Ingolstadt
Ein Großalarm - aber keine Öffentlichkeit

Polizei sah nach nächtlichem Einsatz im Manchinger Airbus-Werk angeblich keinen Anlass für Mitteilung

16.12.2019 | Stand 23.09.2023, 9:53 Uhr
Bau und Wartung von Militärflugzeugen erfordert bei Airbus offenbar auch den Einsatz radioaktiver Stoffe. Das weiß die Öffentlichkeit nach dem Großeinsatz vom vergangenen Freitag nun definitiv. Diese Fotomontage zeigt einen Eurofighter über dem Manchinger Flugzeugwerk. −Foto: Airbus/Archiv

Ingolstadt/Manching - Was ist ein Fehlalarm?

Und wer entscheidet, ob ein Großeinsatz, dessen Anlass zunächst dramatisch erscheint, sich nachträglich aber als nicht so wild herausstellt, als Fehlalarm gelten darf, über den die Öffentlichkeit nicht informiert werden muss? Auch mit ein paar Tagen Abstand zum Aufgebot Hunderter Feuerwehrleute und anderer Rettungskräfte aus weitem Umkreis wegen eines vermeintlichen Strahlenunfalls im Manchinger Airbus-Werk in der Nacht zum Freitag (DK berichtete in der Samstagausgabe) bleiben Fragen unbeantwortet.

Wie sich inzwischen herausgestellt hat, war aus dem Flugzeugwerk am späten Donnerstagabend zunächst ein Unfall mit einem Behälter gemeldet worden, in dem Beschäftigte zumindest geringe Mengen des durchaus brisanten radioaktiven Elements Americium vermutet hatten. Später hatte sich nach gestrigen Angaben von Airbus herausgestellt, dass in dem Behältnis tatsächlich kein radioaktives Material vorhanden war. Deshalb war (auf Mediennachfragen) irgendwann am Freitag offiziell dann auch von einem Fehlalarm gesprochen worden.

Airbus-Sprecher Florian Taitsch sagte dem DK, dass das Unternehmen im Flugzeugbau tatsächlich Americium einsetzt - allerdings in ganz geringen Mengen. Der giftige Stoff (ein nur künstlich in Kernanlagen herzustellendes Isotop mit langer Halbwertzeit) wird laut Taitsch unter anderem zur Behandlung von Glasflächen benutzt, damit sie weniger anfällig fürs Beschlagen sind - eine gerade im militärischen Flugzeugbau durchaus wichtige Anforderung. Der Stoff sei früher auch - ebenfalls in minimalsten Dosierungen - in Feuermeldern verwendet worden, also praktisch im öffentlichen Raum.

Wie der Ingolstädter Blogger Thomas Thöne, dessen Onlineplattform "O-T(h)öne" am Freitagmorgen als erstes Medium über den Vorfall bei Airbus berichtet hatte, dem DK gestern auf Anfrage erklärte, soll sich der fragliche Behälter nach ihm aus Feuerwehrkreisen vorliegenden Informationen versehentlich bei Wartungsarbeiten von einem Flugzeug gelöst haben und auf dem Boden der Wartungshalle aufgeschlagen sein. Firmensprecher Taitsch wollte hierzu gegenüber dem DK keine Stellung nehmen.

Der erste öffentliche Hinweis auf den mutmaßlichen Strahlenunfall war am frühen Freitagmorgen von der am Rande ebenfalls in den nächtlichen Großeinsatz eingebundenen Freiwilligen Feuerwehr Bad Abbach gekommen. Sie hatte auf ihrer Homepage von einem "Gefahrstoffunfall" in einem Manchinger "Industriebetrieb" gesprochen. Schon nachts zuvor waren zudem im Online-Netzwerk "Jodel" aufgrund eines offensichtlichen Insiderhinweises wilde Spekulationen über den Großeinsatz bei Airbus angestellt worden.

Auf diese Vorgänge war Blogger Thöne angesprungen, der als lange im Rettungsdienst aktiver Ehrenamtlicher und als Kommunalpolitiker (als Stadtrat sitzt er auch in Gremien, die sich mit Katastrophenschutz und Rettungsdienst befassen) große Erfahrung mit diesem Themenkomplex hat. Thöne ließ mit seiner Mitteilung auch "große" Medien bis zur Deutschen Presseagentur (dpa) und zum Mainzer ZDF aufmerken. Diese gaben sich allerdings dann mit den Airbus-Auskünften zu einem Fehlalarm zufrieden; dpa veröffentlichte eine kurze Meldung, die auch beim DK online erschien.

Der DK recherchierte allerdings anschließend ausführlich und veröffentlichte seinen Bericht in der Samstagausgabe (und zudem nochmals online) - ohne als lokales Medium zuvor auch nur den geringsten Hinweis auf den nächtlichen Großeinsatz von den offiziell eingebundenen Behörden erhalten zu haben.

Über das Ausbleiben einer zeitnahen offiziellen Information der lokalen Medien ist man inzwischen im Pfaffenhofener Landratsamt recht unglücklich. Die dortige Katastrophenschutzbehörde war zunächst einmal für die Einsatzabläufe bei Airbus in Manching zuständig; die Kreisverwaltung wäre formell auch erster Ansprechpartner für die Presse gewesen.

Landratssprecher Christian Degen hatte dem DK am Freitagnachmittag auf Anfrage auch Rede und Antwort gestanden. Wie er gestern sagte, hatte er aber noch in der Nacht zuvor dazu geraten, sofort mit einer offiziellen Mitteilung über den Einsatz an die Öffentlichkeit zu gehen und daraufhin die Antwort bekommen, dass Airbus und Polizei sich um diesen Part kümmern wollten. Erst am Freitagmorgen, so Degen, habe er dann erfahren, dass keine Benachrichtigung erfolgt sei.

Wie Airbus-Sprecher Taitsch dem DK gestern sagte, sei die Entscheidung, nicht an die Öffentlichkeit zu gehen, im Ingolstädter Polizeipräsidium Oberbayern Nord getroffen worden - mit der Begründung, dass kein tatsächlicher Notfall vorgelegen habe. Präsidiumssprecher Hans-Peter Kammerer war gestern Abend für den DK nicht mehr für eine diesbezügliche Auskunft erreichbar.

Wie brisant der Fall eines möglichen Strahlenunfalls im Manchinger Flugzeugwerk in der Nacht zum Freitag bei den Rettungskräften und der Einsatzleitung zunächst eingeschätzt worden war, verdeutlicht die Einbindung der Münchner Berufsfeuerwehr mit drei Löschzügen, darunter eine speziell auf radioaktive Verseuchungen versierte Spezialistengruppe. Zudem sollen nach DK-Informationen vorsorglich bis in den Münchner Raum hinein Kliniken auf die Aufnahme von Strahlenopfern vorbereitet worden sein.

DK

Bernd Heimerl