Ingolstadt
Drent' in der Unter'n Au

Waldbegehung des Stadtrats und des Naturschutzbeirats im Südosten der Stadt

11.06.2018 | Stand 02.12.2020, 16:15 Uhr
Die Veränderungen im Auwald im Südosten der Stadt erläuterte Stadtförster Hubert Krenzler (Mitte) anhand von Karten aus verschiedenen Jahrzehnten. −Foto: Fotos: Eberl

Ingolstadt (DK) Die Donauauen im Osten Ingolstadts waren das Ziel der mehrmals verschobenen Waldbegehung. Die Stadträte und Mitglieder des Naturschutzbeirats lernten viel dazu - unter anderem den Standort des mächtigsten Baums von Ingolstadt.

Wer den genauen Platz nicht kennt, wird den Baum vermutlich nie finden, so versteckt liegt er in der Auenlandschaft. Umso beeindruckender ist der Riese, wenn man vor ihm steht. Der mächtigste Baum im Stadtgebiet ist eine riesige Schwarzpappel mit einem Stammumfang von rund vier Metern. Das Alter kann der städtische Förster Hubert Krenzler nur schätzen. "Der dürfte nicht älter als 150 Jahre sein." Nur noch wenige Tausend Exemplare gibt es deutschlandweit von dieser Art, die auf der roten Liste steht. "Es fehlt die Flussdynamik", sagt Krenzler, weshalb sich keine Brachflächen bilden, die der Baum benötigt, um zu keimen. Dass der Methusalem (der übrigens dem Freistaat Bayern gehört) im Osten der Stadt überlebt hat, liegt an seinem geringen Holzwert. Mittlerweile wird diese seltene Art nachgepflanzt.

Die riesige Schwarzpappel war sicherlich die beeindruckendste Station der Waldbegehung. Krenzler wies die Teilnehmer dabei auf das seit rund zehn Jahren auch in Ingolstadt grassierende Eschentriebsterben hin sowie auf den heuer massenhaft auftretenden Eichenprozessionsspinner, der für den Menschen höchst gefährlich ist - ja nicht anfassen!

Zu Beginn hatte die Gruppe in der Unteren Au im Südosten Halt gemacht, wo Krenzler unweit des Pioniergeländes die Geschichte des Waldbesitzes der Stadt und dessen Struktur erläuterte. Im Jahr 1803 hatte die Stadt fast ihren gesamten Waldbesitz verkauft, alles in allem über 3000 Hektar. "Vieles davon wurde gerodet", so Krenzler. Mit der Änderung des Donaulaufs fiel wieder Waldfläche als herrenloses Land an Ingolstadt.

Von Natur aus kommen im südöstlichen Auwald der Stadt Laubmischwälder vor: Eiche, Esche, Ulme, Pappeln und Erle. Bis 1951 wurde der größte Teil dieses Waldes als Niederwald bewirtschaftet und alle zwölf Jahre auf den Stock gesetzt. Die Menschen brauchten Brennholz, weshalb kaum ältere Bäume aus dieser Zeit stehen blieben. 1951 entschloss sich die Stadt zu einer Änderung der Bewirtschaftung: vom Auwald zum Hochwald. Wurden in den 50er-Jahren vor allem Kulturpappelbestände angelegt, die sich jetzt zum Laubmischwald entwickeln sollen, folgten im Jahrzehnt darauf vor allem Edellaubhölzer wie Esche oder Ahorn.

Eine Besonderheit stellt der Wald in der Kälberschütt dar, eine weitere Station der Begehung. 1962 wurden auf diesem ehemaligen Erweiterungsgelände der Eriag-Raffinerie alle verwertbaren Bäume gefällt. Nur junge Exemplare blieben übrig. Dieser relativ junge Wald hat sich laut Krenzler in mehr als einem halben Jahrhundert völlig ohne Zutun des Menschen entwickelt und soll auch künftig nicht genutzt werden. Für diesen Nutzungsverzicht von 31 Hektar Wald gibt es sogar Geld: 37000 Euro erhält die Stadt dafür in zwölf Jahren.

Neben einem Biberdamm an einem Bachlauf und Magerrasen mit seltenen Tier- und Pflanzenarten führten Krenzler und Monika Weber vom Umweltamt der Stadt die Teilnehmer auch zu Brennen (in Ingolstadt "Schittl" genannt), die in einem Jahr innen und im nächsten Jahr außen gemäht werden. Bei Wiesen, die einmal im Jahr unter das Sensenblatt kommen, ist der Zeitpunkt entscheidend, welche Blumenart sich entwickelt und welche nicht. Tut man gar nichts, nehmen die Silberpappeln wie Unkraut überhand. Bei Exkursionen pflegt Weber mit jedem Teilnehmer zehn oder noch mehr dieser jungen Bäume auszureißen - aber es sind immer noch Unmengen. Probleme haben die Umweltschützer auch mit der Goldrute, wie an einer Erstanpflanzung aus dem Jahr 1992 zu sehen war. Wo die Eschen dort absterben, verbreitet sich der Eindringling aus Nordamerika hemmungslos.

Bienenstände unter einer umgestürzten Linde, die an einer Eiche hängengeblieben ist und noch munter wächst, boten mitten im Auwald ein überraschendes Bild. Doch die Zahl der Imker wächst wieder, weil die Jugend Interesse daran findet. "In den letzten fünf Jahren hatten wir 20 neue Imker im Wald der Stadt", freut sich Krenzler. Insgesamt sind es damit wieder über 40.

Faszinierend war für die Stadträte der Anblick einer Esche mit einem langen Spalt, einer von fast 1000 Biotopbäumen im Stadtwald. Seltene Tierarten wie etwa Fledermäuse finden in dem Riss ihr Quartier.

Die meisten Stadträte waren von der mehrstündigen Waldbegehung trotz großer Hitze sehr angetan. "Man bekommt wieder Lust auf die Natur", sagte Manfred Schuhmann, der als alter Vogelbeobachter das Gebiet schon kannte. "Sehr informativ", lautete das Fazit von Karl Ettinger, während Hans Stachel sicherlich im Namen der meisten Räte sprach: "Die Stadt ist so groß, dass man nicht mehr alles kennt." Bürgermeister Albert Wittmann lobte die Schönheit und betonte die Schutzwürdigkeit des Auwalds, Umweltreferent Rupert Ebner bezeichnete es als eine "weise Entscheidung" des Stadtrats, im Jahr 1980 die Kälberschütt, damals Erweiterungsfläche für die Raffinerie und jetzt Naturschutzgebiet, wieder zurückgekauft zu haben. "Das war ein mutiger Schritt in einer Zeit, als es der Stadt nicht so gut ging", betonte Ebner. Manfred Schuhmann war übrigens einer von nur drei Stadträten, die zuvor gegen den Verkauf gestimmt hatten. Auch die Politik des Forstamts lobte der Umweltreferent. "Das zeigt, dass man auch über Programme Geld erwirtschaften kann und nicht nur durch Fällungen."