Pirkenbrunn
Der Schulbus nach Altmannstein blieb leer

Vor 50 Jahren streikten die Eltern der Pirkenbrunner Kinder, bis die Sprengeländerung aufgehoben wurde

09.09.2019 | Stand 23.09.2023, 8:29 Uhr
  −Foto: Peter/privat

Pirkenbrunn (DK) Schulstreik - das gibt es nicht erst seit der Fridays-for-future-Bewegung.

Vor 50 Jahren blieb der Schulbus leer, der die Kinder von Pirkenbrunn nach Altmannstein bringen sollte. Allerdings streikten damals nicht die Schüler, sondern die Eltern - und erreichten die Rücknahme der von oben verordneten Umsprengelung.

"Schulstreik in Pirkenbrunn - Kinder kamen nicht zum Bus - Eltern schickten die Schüler wieder nach Irnsing - Schulrat kündigt Strafmaßnahmen an": Über Wochen bestimmte der Pirkenbrunner Schulstreik vor 50 Jahren die Schlagzeilen im DONAUKURIER. Der Auslöser: "Laut Regierungsentschließung, die am 1. August in Kraft trat, wurde die Ortschaft Pirkenbrunn, Gemeinde Lobsing, in den Schulverband Altmannstein eingesprengelt", heißt es in einem der zahlreichen Zeitungsartikel. Weil die Eltern das offenbar nicht wollten, habe das Schuljahr mit einem "Paukenschlag" begonnen: "Der Schulbus nach Altmannstein musste leer aus Pirkenbrunn hinausfahren. " Die Eltern schickten ihre Kinder einfach weiter nach Irnsing. Und als der Schulleiter von Irnsing die Kinder aus dem renitenten Dorf auf Anweisung von oben nicht mehr ins Schulhaus lassen durfte, traten die Pirkenbrunner in den Totalstreik - und das über Wochen.

Erst kürzlich sei der Streik wieder einmal Thema am Stammtisch im Feuerwehrhaus gewesen, erzählt Ortssprecher Alfons Bast. Er selbst sei damals 18 Jahre alt gewesen und wisse relativ wenig drüber. Nur, dass die Pirkenbrunner ihren Willen schließlich durchgesetzt hätten. Josef Semmler, der damals die neu eingeführte neunte Klasse besuchte, weiß nur noch: "Nach Neustadt haben wir nicht dürfen, und nach Altmannstein haben uns die Eltern nicht lassen. " Und eins wisse er auch noch: "Ferien hatten wir deshalb nicht. Wir mussten mit zum Erdäpfelklauben. ""Jeden Tag hat der Bäuml-Bus bei der Kirche gehalten, aber es ist halt niemand eing'stiegen", erzählt Josef Peter (kleines Foto), Jahrgang 1934, mit einem schelmischen Lächeln. Der Vater von drei Töchtern, von denen damals zwei schulpflichtig waren, kann sich noch gut an den Herbst 1969 erinnern. Denn er war so etwas wie der Rädelsführer. "Ich hab' gar nicht g'wusst, was ein Schulsprengel ist", versichert der Austragsbauer, der nie was mit Politik oder Schulwesen zu tun haben wollte. Aber als die Pirkenbrunner aus der Zeitung erfahren mussten, dass ihre Kinder künftig in Altmannstein zur Schule gehen sollten und nicht mehr in Irnsing, da war sich der "Wirts-Sepp", wie er im Dorf genannt wird, schnell mit den anderen betroffenen Eltern einig: "Das lassen wir uns nicht gefallen! "

Bis ins Ministerium sei er gefahren, um eine Änderung zu erreichen. Der Bürgermeister und der Pfarrer von Irnsing, Hans Zangl beziehungsweise Helmut Grüneisl, hätten ihn unterstützt und ein Regierungsrat aus Niederbayern. "Du bist ja bald gar nimmer daheim gewesen, und ich war allein mit den drei Mädeln und zwei Ställen voll Vieh", ereifert sich seine Frau Berta. Eines schönen Tages sei auch noch die Polizei gekommen. "Die waren aber recht vernünftig", erinnert sich ihr Mann. Was man aber vom Schulrat nicht behaupten konnte. Der habe sich aufgeführt und auf seinem Hof herumgeplärrt, was sich die Pirkenbrunner einbilden. Als er, Peter, dann gekontert habe, "von einem Mann in Ihrer Position hätte ich mehr Intelligenz erwartet", sei der Neunert rein ins Auto und davon, erzählt der schlagfertige Pirkenbrunner mit einem zufriedenen Lächlen.

Damit war das Ganze freilich nicht ausgestanden - ganz im Gegenteil. Eines Tages sei Regierungsrat Hans Wagner vom Landratsamt Riedenburg auf den Hof gekommen und habe ihm einen Strafbefehl über 500 Mark überreicht - mit der hämischen Bemerkung: "Da geht dem Peter auch die Luft aus. " "Zum Schluss hat er's zerreißen müssen", freut sich der 85-Jährige noch heute über den Sieg der Pirkenbrunner über die Bürokraten: "Denn wenn man von den Leuten was will, dann redet man zuerst mit ihnen", ist Josef Peter noch heute überzeugt. Und da habe ihm auch Bürgermeister Bernhard Sammiller Recht gegeben, dem er die Geschichte erzählt hat, als der ihm und seiner Frau zur eisernen Hochzeit gratulierte. Endgültig entschieden wurde der Pirkenbrunner Schulstreit erst Mitte November 1969 - und zwar ganz oben im Kultusministerium, wie der DONAUKURIER am 19. November unter der Überschrift "München entschied - Pirkenbrunns Kinder besuchen Schule Irnsing" berichtete.

Dass der Lobsinger Gemeinderat unter Bürgermeister Lorenz Feigl die Umsprengelung nach Altmannstein befürwortet hatte, hat die Pirkenbrunner so geärgert, dass sie sich nach dem Sieg im Schulstreit ganz von Lobsing lossagen wollten und die Eingemeindung nach Irnsing beantragten. Der nämliche Regierungsrat, der sich der politischen Entscheidung im Schulstreit beugen musste, teilte dem DK dazu nur lakonisch mit: "Ein solcher Antrag liegt dem Landratsamt vor. Bei der gegebenen Gesetzeslage ist es unmöglich, diesem Wunsch zu willfahren. "

Zusammen mit Lobsing wurde Pirkenbrunn 1978 nach Pförring eingemeindet. Die Kinder aus Pirkenbrunn besuchen die Grund-und Mittelschule in Pförring. Und - Ironie des Schicksals - sofern sie sie dort die Mittlere Reife ablegen wollen, auch die Mittelschule Altmannstein, mit der Pförring einen Schulverbund bildet.

Sebastian Kügel