickelt werden - als nächstes, so ist es geplant, in einer dreidimensionalen Umgebung.

Peter Riedenbach aus Ingolstadt ist 77 Jahre alt und von der Präsentation fasziniert. "Ich war selbst Techniker. Das, was man früher in Science-Fiction-Romanen gelesen hat, wird jetzt Wirklichkeit", sagt er. Ein anderer älterer Herr könnte sich das Fahrzeug gut in seinem Garten vorstellen. "Für die Enkel", sagt er. Als er nach den Kosten fragt, wirkt er allerdings etwas desillusioniert. 1000 Euro für ein Spielzeug scheinen ihm dann doch zu teuer. Ein weiterer Senior, der sich unter den Zuschauern befindet, fährt bereits mit intelligenter Ausstattung an Bord, wie er erzählt. Er sieht darin einige Vorteile gerade für ältere Leute. "Ich finde das super wegen der Sicherheit beim Ausparken", sagt er. Egler hat von einer Weiterentwicklung zunächst eine andere Vision, könnte sich den Einsatz seines Fahrzeugs etwa im Bereich der Logistik beim autonomen Ausliefern von Paketen vorstellen, wie er sagt.

Hermann Kreitmayer aus Ingolstadt zieht es mit seinem Sohn Felix (kleines Foto) an die Versuchsstrecke. Auch er hat eine Idee, wie sich künstliche Intelligenz in Verbindung mit einer Kamera und einem neuronalen Netz nutzen ließe: bei der Hausarbeit. Auf dem Handy zeigt er eine Eigenentwicklung, die zu Hause mit Lego-Bausteinen entstanden ist und das Besteck sortiert. Noch nicht ganz ausgereift, aber eindrucksvoll. Aller Anfang ist eben schwer.

So bleibt auch das AI-Car zwei Mal plötzlich auf der Strecke stehen, bis Egle es wieder in Bewegung setzt. "Ich glaube, die Automatisierung verhilft uns zu mehr Wohlstand", ist Kreitmayer überzeugt. Dass deshalb irgendwann weniger Arbeitsplätze zur Verfügung stünden, nimmt er jedoch nicht an. Ihn fasziniere vor allen Dingen, dass beim AI-Car alle relevanten Informationen über eine Kamera gesammelt und ausgewertet werden. "Ich hoffe, dass es mir eines Tages die Pakete vor die Tür bringt", sagt er.

Dass die Präsentation kein Trick ist, untermauert Egle, als er die Streckenführung auf dem Pflaster kurzerhand mit ein paar Strichen abändern lässt. Das Fahrzeug folgt der neuen Richtung prompt und nimmt die Kurven souverän. Selbst Egle, der nichts anderes erwartet haben dürfte, kann sich darüber freuen.

DK