Ingolstadt
Digitalisierungsschub am Landgericht

E-Akte und Verhandlungen per Videokonferenz eingeführt - "Dieselflut" ebbt nur langsam ab

24.01.2022 | Stand 22.09.2023, 23:26 Uhr
Noch türmen sich in Schränken, Regalen und auf Schreibtischen die Akten. Doch seit 2021 können Richter Jürgen Häuslschmid (Foto) und seine Kollegen auch E-Akten nutzen. −Foto: Hammer

Ingolstadt - Gut 4000 Zivilverfahren in erster Instanz waren Ende des abgelaufenen Jahres noch offen, über die Hälfte davon hängt mit der Dieselaffäre im VW-Konzern zusammen: Der Abgas-Skandal wird das Landgericht Ingolstadt wohl noch eine ganze Weile beschäftigen.

Aber er hat der Behörde nicht nur sehr viel Arbeit eingebracht, sondern auch der Digitalisierung einen ordentlichen Schub verpasst. Das wurde beim Jahrespressegespräch der Justizbehörde am Montag deutlich.

Abgas-Verfahren verursachten Aktenflut

Hoch türmen sich die Aktenberge im Landgericht Ingolstadt - in Regalen, auf Schreibtischen und in langen Schrankreihen auf den Fluren. Die brandschutzkonformen Metallschränke wurden extra für die Papiermassen, die ab Ende 2018 in Zusammenhang mit den Verfahren rund um den Abgas-Skandal angefallen sind, angeschafft. Zum Höhepunkt der Dieselwelle im Jahr 2020 waren über 4300 Verfahren eingereicht worden, 2021 waren es 2900 - eine Entspannung auf immer noch hohem Niveau. Die Schriftsätze mussten zunächst alle ausgedruckt und sorgsam gebündelt gesammelt werden, auch dann, wenn sie eigentlich digital eingegangen waren. "In Spitzenzeiten wurden am Tag 25000 bis 30000 Seiten ausgedruckt", erinnern sich die Richter Jürgen Häuslschmid und Thomas Schlappa, die als Pressesprecher tätig sind. Um der Papierflut Herr zu werden, wurde Mitte Mai 2021 die E-Akte für neue Verfahren im Bereich des Zivilrechts eingeführt. Hier nimmt die Justizbehörde in Ingolstadt eine Vorreiterrolle ein. Statt schwere, zusammengeschnürte Bündel hin- und herzutragen oder auf Wägen durch die Flure zu schieben, kann man nun von überall her auf die elektronischen Akten zugreifen und sogar eine Such-Funktion nutzen. Besonders praktisch ist das auch für die Arbeit aus dem Home-Office. Um den Mitarbeitern die Lektüre der Schriftstücke auf dem Bildschirm zu erleichtern, wurde die Büroausstattung entsprechend aufgerüstet.

Verhandlungen per Videokonferenz

Nicht nur Akten wurden 2021 am Landgericht Ingolstadt digitalisiert, auch Verhandlungen und weitere Termine können seit gut einem Jahr in den virtuellen Raum verlegt werden. So war auch die Presse erstmals in Form einer Videokonferenz zum Jahresgespräch geladen. Dieses Vorgehen eigne sich nicht für alle Verfahren, betont Thomas Schlappa. Doch für Standardangelegenheiten wie kurze Termine in Diesel-Abgas-Verfahren oder wenn die Beteiligten lange Reisezeiten hätten, wird die neue Konferenzanlage gerne genutzt. Hinzu kommt, dass dieses Vorgehen in Pandemie-Zeiten, in denen Kontaktreduzierungen angezeigt sind, Corona-konforme Zusammenkünfte ermöglicht. Zudem wurden Microsoft Teams für die Zusammenarbeit untereinander, zum Beispiel aus dem Home-Office, eingeführt.

Behörde wurde personell aufgestockt

Das Bayerische Justizministerium und das Oberlandesgericht München haben das Landgericht Ingolstadt seit 2017 mit acht neuen Richterstellen verstärkt, auch der Personalstamm in der Verwaltung wurde erweitert. In den Jahren 2018, 2019 und 2020 wurde jeweils eine zusätzliche Zivilkammer neu eingerichtet. Auch an der Spitze des Landgerichtes hat sich etwas getan. Bei der Jahrespressekonferenz konnte Behördenleiterin Elisabeth Kurzweil einen Personalwechsel verkünden: Seit Anfang des Jahres ist Anna Maria Böswald die neue Geschäftsleiterin. "Mit Frau Böswald haben wir eine sehr erfahrene Kollegin gewinnen können", freut sich Kurzweil. Böswald war bereits in selber Funktion am Amtsgericht Ingolstadt tätig.

Um Mitarbeitern und Besuchern ein sicheres Umfeld zu gewährleisten, gilt am Landgericht aktuell grundsätzlich das 3G-Prinzip. "Aber dies gilt nicht für rechtsuchende Personen", betont Kurzweil. Wer zu einer Sitzung oder Vernehmung geladen ist oder dringend eine rechtliche Auskunft benötigt, darf das Gebäude trotzdem betreten.

ubs

Ulrike Seitz