Manching
Die Hoffnung schwebt am Himmel

Der Verein Flying Hope stellt kostenlose Flüge für Familien mit kranken Kindern bereit

14.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:21 Uhr
Mit einer Cessna 425 Conquest flogen die beiden Piloten Ulrich Huber (l.) und Tilman Tertel die schwerstbehinderte Emma und ihre Mutter in ihrer Freizeit von Bremen nach Manching, wo die Zehnjährige von Großvater Siegfried Habermeier abgeholt wurde. Eine Bahn- oder Autofahrt wäre für das Mädchen viel zu anstrengend. −Foto: Pehl

Manching/Ingolstadt - Entspannt sitzt Peter Baustetter in der kleinen Empfangshalle am östlichen Ende des Flugplatzes Manching und schaut sich auf seinem Laptop die Begegnung Preußen Münster - FC Ingolstadt an.

 

Der Geschäftsführer der IMA, der Gesellschaft zur zivilen Mitbenutzung des Flugplatzes Ingolstadt/Manching, ist allein im Gebäude. Viel gibt es für ihn seit Ausbruch der Corona-Pandemie ohnehin nicht mehr zu tun, das Geschäft ist stark zurückgegangen.

An diesem heißen Samstagnachmittag ist Baustetter nur wegen einer einzigen Landung an seinen Arbeitsplatz gekommen. Lange warten muss er nicht. Kurz vor Ende der Übertragung der torlosen Drittliga-Begegnung schwebt eine kleine Maschine ein und rollte nur wenige Meter vor den Hallen aus. Business as usual, möchte man meinen - dennoch ist es kein Flug wie jeder andere. Baustetter verlangt keine Gebühren und stellt die Infrastruktur sogar gern zur Verfügung. Fünf, sechs Mal im Jahr macht er das in Manching, immer dann, wenn Flying Hope im Anflug oder am Start ist. "Das sind immer Kinder aus der Region", weiß Baustetter aus Erfahrung.

Derweil ist Siegfried Habermeier mit seinem Auto herangefahren. Nachdem die Piloten Tilman Tertel und Ulrich Huber ausgestiegen sind, trägt er seine Enkeltochter Emma ins Auto. Die Zehnjährige leidet an einem sehr seltenen Gendefekt und hat schwerste Behinderungen. Sie schläft, der Flug hat sie wie auch ihre Mutter völlig erschöpft. Diese bedankt sich noch bei den Piloten mit Hallertauer Hopfenschokolade, dann fährt Siegfried Habermeier mit Schwiegertochter und Enkelin nach Hause.

Nicht einmal eineinhalb Stunden haben sie von Bremen aus nach Manching gebraucht, erzählen Tertel und Huber. Die zweimororige Cessna 425 Conquest I ist eine Turboprop-Maschine mit Druckkabine. "Unsere Flughöhe liegt bei 24000 Fuß", erzählen die beiden: "Wir fliegen über dem Wetter. " Doch ausgerechnet während der letzten Minuten konnten sie etlichen Turbulenzen nicht ausweichen, was Emma ziemlich mitgenommen hat.

Ulrich und Tertel haben beide eine Berufspilotenlizenz und fliegen in ihrer Freizeit ehrenamtlich für Flying Hope. Gleich am Sonntag ist schon der nächste Transport. "Wir sind immer zu zweit", erzählen sie: Der eine fliegt, der andere kümmert sich um die Passagiere, und auf dem Rückweg tauschen sie die Rollen. Ihre Freizeit opfern sie gerne, denn sie wissen, dass ihren Passagieren eine Fahrt mit Pkw, Bahn oder Bus nicht zuzumuten ist.

"700 Kilometer nach Syke, das geht nicht", bestätigt Marco Habermeier. "Und selbst der Flug ist anstrengend. Emma ist aufgeregt, sie versteht es nicht", berichtet ihr Vater. In Syke nahe Bremen ist eines von einem Dutzend Kinderhospizen in Deutschland. Dort werden schwerstkranke Kinder mit "lebenslimitierenden Krankheiten" (so die offizielle Bezeichnung) samt deren Familien aufgenommen. "Das ist für uns die einzige Möglichkeit, gemeinsam Urlaub zu machen", sagt Habermeier. Fünfmal war die Familien aus Pfaffenhofen schon dort, normalerweise mit Emmas beiden Geschwistern, was jedoch diesmal coronabedingt nicht möglich war. Also wurde Emma mit ihrer Mutter dank Flying Hope nach Bremen geflogen, während Vater Marco im VW-Bus mit sämtlichen Hilfsmitteln, Rollstuhl und Gepäck Richtung Norden fuhr. "Flying Hope ist eine hervorragende Sache", zieht Habermeier Bilanz. Er meldet sich stets rechtzeitig vorher an, und bisher habe immer alles hervorragend geklappt. Großen Respekt zollt er auch den Piloten und den Flughäfen, die nichts verlangen. "Das ist keine Selbstverständlichkeit. "

DK

 

Bernhard Pehl