"Ernährung, wie sie sein muss"

26.01.2021 | Stand 30.01.2021, 3:33 Uhr
Die volle Transparenz über die verwendeten Lebensmittel wollen Holger Stromberg (links) und Vorstand Martin Wild den Kunden von Organic Garden geben. −Foto: Organic Garden

Aus der Region für die Region: Sternekoch Holger Stromberg macht beim Ingolstädter Start-up Organic Garden mit. Das Unternehmen will Lebensmittel nachhaltig, CO2-neutral und gesund produzieren. Dazu sind sogenannte Organic Garden Farms in Planung.

Ingolstadt - Zu wissen, wo die Pilze, Kräuter, das Gemüse und der Fisch herkommen. Zu wissen, unter welchen Bedingungen sie angebaut oder gezüchtet wurden. Das ist Sternekoch Holger Stromberg in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden. "Schon in den letzten Jahren meiner Tätigkeit für den Deutschen Fußball Bund haben mich auch die Themen Klima, Wachstum der Erdbevölkerung, seelen- und energielose Produktvielfalt im Überfluss, dafür Foodwaste und Plastik ohne Ende immer mehr umgetrieben", erzählt er.

Für seine Vision von einer gesunden, nachhaltigen Ernährungsweise hat er nun den passenden Partner gefunden: das Ingolstädter Start-up Organic Garden. Zu Beginn des Jahres ist er mit seinem Team als CCO (Chief Culinary Officer) eingestiegen."Wir möchten für Ernährung stehen, wie sie sein muss", sagt Organic-Garden-Vorstand Martin Wild. "Dabei denken wir ganzheitlich über die gesamte Wertschöpfungskette. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir damit die Zukunft in die Hand nehmen."

Das Unternehmen plant, durch die Vernetzung von Lebensmitteln, Bodenkultur und Energie deutschlandweit Bio-Produkte mit Rücksicht auf die Natur herzustellen und diese online, in der Großverpflegung und in eigenen Läden zu vertreiben - aus der Region für die Region soll es sein. Im Moment laufen Gespräche über zwei Standorte für Farmen in Bayern - einer davon in der Region 10. In einigen Monaten sollen die Entscheidungen fallen. Dann geht es in die Detail- und Genehmigungsplanung. Ab 2023/24 soll die erste Farm mit Fisch- und Algenzucht, Gemüse- und Obstanbau sowie Pilzzucht ans Netz gehen.

Im Moment hat Organic Garden 39 Mitarbeiter, pro Farm werden später zwischen 80 und 120 dazukommen. Rund 4000 Tonnen Pilze und Gemüse sollen dann pro Jahr von einer 20 bis 30 Hektar großen Farm kommen, genug um eine Stadt wie Ingolstadt damit zu versorgen. Initiiert wurde das Start-up 2019 von Martin Seitle, der zuvor bereits zahlreiche nachhaltige Gründungen begleitet hatte. Bei einer Veranstaltung lernte er vor zweieinhalb Jahren Stromberg kennen, erzählt der COO von Organic Garden. Schnell sei ihm klar gewesen, dass der Sternekoch super zu dem Konzept passe und dass er die Kompetenz bei der Weiterverarbeitung der Lebensmittel habe. "Wir produzieren regional und lassen das Ganze von einem Sternekoch verarbeiten. Ich kenne kein vergleichbares Unternehmen", so Seitle.

Produkte in Bio-Qualität, gesund für den Menschen und gut für die Natur anbieten zu können, ist das erklärte Ziel des Start-ups. "Wir haben eine Vision, die von der Urproduktion bis zum Stoffwechsel des Kunden reicht", sagt Wild. Nachhaltig produzierende, regionale Landwirte sieht das Unternehmen als Partner. Man sei zudem immer auf der Suche nach innovativen Lieferanten. "Wir haben ein CO2-neutrales, effizientes Kreislaufsystem und dadurch ganz andere Möglichkeiten, als wenn wir nur ein einzelnes Modul wie etwa den Gemüseanbau angehen würden. Man muss das groß denken, um ausreichend Menschen versorgen zu können", so Wild. Im März soll in München der erste Konzept-Store öffnen - dort kann man zunächst den Green Hotdog verkosten, später kommen weitere Produkte dazu. "Wir werden auch E-Commerce starten und werden so die Produkte an den Endkonsumenten direkt vertreiben", sagt Wild, der zuletzt bei MediaMarktSaturn als Chief Innovation Officer gearbeitet hat.

Für Stromberg ist die Transparenz für den Kunden wichtig. "Bei mir ist es bei der betrieblichen Verpflegung bislang an der Rückverfolgbarkeit der Lebensmittel und der Beschaffung gescheitert." Das soll sich mit Organic Garden ändern. "Zudem verfolgen wir nicht nur den ernährungsphysiologischen Aspekt, sondern müssen auch die Natur und die Schäden, die wir in der Natur anrichten, betrachten." Wenn man sich vorstelle, in wie vielen Kantinen und Haushalten jeden Tag Auberginen geschnitten werden und wie viele Abfälle dabei anfielen - "da wird nichts sauber wieder aufgearbeitet. Das wollen wir gleich im geschlossenen Kreislauf lassen. Wir werden vorbearbeitete, veredelte Produkte in allen Großverpflegungseinrichtungen servieren - das kann man nur im Großen schaffen."

Im Konzept für die Farmen ist eine Algenfarm dabei, "weil wir es schaffen müssen, dass die Menschen deutlich weniger tierische Produkte essen. Aber wir müssen den Menschen auch die beste Alternative geben - und das wäre dann der Zuchtlachs aus unserer Farm." Da werde das nachhaltige Filet allerdings nicht in den Schulen landen - das sei preislich nicht möglich, gibt sich der Sternekoch realistisch. Denn man habe nur etwa einen Euro Wareneinsatz für ein Kind in Deutschland. "Aber wir werden das Filet an Menschen verkaufen, die sich das leisten wollen und auf der anderen Seite werden wir die weiteren Bestandteile veredeln. Wir werden alle Produkte zu hundert Prozent verarbeiten."

Die Lieferanten müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllen: Neben der Regionalität ist das vor allem die Bio-Qualität. "Wir schauen uns die Prozesse genau an. Wir wollen unser eigenes Versprechen - dass man uns in den Topf schauen kann - auch bei unseren Partnern. Der Kunde soll bei jedem Produkt sehen, bei welchem Partner aus welcher Region die Lebensmittel kommen." Die Produkte sollen dabei nicht teurer sein als bereits vorhandene in Bio-Qualität, "damit wir das möglichst vielen Menschen zugänglich machen können", sagt Stromberg.

Die drei Anteilseigner haben nach eigenen Angaben ein sehr solides, langfristiges Netzwerk an Investoren aus dem Mittelstand und sind im Gespräch mit weiteren, die an ihre Vision glauben. Auf Investorenseite verspüre man - trotz oder gerade wegen der Corona-Pandemie - ein wachsendes Interesse an gesunder, regionaler Versorgung mit Lebensmitteln. Auch aufseiten von Bürgermeistern und Landräten sei das Interesse an den Farmen groß.

DK