Ingolstadt
Ein Ort der Sicherheit

Ingolstadt hat ein Safe-House - Jugendhilfe Respekt-Training betreibt Kinderschutzstelle für die Region 10

05.07.2018 | Stand 23.09.2023, 3:39 Uhr
Vor dem Safe-House: Jugendamtsleiter Oliver Betz mit seiner Stellvertreterin Doris Templer, der Geschäftsführer der Jugendhilfe Respekt-Training, Atila Dikilitas, Familienministerin Kerstin Schreyer, OB Christian Lösel und der Pfaffenhofener Landtagsabgeordnete Karl Straub (von links). Pfarrer Lorenz Gadient (Foto unten) segnete die Räume. −Foto: Fotos: Hammer

Ingolstadt (DK) Ingolstadt und die Region 10 haben ein Safe-House. Die von der Jugendhilfe Respekt-Training betriebene Einrichtung, eine Kinder- und Jugendschutzstelle, bietet Platz für acht Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 17 Jahren. Gestern wurde das Safe-House im Beisein der bayerischen Familienministerin Kerstin Schreyer seiner Bestimmung übergeben.

Von außen sieht es aus wie ein ganz normales Einfamilienhaus. Nichts weist darauf hin, dass in dem Gebäude Kinder und Jugendliche untergebracht sind, die das Jugendamt als sogenannte "Inobhutnahme" aus ganz unterschiedlichen Gründen von ihrer Familie getrennt hat. Wo das Safe-House steht, soll - ähnlich wie beim Frauenhaus - nicht bekannt werden. Bestenfalls ein paar Nachbarn könnten angesichts des Auftriebs an Ehrengästen und mehrerer Autos vor dem Haus - darunter der schwarze Dienstwagen der Ministerin mit Münchner Kennzeichen - mitbekommen haben, dass im Garten des Gebäudes etwas Besonderes stattfindet.

Vertreter von Schulen, Jugendämtern, Stadt und Landkreisen, des Bezirks, der Polizei und natürlich Atila Dikilitas, Geschäftsführer der Jugendhilfe Respekt-Training, haben sich im Garten versammelt. Die Stadtratsfraktionsvorsitzende und Bezirksrätin Patricia Klein (CSU) hat in einer Babytrage ihren wenige Monate alten Sohn mitgebracht. Der Bub schlummert friedlich in eine Decke gehüllt. Er hat keine Ahnung, welch ernstem Thema sich seine Mutter und der Rest der Gäste widmen. Ihm dürfte ein Schicksal, wie es Kinder durchgemacht haben, die in Einrichtungen wie dem Safe-House untergebracht werden, erspart bleiben.

Es wirkt fast symbolisch, dass der Himmel bei der Eröffnung der Einrichtung etwas grummelt. Als die Ministerin ans Rednerpult tritt, frischt der Wind auf. Wenig später - als Pfarrer Lorenz Gadient und die evangelische Pfarrerin Eliana Briante gerade den Segen spenden - fallen erste Tropfen. Der rote Regenschirm, der bei der Zeremonie über die Köpfe der Geistlichen gehalten wird, könnte auch als Schutzschirm gesehen werden, der im Safe-House über die Kinder- und Jugendlichen gehalten wird.

Moderator Torsten Krauskopf bezeichnete das Safe-House als "Zufluchtsort", als "Ort, an dem du sicher bist". Die jungen Leute, die hier in akuten Krisensituationen untergebracht würden, könnten bleiben, solange es die Situation erfordere. "Das können Stunden sein, aber auch Monate." Vor zwei Jahren sei die Idee, in Ingolstadt ein Safe-House einzurichten, entstanden. Seitdem sei viel gearbeitet worden. Doch jetzt, wo die Einrichtung in Betrieb sei, "geht die Arbeit erst richtig los". Krauskopf meint damit "die Vertrauensarbeit gegenüber den Jugendlichen".

Das Safe-House sei die zweite Anlaufstelle dieser Art in der Region 10. Es sei quasi wie eine Erste-Hilfe-Maßnahme. Die Kinder und Jugendlichen lernen, von Sozialpädagogen begleitet, einen strukturierten Tagesablauf. Aber auch, ihr Selbstwertgefühl zu stärken, eine Hauptaufgabe des von Dikilitas ins Leben gerufenen Respekt-Trainings. "Jedes Kind hat einen inneren Helden in sich, den es herauszukehren gilt", so der Moderator. Das Safe-House agiere in einem Netzwerk zwischen Jugendämtern, Regierung und dem Träger, der Jugendhilfe Respekt-Training.

Wie wichtig es ist, gerade bei Kindern, dem schwächsten Glied der Gesellschaft, hinzuschauen, betonte Oberbürgermeister Christian Lösel. Die Geburtenzahlen in Ingolstadt stiegen stetig. Deshalb würden solche Einrichtungen immer bedeutender. Lösel lobte die gute Zusammenarbeit mit Dikilitas und seiner Initiative Respekt-Training.

Die bayerische Ministerin für Familie, Arbeit und Soziales, Kerstin Schreyer, hat als Sozialpädagogin früher selbst in der Familienhilfe gearbeitet. Sie kennt die Verantwortung der Behörden, in einer Notlage die Entscheidung treffen zu müssen, "was für genau dieses Kind richtig ist". Eine solche Entscheidung sei "ganz ganz schwer". Sie wünschte deshalb auch den Mitarbeitern der Familienhilfe "Gottes Segen, damit Sie immer die richtigen Entscheidungen treffen".

Wie der Leiter des städtischen Jugendamts, Oliver Betz, auf Anfrage unserer Zeitung sagte, habe es im vergangenen Jahr in Ingolstadt rund 90 Inobhutnahmen gegeben. In den meisten Fällen waren die Kinder zwischen 14 und 17 Jahre alt.

Die Gründe dafür seien vielfältig. Manchmal bitte ein Jugendlicher selbst darum, aus der Familie genommen zu werden, manchmal geschehe es mit Einwilligung der Eltern. Aber auch gegen den Willen der Eltern werden vom Jugendamt solche Maßnahmen angeordnet. Das ist einer der Gründe, warum der Standort für das Safe-House geheim bleiben muss.

Ruth Stückle