Ingolstadt
Völlig ausgetickt

Tag eins des handyfreien Selbstexperiments: Ein Standwecker muss für das Smartphone einspringen

16.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:39 Uhr
Lieblos und schrill geweckt: Der Standwecker als Ersatz für die zarten Töne vom Smartphone. −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Die Zeitbombe neben mir tickt. Im silbernen Gehäuse, das große Glockenpaar steht wie Alienantennen ab. Unerbitterlich wandert der Zeiger weiter. Tick, tack.

Es war die erste Amtshandlung meiner smartphonefreien Woche: Der Kauf eines Weckers. Bisher habe ich praktischerweise immer den digitalen auf dem Handy genutzt. Praktisch, und vor allem, ohne dieses elendige Ticken. Aber wenn schon analog, dann richtig: Ein batteriebetriebener Standwecker, ohne digitale Anzeige, musste es deswegen sein. Über sechs Stunden habe ich gestern insgesamt am Handy verbracht. Es war der letzte Tag vor meiner einwöchigen Abstinenz. Selbstverständlich habe ich das mit einer App gemessen - mit was auch sonst?

Tick, tack. Der lange Zeiger hat mittlerweile schon eine ganze Runde gedreht. Mitternacht ist schon vorbei. Mit dem Smartphone scheinen Minuten, gar Stunden, immer wie im Flug zu vergehen, ganz anders als mit diesem blechernen Zeitgenossen. Jede Sekunde verstreicht mit einem Ticken. Im Bett rumgewälzt, Kissen über den Kopf gezogen. Nein, schlechte Idee. Lieber morgen unausgeschlafen als jetzt erstickt.

Tick, tack. An Schlaf ist nicht zu denken. Es hilft alles nichts. Der Wecker wird ins Exil verbannt, einige Meter Sicherheitsabstand vom Bett entfernt. Außerdem, um zu vermeiden, dass er morgen in hohem Bogen aus dem Fenster fliegt. Dann endlich versinkt die Welt langsam im Schwarz. Zumindest kurz: Tick, tack. Es ist drei Uhr nachts. Die Hand tastet das Fensterbrett ab, wo er sonst ruht: Mein digitaler Schatz, zuverlässig am Ladekabel hängend. Aber heute liegt das Smartphone einsam in einer Schachtel verstaut in der Redaktion. Ob es mich auch so vermisst?

Tick, tack. Es schellt, es klingelt, es scheppert. Dieses vermaledeite. . . Kein sanftes Dudeln, kein Snooze-Knopf, kein guter Morgen. Die Augen kleben noch etwas. Schief bimmelt und klappert es weiter, bis ich ihn endlich zum Schweigen bringe. Tief ein- und ausatmen. Nur noch sechs Mal schlecht schlafen.

Anna Hausmann