Ingolstadt
Die Verbindung wird gehalten

Mit dem Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes kommen womöglich auf alle Stadtteile Debatten und Protest zu

04.03.2021 | Stand 23.09.2023, 16:42 Uhr
Mobilfunk der neuesten Generation: Bau einer Basisstation nahe dem Audi-Werk im Herbst vergangenen Jahres. −Foto: Eberl (Archiv)

Ingolstadt - Geht es um die Netzabdeckung für das mobile Telefonieren, bleibt der Begriff flächendeckend nie aus.

Er kommt ursprünglich - so heißt es - aus dem Fachwortschatz der Artillerie und bezeichnet das Ziel, ein feindliches Terrain möglichst gleichmäßig mit Geschossen zu bedecken. Die Bedeutungsverschiebung der flächendeckenden Beachtung ei-nes Gebiets hin zur friedlichen Handynutzung ließ die kriegerische Herkunft dieses Wortes vergessen. Gleichwohl: Seit in der Bundesrepublik ein Mobilfunknetz betrieben und weiterentwickelt wird (es begann in den frühen Neunzigern; das ältere C-Netz der Bundespost sei hier nicht mitgezählt) gibt es vielerorts Ärger. Funkmasten - im Fachjargon Basisstationen - lösen in der Bevölkerung Ängste vor Strahlenbelastung aus. Sorgen um die Gesundheit und das Wohlbefinden wachsen, so scheint es, mit jedem technischen Entwicklungsschritt.

Derzeit bauen die konkurrierenden Mobilfunkanbieter den neuesten Standard aus: die 5G-Technologie. Das Ziel: ein möglichst flächendeckendes Netz. Und erneut trifft die Ausbreitung auf Widerstand, der ebenfalls sichtlich breiter wird. Tendenz: flächendeckend.

Debatten-Hotspots: Wie berichtet, beschäftigte eine neue Basisstation für Etting mehrere Stadtratsgremien. Sie bleibt ein brisantes Thema in der Bevölkerung. Die Sendeanlage auf dem Dach eines Geschäftshauses an der Kipfenberger Straße muss bis Mitte des Jahres abgebaut sein. Die Stadt Ingolstadt unterstützt den Betreiber - Vodafone - bei der Suche nach einem Ersatzstandort für einen Funkmasten. Der scheint nun gefunden zu sein: Auf einem Acker nordöstlich von Etting, an der Nordumgehung, etwa 150 Meter vom Kreisel entfernt. In unmittelbarer Nähe gibt es keine Wohnhäuser, allerdings ein Firmengelände. Hier sind noch einige Fragen offen.

Mit der Erweiterung des 5G-Netzes in Ingolstadt könnte das brisante Thema von Bezirksausschuss zu Bezirksausschuss wandern. Nach Etting ist es im BZA Südwest angekommen. Wie berichtet, will die Telekom einen 5G-Handymasten am südwestlichem Rand des Südfriedhofs errichten. Doch das Bürgergremium mag sich mit der Nähe zum Wohngebiet zwischen dem Aldi an der Fauststraße und der Straße An der Lagerschanze nicht recht anfreunden. BZA-Vorsitzender Stefan Huber (CSU) will noch einmal eine Installation der Anlage einige hundert Meter weiter südlich Richtung Gartenamt prüfen lassen. Der BZA Südwest behält auch im Blick, wie weitreichend bei einer Verschiebung des Standorts der Eingriff in den zweiten Grünring der Stadt zu bewerten wäre. Das nächste heikle Thema.

Geplante Standorte für 5G-Basisstationen: Im Ingolstädter Stadtgebiet sind nach Auskunft der Stadt derzeit über 130 Mobilfunkstandorte registriert. Man kann sie auf einer Karte auf der Homepage der Bundesnetzagentur ansehen. Sie werden nun nach und nach auf 5G umgestellt. Wie viele Basisstationen der neusten Generation in naher Zukunft in Ingolstadt geplant sind, war noch nicht zu ermitteln. Die bisherigen Reaktionen lassen aber den Schluss zu: Da kommt einiges auf die Stadt zu - Klärungsbedarf, Diskussionen, Einwände und offener Widerstand.

Protest in der Bevölkerung und Forderungen aus dem Stadtrat: Christian Höbusch, Co-Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat, weist in einer Pressemitteilung darauf hin, dass im Süden der Stadt Flyer der Bürgerinitiative "5G ohne uns" kursieren. Die lehnt das Projekt ab. Er erwarte ähnliche Proteste in weiteren Ingolstädter Stadtteilen. Die Grünen "blicken kritisch auf den nun immer mehr beginnenden 5G-Ausbau", sagt Höbusch.

Er schickt voraus: "Grundsätzlich bieten die Entwicklung und Nutzung moderner Technologien stets Chancen, sie erfordern aber auch eine genaue Abwägung von möglichen Risiken. Vor der Einführung neuer Technologien ist daher immer eine umfassende Technikfolgen-Abschätzung angezeigt, wenn Zweifel an der Verträglichkeit und dem Schutz von Umwelt und Gesundheit bestehen. " Da gebe es indes noch großen Forschungsbedarf.

Die Grünen fordern: "Der Ausbau des 5G-Netzes ist so zu gestalten, dass Schäden an Umwelt und Gesundheit nach dem vorliegenden Wissensstand ausgeschlossen werden können. Gerade sensible Personengruppen, wie Schwangere und Kinder, müssen besonders berücksichtigt werden. "

Bezogen auf den geplanten Standort am Südfriedhof oder möglicherweise beim Gartenamt bedeute dies, dass - ausgehend von einer Reichweite einer 5G-Antenne bis zu einem Kilometer - auf die städtischen Kitas im Umfeld (Grüne Insel, Südwind, womöglich auch die Kleine Welt in Unterbrunnenreuth) und die Kita St. Antonius besonders Rücksicht zu nehmen sei, so Höbusch. Für die Grünen seien diese Standorte "keineswegs alternativlos". Er betont: "Ich kann die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger sehr gut nachvollziehen. Es gilt aber das gesetzliche Vorsorgeprinzip. " Allerdings wird "noch darüber zu sprechen sein, ob die Stadt die Nutzung des Südfriedhofs oder des Gartenamts zulässt. Wenn sich der Mast rechtlich leider nicht mehr verhindern lassen wird, fordern wir vom Betreiber auf jeden Fall die Installation und Finanzierung eines Forschungsstützpunktes auf dem geschützten Areal des Gartenamtes, um dort die Auswirkungen der 5G-Technik auf Pflanzen, Tiere und Mensch zu untersuchen".

Wissenschaftler beruhigen: Ende 2020 bot die städtische IFG via Zoom eine Informationskonferenz zum Thema 5G. Vorstand Georg Rosenfeld, ein Physiker, der jahrelang für die Fraunhofer-Gesellschaft gearbeitet hat, und zwei weitere Wissenschaftler erläuterten die Technologie und beantworteten Fragen. Das Resümee der Experten ließ sich so zusammenfassen: Die 5G-Technik sei nichts wirklich Neues, funktioniere aber anders und damit effektiver. Keiner müsse Angst haben. 5G schaffe "zusätzliche Kapazitäten und könne Strahlungsleistung zielgenauer abgeben", so Jens Kuhne, wissenschaftlicher Referent im Bundesamt für Strahlenschutz. Die gesundheitlichen Folgen des Mobilfunks seien gut untersucht. Nach heutiger Kenntnis könne man sagen: "Bei Einhaltung der Grenzwerte sind keine gesundheitsschädigenden Effekte zu erwarten. "

DK


Christian Silvester