Desching
Erntezeit, Familienzeit

31.07.2020 | Stand 23.09.2023, 13:16 Uhr
Von einer Überdruckkabine aus steuert Markus Liepold seine Maschine. Ist der Korntank voll, wird das Getreide auf einen Anhänger umgeladen. Im Lager stehen einige mehrere Meter hohe Silos gefüllt mit Weizen und Gerste. −Foto: Stephan

Es ist Erntezeit. Der Deschinger Landwirt Markus Liepold und seine Familie helfen eng zusammen, Feldfrüchte wie Gerste und Weizen einzubringen. Sie erwarten für dieses Jahr einen guten Ertrag. Wir durften die Liepolds einen Nachmittag lang begleiten.

Desching - Franziska Liepold steuert ihren Bulldog souverän durch die Felder zurück nach Desching. Vor einem halben Jahr erst erhielt die 16-Jährige den entsprechenden Führerschein - es scheint aber, als hätte sie nie etwas anderes gemacht, als mit ihrem Traktor einen riesigen Anhänger voll mit eben geerntetem Getreide zu ziehen. Ab Herbst besucht sie die 12. Klasse der FOS, jetzt unterstützt sie ihre Familie bei der Ernte. Während des Homeschoolings in der Corona-Zeit ging das ganz gut, jetzt sind sowieso Sommerferien. Groß faulenzen geht da erst einmal nicht, was sie aber gar nicht stört. "Wenn man auf einem Bauernhof aufwächst, ist das superschön", sagt die 16-Jährige. "Ich möchte gegen nichts anderes tauschen."

Franziskas Vater ist Vollerwerbslandwirt. Markus Liepolds Familie ist die vierte Generation, die den Oberbauer-Hof in Desching betreibt. Zwei Kätzchen, ein paar Hasen und Hühner bevölkern diesen "zum persönlichen Vergnügen", sagt Bäuerin Ingrid Liepold. Ansonsten werden seit Jahrzehnten keine Tiere gehalten. Im ehemaligen Stall gegenüber des Wohnhauses findet sich heute das Getreidelager. Eine schmale Treppe führt unter das Dach, wo sich ein beeindruckender Blick auf die mit Gerste und Hartweizen gut gefüllten Silos und das Flachlager eröffnet. "Nach zwei Dürrejahren wird es heuer wieder eine gute Ernte", freut sich Ingrid Liepold. Ihr Mann wird das später bestätigen: "Der Juni war ein Traum."

Die Tochter lenkt den Bulldog zwischen die Silos. Als sie die seitlichen Klappen des Anhängers öffnet, strömt das Getreide ordentlich staubend durch ein Gitter im Boden, die Schüttgosse, von wo aus ein Elevator die Körner hoch ins Lager befördert. Franziskas kleiner Bruder Tobias hilft mit der Schneeschaufel nach. Der Bub, der es kaum erwarten kann, in vier Jahren auch Traktor fahren zu dürfen, kennt die nächsten Schritte. Er steckt einen Temperaturfühler ins Getreide: 33 Grad. Die Ernte muss gegebenenfalls belüftet werden, ansonsten verdirbt sie.

Temperatur und Belüftungszeit werden dokumentiert - eine Voraussetzung, um das Zertifikat "Geprüfte Qualität Bayern" zu erhalten, erläutert Ingrid Liepold. "Es ist das, was uns vom Weltmarkt unterscheidet." Ein entsprechendes Zeichen klebt am Tor und kommt bei Schulkindern, die den Hof besichtigen, gut an. "Das hab' ich im Supermarkt schon mal gesehen", rufen sie oft. Ein gutes Zeichen, denn "regional ist das neue Bio", findet Ingrid Liepold. "Regionalität ist das Entscheidende in der globalisierten Welt."

Deshalb planen die Liepolds, neben der Lieferung an Endverbraucher wie Gaststätten mehr in die Direktvermarktung einzusteigen. Ein Schild an der Hofeinfahrt weist schon auf den Verkauf von Frühkartoffeln hin. Das Coronavirus hat dazu beigetragen: "Die Leute fragen mehr nach Lebensmitteln wie Eier", berichtet Ingrid Liepold, als ihr Schwiegervater vorbeikommt. Er bringt Kaffee für Sohn Markus, der auf den Feldern unterwegs ist. Von Erich und Walburga Liepold hat dieser den Hof übernommen - ein echter Familienbetrieb eben. Nur ein Erntehelfer ist fest angestellt. "Die Eltern sind trotz ihrer 80 Jahre noch sehr aktiv", betont Ingrid Liepold, während ihr Schwiegervater rausfährt, um zu grubbern. Auch Neffe Simon hilft, wo er kann, "damit der Opa nicht so viel machen muss". Der 19-Jährige meint: "Dieser Zusammenhalt in der Familie ist einfach schön."

Als Franziskas Anhänger leer ist, fahren sie und Simon mit ihren Bulldogs zurück zum Sandacker nahe des Deschinger Kreisels, wo Markus Liepold im Mähdrescher sitzt und Brotweizen erntet. Seine Überdruckkabine ist mit Klimaanlage und Rückkamera ausgestattet. "Nicht zu vergleichen mit der Technik vor 30 Jahren", betont er. Der Landwirt erklärt seine Maschine von der roten Haspel, die die Halme in Richtung Messer führt, über die Dreschtrommel, in der Korn und Halm getrennt werden, bis hin zum Häcksler, durch den das Stroh als Düngemittel wieder aufs Feld geführt wird. Zurück bleiben Stoppel, über die sich ab und an ein Hase in Sicherheit bringt. Durch ein Fenster hinter sich sieht Markus Liepold bald, dass der Körnertank voll ist - etwa sechs Tonnen fasst dieser -, und fährt zu Franziska und Simon, um abzutanken: Über ein Rohr rauscht das Getreide in knapp anderthalb Minuten in die Anhänger.

Je nach Wetter beginnt der Arbeitstag des 46-Jährigen in der Früh mit Wartungsarbeiten und kann jetzt, in der Hochsaison, schon einmal bis nach Mitternacht dauern. An diesem Nachmittag hat der Landwirt es ein bisschen eilig, ein Gewitter liegt in der Luft. Über Headsets und Freisprechanlagen kommuniziert er mit seiner Familie, wer was wo zu tun hat. Auch so ein technischer Fortschritt, der einiges erleichtert hat. "Als ich Kind war, gab es in der Früh für die Tagesplanung immer einen Riesenauflauf im Hof."

Für Markus Liepold war stets klar, den Hof seiner Eltern weiterzuführen. "Ich war von Kindesbeinen an draußen mit meinem Vater", erzählt er und schildert, wie er sich das ganze Jahr über von der Bodenbearbeitung bis zur Ernte um die Feldfrüchte kümmert. "Am Ende weiß man, dass etwas gewachsen ist, das jemanden ernährt." Landwirt sei ein wunderbarer Beruf - auch wenn es stressige Phasen gebe, in denen Urlaub verschoben werden oder die Köschinger Kolan-Band auf seine Gitarre verzichten muss.

Die wirtschaftliche Lage war zuletzt schwierig: Laut Markus Liepold gab es wegen Corona und Schweinepest "gewaltige Verwerfungen der Warenströme". Er verkaufte weniger Wintergerste - wegen ihrer Konsistenz gutes Viehfutter - an Schweinebetriebe. "Jeder fährt auf Sicht, die Leute sind verunsichert." Der Absatz ist aber da: "Die Leute haben ja Hunger", sagt der Landwirt. Noch nicht klar ist, wie die Kartoffelernte im Herbst ablaufen soll: Normalerweise helfen vier Menschen auf einem Roder, die Knollen zu sortieren. Aufgrund von Corona werden heuer vielleicht feste Teams gebildet.
Um die großen Maschinen rentabler zu machen, führt Markus Liepold neben seinen Äckern auch Arbeiten auf Feldern von Berufskollegen aus. Das macht in diesem Sommer insgesamt etwa 200 Hektar aus. Er ist bei Landwirten aus Kösching, Lenting, Großmehring und Mailing aktiv. "Ich bin halt ein Bauer, der für Nachbarn und Cousins mitdrischt." Trotz des Klimawandels und negativer politischer Entwicklungen freut sich Markus Liepold, dass sein ältester Sohn Michael in dieselbe Richtung strebt. Der 19-Jährige hat gerade seine Ausbildung in einem Lehrbetrieb abgeschlossen. "Wenn die wirtschaftliche Grundlage stimmt, übernimmt er unseren Hof einmal."

DK

Tanja Stephan