Ingolstadt
Eine Bühne für Bücherbegeisterte

Rotarier, Schulen und das Stadttheater fördern die Lesefähigkeit von Kindern - "Eltern müssen auch hier Vorbilder sein!"

27.06.2018 | Stand 02.12.2020, 16:10 Uhr
Kinder im Profibereich: Viertklässler der Grundschule an der Pestalozzistraße spielten mit der Theaterpädagogin Katharina Wüstling auf der Probebühne des Stadttheaters eine Szene aus dem Stück "Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt." An den Workshops im Rahmen eines Projekts zur Leseförderung haben insgesamt 600 Ingolstädter Grundschüler teilgenommen. −Foto: Foto: Silvester

Ingolstadt (sic) Der Paul ist ein echter Draufgänger.

Klingelt doch einfach an der Haustür des Mädchens seiner Träume. Maulina. Nachname: Schmitt. Sowas muss man sich erst mal trauen! Denn seine Klassenkameradin ist nicht immer die Einfachste; sie macht gerade privat einiges durch. Doch Paul fasst Mut, und schreitet zur Tat, in dem Fall also zur Klingel. Er will Maulina fragen, ob sie gemeinsam zur Schule gehen wollen. Doch als Frau Schmitt die Haustür öffnet, haut es sie erstmal voll hin; nicht gerade ein idealer Auftakt für eine romantische Begegnung. Aber eine sehr amüsante Szene.

Und genau diese heitere Begebenheit aus dem Kindertheaterstück "Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt" von Finn-Ole Heinrich (im Programm des Jungen Theaters des Stadttheaters) dürfen die Viertklässler der Grundschule an der Pestalozzistraße nachspielen - angeleitet von der Theaterpädagogin Katharina Wüstling - und das sogar auf der Probebühne des Stadttheaters, wo sonst das Ensemble des Hauses Stücke einstudiert. Die Kinder gehen fröhlich und diszipliniert ans Werk. Ihre Klassenlehrerin muss kein einziges Mal eingreifen, um etwa eine aus der Bahn geratene Darbietung zu unterbinden. Anke Hausinger sitzt die ganze Zeit lächelnd daneben und freut sich über die Spielfreude ihrer Schüler. Die Mädchen und Buben geben in wechselnden Besetzungen die Maulina, den Paul, einen Regisseur und Frau Schmitt - samt dem bösen Sturz. Den legt Dominik besonders spektakulär hin; fast wie einen Stunt.

"Runterzufliegen war echt das Coolste an dem Auftritt", erzählt er später. Seine Klassenkameradin Mia hat in der Regisseurgruppe mitgewirkt. "Die Schauspieler rumzukommandieren hat am meisten Spaß gemacht! "

Es sei ein Vergnügen gewesen, mit den Kindern Theater zu spielen, sagt die Theaterwissenschaftlerin Katharina Wüstling. Auch wenn es organisatorisch viel Aufwand erforderte, denn nicht nur die Schüler von der Pestalozzistraße sind in den Genuss der Workshops gekommen, sondern auch alle Viertklässler von fünf weiteren Ingolstädter Grundschulen. Insgesamt 600 Kinder, die an sieben Aktionstagen im Stadttheater einen spannenden Eindruck von der szenischen Umsetzung eines Kinderbuchs erhielten. Die Theaterpädagogin Nicole Titus und weitere Teammitglieder haben ebenfalls dazu beigetragen, den Kindern ein Erlebnis zu bereiten. Der Auftritt auf der Probebühne ist die Krönung eines groß angelegten Leseförderprojekts in Ingolstadt, das von mehreren Partnern getragen wird.

Die Initiative kam vom Rotary-Club Kreuztor: Er veranstaltete heuer schon zum zehnten Mal einen Lesewettbewerb für alle Viertklässler an sechs Ingolstädter Grundschulen, an denen der Anteil von Kindern aus Migrantenfamilien überdurchschnittlich hoch ist; Leseförderung ist dort deshalb besonders gefragt. Der Wettbewerb wird Ebene für Ebene bayernweit von Rotary-Clubs ausgetragen. Die Ingolstädter Stadtsiegerin war in diesem Jahr die Viertklässlerin Zehra; sie kommt aus einer Familie mit türkischen Wurzeln "und hat wirklich sehr beeindruckend vorgelesen", erzählt Siegfried Bauer vom Rotary-Club Ingolstadt-Kreuztor. Solche schönen Erfolge bestärken den karitativen Club in seinem Engagement. "Wir arbeiten gerne Hand in Hand mit den Schulen! Viele bekommen von uns auch Bücher. " Er persönlich gibt außerdem ehrenamtlich Nachhilfestunden für Schüler. "Unser Rotary-Club unterstützt auch noch das Hollerhaus und die August-Horch-Schule", erzählt Bauer.

Nicht zu vergessen: Die Rotarier haben die Workshops im Stadttheater bezahlt. Sie brachten dafür gut 3500 Euro auf. "Ich glaube, das kann man schon mal erwähnen", findet Bauer.

Ein weiterer wichtiger Akteur bei diesem Förderprojekt für Grundschüler ist Alexander Gajic, Konrektor der Christoph-Kolumbus-Grundschule und Lesebeauftragter im Schulamtsbezirk Ingolstadt. Die Workshops im Theater (von denen er einige zusammen mit Siegfried Bauer besucht hat), schätzt er außerordentlich: "Die Schüler arbeiten mit Theaterprofis und erlernen dabei die richtige Artikulation und Umsetzung von Literatur in ein Theaterstück. " Bald werden sie "Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt" (ursprünglich eine Bücherreihe) im Stadttheater sehen und danach mit den Schauspielern darüber sprechen, erzählt Gajic.

Die Leseförderung sei gerade bei Kindern aus Migrantenfamilien ungemein wichtig, sagt der Lehrer. Es freut ihn, "dass immer mehr Verantwortliche verstehen, dass man unbedingt was tun muss! " So sei die Leseförderung in der Lehrerfortbildung heute gut etabliert. "Viele Schulen kämpfen darum, das in den Mittelpunkt zu stellen. " Gajic hebt hier ausdrücklich das große Engagement vieler Kolleginnen und Kollegen hervor.

Doch die Steigerung der Lesefähigkeit ist nicht allein die Aufgabe der Schulen. Das gelte es immer wieder zu betonen, sagt der Pädagoge: "Die Eltern müssen auch hier Vorbilder sein! Sie müssen zu Hause mit den Kindern fleißig üben. Unbedingt! " Denn das Lesen, so Gajic, "lernt man eben nur durch lesen".