Eitensheim
Ein toter Priester im Beichtstuhl

Nach erstem Krimi "Kreuz und Chrom" sitzt Eitensheimer Autor Ralf Schmidt schon an drittem Werk

19.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:27 Uhr
Treue Begleiter bei der Verwirklichung seiner Bücher hat Ralf Schmidt in seiner Frau Annette und dem anderthalbjährigen Rüden Bobby. Auf dem Tisch liegt Schmidts erstes Werk "Kreuz und Chrom". −Foto: Stephan

Eitensheim (DK) Mit "Kreuz und Chrom" hat der Eitensheimer Autor Ralf Schmidt im September einen Kriminalroman veröffentlicht, der ein brisantes Thema behandelt: die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Die Schriftsteller-Karriere des 50-Jährigen begann allerdings mit einem Schulaufsatz über das Weltall.

"Er fährt Harley, hat jede Menge Tattoos und sieht gar nicht so aus, wie man sich einen ordentlichen Hauptkommissar vorstellt." Nein, die Rede ist nicht von Ralf Schmidt, der an diesem Abend - sicher nicht ganz zufällig - selbst ein kurzärmeliges T-Shirt mit Motorrad-Aufdruck trägt, das Oberarm-Tattoos und eine Gürtelschnalle mit Harley-Davidson-Schriftzug hervorblitzen lässt. Der erste Satz auf der Buchrückseite von "Kreuz und Chrom" charakterisiert vielmehr die Hauptfigur, Ermittler Jan Schröder. Deren Erfinder stellt sich ganz anders vor: "Ich bin 50 und wie die meisten hier in der Gegend seit knapp 20 Jahren bei Audi beschäftigt."

Geboren in Hayingen auf der Schwäbischen Alb, hat Schmidt bereits in der Schule seine Leidenschaft für Aufsätze entdeckt. "Wenn der Lehrer das Thema an die Tafel geschrieben hat, habe ich sehr lange überlegt, welche von meinen vielen Ideen ich umsetzen soll", erinnert er sich. Als es einmal etwas übers Weltall werden sollte, lobte der Lehrer sein Talent und schlug ihn für die Schülerzeitung vor. "Aber in dem Alter hatte ich etwas anderes zu tun", erzählt Schmidt. Nur das Abschlussstück der Schule hat er dann doch geschrieben: "Da war ich Autor, Regisseur und Hauptdarsteller in einem."

Dann ruhte sein Schreibtalent erst einmal viele Jahre lang. Bis er gemeinsam mit seiner Frau Annette eine Folge der Castingshow "Deutschland sucht den Superstar" verfolgte, in der ein Teilnehmer ständig seinen Text vergaß. "Ein Ausnahmetalent, aber ein fauler Hund", soll Dieter Bohlen gesagt haben. "Ich konnte nicht verstehen, wie ein junger Mensch sein Talent so wegwerfen kann", sagt Schmidt. Als er sich daraufhin an die Aussage seines ehemaligen Lehrers erinnerte, beschloss er vor neun Jahren deshalb, ein Buch zu schreiben.

Doch Talent allein reicht dafür nicht aus. "80 Prozent sind Handwerk, der Rest ist Kreativität", ist Schmidt überzeugt. Er zeigt auf eine Reihe an "Selbstlernbüchern" im Regal hinter sich. In einigen Verlagsseminaren und in einer Schreibschule befasste er sich lange mit dem reinen Handwerk, ehe er sich vor knapp zwei Jahren an sein erstes zur Veröffentlichung bestimmtes Buch setzte. Die erste Szene dazu hatte er schon im Kopf: ein toter Priester im Beichtstuhl. "So ein Toter am Anfang macht sich immer gut", sagt Schmidt. "Und dann habe ich einfach mal angefangen und darauf aufgebaut."

Etwas Spannendes, ein Krimi sollte es werden, denn einen Thriller hält der 50-Jährige "für einen Erstling zu komplex". Mit den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche war auch schnell das Thema für "Kreuz und Chrom" gefunden. "Damit habe ich mich schon länger beschäftigt, und an die Kirche hat sich noch kaum jemand so richtig rangetraut", sagt Schmidt.

Jeden Morgen vor der Arbeit setzte er sich also an den großen Tisch im Wohn- und Esszimmer und schrieb. Eineinhalb Jahre ging das so, während er auf Verlagssuche ging. "Selbst-Publishing wollte ich nie", betont der Autor. Mithilfe einer Agentur kam der Eitensheimer schließlich zum Berliner Aufbau-Verlag - der gleich zwei Bücher kaufte, obwohl Schmidt noch keine Zeile für das zweite geschrieben hatte. "Ich habe von Anfang an an eine Krimiserie mit demselben Ermittlerteam gedacht", sagt er und gibt zu, dass das auch ein bisschen dem Eigennutz dienen sollte: "So muss man keine neuen Charaktere entwickeln, und wenn dem Leser das erste Buch gefällt, kauft er auch das zweite."

Das ist übrigens schon fertig. Von den guten Kritiken für sein im September erschienenes Debütwerk beflügelt, hat Schmidt innerhalb eines Jahres aus der Plot-Idee eines einstigen Übungsbuches heraus einen zweiten Krimi über Ermittler Jan Schröder geschrieben. Deadline wäre Ende dieses Jahres gewesen - abgegeben hat Schmidt das Werk schon im Sommer und gleich mit dem dritten Buch angefangen. Sein Ziel: "Jedes Jahr ein Buch, bis es keinen mehr interessiert oder ich keine Lust mehr habe", sagt der Eitensheimer.

Während der eineinhalbjährige Rüde Bobby Schmidts moralische Unterstützung während seiner Schreibeinheiten bietet, ist Ehefrau Annette noch vor der Lektorin die erste Testleserin seiner Werke. Obwohl sie selbst keine Schreiberin ist und lieber Biografien statt Romane liest, befasst sie sich ihrem Mann zuliebe mittlerweile mit Belletristik, um Vergleiche ziehen und Kritik üben zu können. "Viele Paare können das nicht", meint sie. Anfangs habe sie selbst oft nicht sagen können, was ihr an einer Stelle nicht gefällt. "Aber jetzt machen wir das richtig professionell." Umso mehr habe sie sich gefreut, als sie das erste Exemplar von "Kreuz und Chrom" an einem Bahnhofskiosk entdeckte. " Ich habe gleich gefragt, ob ich ein Foto machen darf."

Tanja Stephan