Ingolstadt
Eine Stadt hörbar machen

Der Historische Verein setzt sich für ein zweites Glockenspiel in Ingolstadt ein

11.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:37 Uhr
Ähnlich wie in der Dollstraße könnte die Glocken an anderer Stelle der Innenstadt erklingen. −Foto: Estel

Ingolstadt (DK) Ingolstadt ist eine an Traditionen nicht arme Stadt, wie die meisten Schanzer wissen.

Dazu gehört das reiche Musikleben gerade im 19. Jahrhundert - der Bayerische Defiliermarsch ist wohl das berühmteste Beispiel. Weniger bekannt ist, dass Ingolstadt auch auf eine lange Reihe von Glockengießern zurückblicken kann. Seit dem 16. Jahrhundert lassen sich zahlreiche Werkstätten nachweisen. Erst in den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat Wendelin Vielwert an der Beckerstraße seine letzte Form gegossen. Der Historische Verein möchte beide Traditionen zusammenbringen und setzt sich für ein weiteres Glockenspiel in Ingolstadt ein - in der Dollstraße ertönt bekanntlich zur Mittagszeit immer eine Melodie.

Bei einem Informationsabend im Barocksaal im Stadtmuseum erläuterten der letzte bayerische Glockengießer, Rudolf Perner aus Passau, und der Carillonspieler Bastian Fuchs aus Eichstätt die Einzelheiten, Hintergründe und Unterschiede. Denn der Fachmann unterscheidet zwischen einem Glockenspiel, das zu festgesetzten Zeiten eine Melodie abspielt (das bekannteste Beispiel findet sich am Münchener Rathaus), und einem Carillon, das man sich wie ein Klavier vorstellen muss: Die "Tasten" sind jeweils mit einer Glocke verbunden, ein Musiker kann also konzertant verschiedene Melodien spielen. Auch eine elektronische Steuerung ist möglich. "Ein Glockenspiel ist ein Glockenspiel, ein Carillon ist ein Instrument", erläuterte Perner den Unterschied.

Der Glockengießer aus Passau erklärte den Zuhörern die lange Geschichte und die langwierige Herstellung von Glocken. "Jede Glocke ist einzigartig", sagte Perner, wobei erst im Zusammenspiel ihre ganze Klangfülle zum Tragen kommt. Er muss es wissen, hat er doch neben vielen kleineren auch die größte und tontiefste Glocke Bayerns gegossen: Sie wiegt zehn Tonnen und hängt im Kloster Scheyern.

Glockenspiele und Carillons benötigen wenig Platz und hängen oft in Türmen, aber auch im Freien. Es gibt sogar mobile Carillons, die auf einem Anhänger transportiert werden können. Auf so einem Instrument mit über 20 Glocken eröffnete der Eichstätter Bastian Fuchs 2013 das Regensburger Bürgerfest - mit der Bayernhymne. Denn auf einem Carillon kann man prinzipiell alles spielen - und man kann auch mit anderen Instrumenten zusammen Konzerte geben. Ob Blasmusik, ein Jazzensemble, ein klassisches Orchester oder Elektrosounds - es gibt praktisch keine Grenzen.

"Ein Carillon ist etwas Bleibendes", warb Perner für das Instrument: "Es macht eine Stadt hörbar. " Bei Gelegenheiten wie den Jazztagen oder etwa den Audi-Sommerkonzerten, bei Festen oder wenn hoher Besuch kommt könnte ein Glockenspiel oder ein Carillon erklingen.

Über einen möglichen Standort hat sich der Historische Verein auch schon Gedanken gemacht: Rathausplatz, Viktualienmarkt, Paradeplatz, Carraraplatz, Klenzepark, das neue Landesgartenschaugelände oder im Reduit Tilly wären prinzipiell denkbar. Mit so einem Carillon würde auch ein weißer Fleck auf der Landkarte getilgt, denn die nächsten sind in München und in Würzburg. Die Kosten für so ein Instrument liegen im sechsstelligen Bereich, wobei natürlich Patenschaften für einzelne Glocken übernommen werden können. Denn mindestens 23 sollten es schon sein.

Bernhard Pehl