Ingolstadt
Ein Bild von einem Patrioten

Romani Rose, oberster Repräsentant der Sinti und Roma, schenkt der Stadt Ingolstadt zwei Gemälde

06.07.2018 | Stand 23.09.2023, 3:40 Uhr
Oktober 2017 Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. −Foto: Kumm/dpa

Ingolstadt (DK) Er möchte der Bundesrepublik und ihrer Gesellschaft aus Dankbarkeit etwas zurückgeben. Deshalb schenkt Romani Rose, seit 1982 Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, dem Deutschen Medizinhistorischen Museum in Ingolstadt und dem Bayerischen Armeemuseum jeweils ein historisches Gemälde aus seinem Privatbesitz. Nach der öffentlichen Übergabe am nächsten Montag im Schloss spricht der überzeugte "deutsche Verfassungspatriot" über "Heimat und Identität".

Er hat Ingolstadt offenbar in guter Erinnerung behalten. Im Oktober vergangenen Jahres besuchte Romani Rose als Ehrengast die Eröffnung der Ausstellung "Rassendiagnose: Zigeuner" im Neuen Schloss. Sie beleuchtete mit vielen Quellen die jahrhundertelange Diskriminierung der Sinti und Roma, deren Verfolgung und Ermordung in der Zeit der NS-Diktatur - und den langen Weg der Minderheit zu gesellschaftlicher Anerkennung. Rose, seit 36 Jahren Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, hat es an jenem Abend auch sehr gefreut, dass viele Soldaten der Bundeswehr und Polizisten in Uniform zur Eröffnungsfeier gekommen waren, wie er in seiner Rede ausdrücklich betonte.

Nächsten Montag kehrt Rose nach Ingolstadt zurück. Er stiftet für das Bayerische Armeemuseum und das Deutsche Medizinhistorische Museum je ein Werk aus seiner Privatsammlung; er war früher Kunsthändler. Das Museum in der Alten Anatomie bekommt ein Ölgemälde, das Hermann Otto Rüger um 1900 schuf. Es zeigt einen Arzt, der am Bettrand sitzend einem kranken Buben den Puls fühlt. Dahinter steht voller Sorge die Mutter; eine rührende Szene. Das Armeemuseum erhält das Porträt eines unbekannten badischen Offiziers, gemalt von Erwin Emerich (1876 bis 1960) aus Straßburg.

Er stifte die Bilder als Privatmann, nicht als Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, diese Unterscheidung ist dem 71-Jährigen wichtig, wie er am Freitag dem DK erzählte. Natürlich lassen sich sein persönliches Wirken und seine öffentliche Funktion nicht vollständig trennen. Rose, ein überzeugter "deutscher Verfassungspatriot", wie er betont, verbindet mit seiner Gabe eine Botschaft: Bei seiner jahrzehntelangen Bürgerrechtsarbeit habe er "sehr viele positive Erfahrungen mit Menschen gemacht, die mich unterstützt haben". Die Bundesrepublik habe auch seiner Familie einiges gegeben. "Ich bin froh und stolz darauf, diese beiden Bilder diesem Land und auch der Stadt Ingolstadt zu geben und damit meine Dankbarkeit zu zeigen. Das erfüllt mich mit Freude."

Warum beschenkt er die Ingolstädter? Am Anfang stand ein Gespräch mit Ansgar Reiß, dem Leiter des Bayerischen Armeemuseums, und Kulturreferent Gabriel Engert, nach der Eröffnung der Ausstellung "Rassendiagnose: Zigeuner", erzählt Rose. "Dabei hat es sich ergeben zu erwähnen, dass ich eigentlich aus dem Kunsthandel komme. Und da habe ich ihnen gesagt, dass ich ein wunderschönes Bild eines badischen Offiziers habe, das von einem sehr bekannten Maler gemalt wurde, und dass ich es der Stadt Ingolstadt sehr gerne übereignen würde."

Bei dieser Gelegenheit erfuhr der Gast, dass es in Ingolstadt noch ein Medizinhistorisches Museum gibt. Da fiel ihm gleich das nächste passende Werk aus seiner Sammlung ein: der Arzt am Bett des kranken Buben. Rose versprach, auch dieses Bild der Stadt zu schenken.

Das große Interesse an der Ausstellung im Schloss hat ihn sehr gefreut. Und ganz besonders, wie er hervorhebt, die starke Präsenz der Soldaten und Polizisten:. "Das hat mich tief berührt! Das war ein Zeichen für das Interesse an unserer Minderheit und ein Zeichen unserer Zugehörigkeit zur Gesellschaft."

Wegen ihrer langen Geschichte in diesem Land haben sich die Sinti "immer deutsche Sinti genannt, das waren wir schon seit Jahrhunderten". Bis die Nationalsozialisten die "Zigeuner" als "rassisch minderwertig" diffamierten, sie systematisch verfolgten und ermordeten; fast 500000 Sinti und Roma fielen dem Terror der Nazis zum Opfer.

"Ein schwieriges Thema", sagt Romani Rose. "Aber ich kann da ganz unbefangen einsteigen, aus dem einfach Grund, weil ich meine nationale Identität in diesem Land wiedergefunden habe." Die Überlebenden und ihre Kinder wurden im Ringen um Akzeptanz jedoch noch lang von Anfeindungen und bösen, zähen Vorurteilen gegenüber "Zigeunern" begleitet. Aber sie gewannen ihre "Heimat und Identität" zurück - die Schlüsselbegriffe des Festvortrags, den Rose nach der Übergabe der Gemälde im Schloss halten wird.

In beiden beschenkten Museen ist die Freude groß. Die Gemäldesammlung des Medizinhistorischen Museums umfasst rund 100 Bilder, berichtet Marion Ruisinger, die Leiterin. Eines wie den "Arzt beim Hausbesuch" von Hermann Otto Rüger habe man noch nicht. Ruisinger geht davon aus, dass es eine Auftragsarbeit des Arztes ist. "Interessant ist, dass der Mediziner auf dem Bild den Puls des sichtbar kranken Buben fühlt, dabei aber nicht - wie es um 1900 zu erwarten wäre - auf eine Taschenuhr blickt. Sein Blick ist in die Ferne gerichtet. Er ist die einzige der drei Figuren neben dem Buben und der besorgten Mutter, die aus dem Bild heraus orientiert ist und so quasi Kontakt mit dem Betrachter aufnimmt." Ruisinger freut sich sehr darauf.

Die öffentliche Veranstaltung im Rahmen der Reihe "Forum Armeemuseum" beginnt am Montag, 9. Juli, um 18 Uhr im Neuen Schloss. Der Eintritt ist frei. Vor Romani Roses Festvortrag spricht Ludwig Spaenle ein Grußwort. Der langjährige bayerische Kultusminister ist seit März Beauftragter der Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe.

Johannes Hauser, Christian Silvester