Der letzte Weg des Sondermülls

08.10.2019 | Stand 02.12.2020, 12:53 Uhr
Schräglage: An einem an einer Raupe befestigten Seil hängt die Walze, die die verfüllte Schlacke verfestigt, damit das Material nicht rutscht (oben). Das Oberflächenwasser wird abgepumpt. Bereits bei der Anlieferung werden die verschiedenen Chargen Abfall getrennt (Mitte unten). Deponieleiter Thomas Reiter (r.) präsentiert ein Drainagerohr, während GSB-Geschäftsführer Dominik Deinzer sich beim Tag der offenen Tür auch am Glücksrad für die Kinder nützlich macht. -Fotos: Pehl −Foto: Pehl, Bernhard, Ingolstadt

Raindorf/Ingolstadt (DK) Die Verbrennungsanlage GSB in Baar-Ebenhausen kennt in der Region wohl jeder. Doch kaum jemand weiß, wo die Schlacke später gelagert wird. Ein Besuch in Bayerns einziger aktiver Sondermülldeponie der Klasse III in Raindorf bei Fürth

Nur ein paar hundert Einwohner zählt das mittelfränkische Dorf Raindorf, das im Zuge der Gebietsreform nach Veitsbronn eingemeindet worden ist. Dennoch ist für die Einwohner des gesamten Freistaats der nur wenige Kilometer von Fürth und Nürnberg entfernte Weiler von größter Bedeutung - was freilich kaum jemand ahnt. Denn in Raindorf befindet sich die einzige aktive Sondermülldeponie der Klasse III in ganz Bayern. Darauf können Abfälle deponiert werden, die mehr Schadstoffe enthalten, als die Klassen 0 bis II erlauben, und deswegen müssen spezielle bauliche und sicherheitstechnische Voraussetzungen erfüllt werden. Beim Tag der offenen Tür wurde diese Anlage für teilweise gefährliche Abfälle jetzt der Öffentlichkeit vorgestellt.

Rund 188000 Tonnen Sonderabfälle hat die GSB in Baar-Ebenhausen im vergangenen Jahr verbrannt und damit merklich weniger als die Jahre zuvor, als die Menge jeweils bei über 200000 Tonnen lag. Dennoch fällt nach der Verbrennung ein großer Haufen Schlacke an, der entsorgt werden muss. Und das passiert eben in Raindorf, wo anorganische Abfälle, entwässerte Schlämme und Schlacken, mineralisches Schüttgut, Kesselasche, Filterkuchen, Strahlsand aus der Automobilindustrie etc. dauerhaft gelagert werden.

Nachdem nach Schwabach im Februar 2017 auch Gallenbach im Landkreis Aichach-Friedberg verfüllt wurde, ist Raindorf die einzige verbliebene Deponie der Klasse III im Freistaat. Nach Angaben der GSB fallen je nach Konjunktur in ganz Bayern jährlich ungefähr 60000 Tonnen Sonderabfälle der Klasse III an, wovon drei Viertel von der GSB selbst, ein Viertel von deren Kunden und davon wiederum ein Viertel von der metallverarbeitenden Industrie stammen.

"Wir bewirtschaften die Deponie aber nur", erzählt beim Tag der offenen Tür deren Leiter Thomas Reiter, der an der Spitze eines Teams von zehn Beschäftigten steht (davon zwei in Gallenbach zur sogenannten Nachsorge der bereits verfüllten Deponie). Betreiber der Anlage ist der in der Öffentlichkeit vermutlich weitgehend unbekannte Staatsbetrieb Sonderabfalldeponien. "Uns gibt es seit 2005", sagt dessen Leiterin Simone Klett, die beim Umweltamt angesiedelt ist und mit zwei Mitarbeitern die Deponien verwaltet. Sprich: Wenn Reiter etwas plant, muss er sich mit dem Staatsbetrieb absprechen, der das letzte Wort hat. Doch beide Seiten sprechen von einer sehr guten Zusammenarbeit.

Für GSB-Geschäftsführer Dominik Deinzer ist Raindorf ein Vorzeigeprojekt, eine Deponie, bei der "Standards entwickelt und Pionierarbeit geleistet wurde". Das beginnt bei der Eingangskontrolle der ankommenden Lkw, wo das Personal vom ersten Stock aus auf die Fahrzeuge und deren Ladung hinunterschauen kann, und reicht bis zur so genannten Nachsorge, die bei Deponien nach der Verfüllung beginnt und im Falle von Raindorf 40 Jahre dauern soll.

Höchst differenziert ist der Aufbau der rund sieben Hektar großen, umzäunten Anlage, die laut Deinzer "höchsten Sicherheitsstandards" genügt. Ton und Schluff bilden im Boden die unterste geologische Barriere, auf der mineralische Dichtungsschichten, eine Kunststoffbahn, ein Schutzvlies und eine Sandmatte und dann eine mineralische Entwässerungsschicht den Abfall vom Untergrund trennen. Auf den Müll kommen oben eine Ausgleichsschicht, eine mineralische Dichtung, eine Kunststoffabdichtung, die Entwässerung und darauf die Rekultivierungsschicht mit Oberboden - insgesamt eine Mächtigkeit von bis zu 25 Metern.

Wie Deinzer und Reiter erklären, wird der Sondermüll bereits beim Abladen nach Chargen getrennt und in Schichten eingebaut, was für die Stabilität der Deponie unerlässlich ist. Eine Walze, die an einem Bagger hängt, verfestigt den Untergrund - nur eine von etlichen Geräten und Maschinen, die selber entwickelt wurden. Über Drainagerohre wird das Sickerwasser aus dem Inneren in der Deponie aufgefangen und meist in Baar-Ebenhausen behandelt - rund 7000 Kubikmeter im Jahr. Das Oberflächenwasser - 2018 an die 22000 Kubikmeter - kommt in Speicherbecken, wo es analysiert wird, bevor es in den Vorfluter gepumpt wird. Die Grundwasser-Messstellen werden laut GSB alle Vierteljahre beprobt und von einem externen Labor analysiert.

"Die Revisionsschächte sind bis zu 25 Meter tief", sagt Deponieleiter Reiter. Oberflächen-Setzungspegel, Aufnahmen von Drohnen und dreidimensionale Vermessungen der ganzen Anlage gehören ebenso zum Sicherheitskonzept wie Messungen von Niederschlag, Temperatur und anderen Umweltdaten, Kontrollen, das Deponie-Jahrbuch oder Treffen mit dem Umweltbeirat, den es in ähnlicher Form wie in Baar-Ebenhausen gibt. Die Folien zur Abdeckung werden von Spezialfirmen geschweißt und anschließend auf Dichtigkeit geprüft, bevor sie freigegeben werden.

Was es in Raindorf dagegen nicht gibt, ist eine Abluftreinigung: Da nur inerter Müll angenommen wird, also solcher, der sich unter den üblichen Bedingungen nicht an chemischen Reaktionen beteiligt, bilden sich keine Gase - und es riecht auch nicht.

Auf einem kleinen, separaten Abschnitt werden asbesthaltige Abfälle separat gelagert. Dies erfolgt ausschließlich in Big Bags, die eine Freisetzung von Asbeststaub verhindern sollen.

1985 wurde die Deponie in Betrieb genommen und nach dem Übergang an den Freistaat von 2005 bis 2017 stillgelegt. Als Gallenbach voll war, wurde Raindorf wieder aktiviert. Das Gesamtvolumen der Anlage liegt bei rund 900000 Kubikmetern, wovon bereits 620000 Kubikmeter verfüllt sind. Deshalb kann der erste Bauabschnitt bereits in Kürze in die Nachsorge entlassen werden, wenn die Oberflächenabdichtung endgültig fertig ist. Die restlichen 280000 Kubikmeter werden voraussichtlich bis 2027 verfüllt sein.

Dann beginnt auf der kompletten Anlage die so genannte Nachsorge, die am ersten, bereits verfüllten Abschnitt bald starten soll. 40 Jahre lang werden Personal und die nötige Infrastruktur, darunter ein elektronisches Dichtungskontrollsystem, vorgehalten. Für die GSB ist die Deponie in Raindorf ein wichtiger Baustein ihrer Arbeit. "Wir verfügen damit über Entsorgungsautarkie", sagt Dominik Deinzer.