Ingolstadt
"Der Plan ist, dass ich keinen Plan habe"

Für den Ingolstädter Werkleiter Albert Mayer aus Neuburg gehen 40 Jahre im Volkswagen-Konzern zu Ende

26.09.2019 | Stand 23.09.2023, 8:45 Uhr
Mit 65 Jahren tritt Werkleiter Albert Mayer in den Ruhestand. Sein Nachfolger wird Achim Heinfling, der aktuelle Chef von Audi Hungaria in Györ −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Dass es heuer gleich drei Jubiläen zu feiern gibt, das war alles andere als beabsichtigt und auch absehbar: 70 Jahre Audi in Ingolstadt, 60 Jahre an der Ettinger Straße und dazu 40 Jahre Albert Mayer im Unternehmen.

Der Neuburger weiß es noch genau: 1. Oktober 1979, Gebäude A50, Eingang F, Zimmer 209, Inspektion. Dort kam der frisch studierte Maschinenbauer an und dachte: "Hier fängt das Arbeiten an. " Den Chef kannte er gar nicht, denn der war gerade erst von einer Auslandverwendung in Südafrika zurückgekehrt und sprach dann schon mal Englisch und Afrikaans mit seinen Leuten. Eine ganz wundersame Welt also, in die Albert Mayer damals stieß. Nicht nur, weil es bei den Qualitätssicherern war, obwohl er zu den Entwicklern wollte, wo aber gerade keine Stelle frei war.

Eigentlich, das erzählt er auch offen, hätte er statt zu Audi lieber wegen seines Bruders und dessen ansteckender Flugbegeisterung zur Lufthansa gewollt, hatte sich auch in einem intensiven Auswahlverfahren ("Ich bin in meinem Leben nie mehr eine ganze Woche so gefordert worden") durchgesetzt. Doch technisch stand seinerzeit in der Branche die Umstellung auf Zwei-Mann-Cockpits an, der Flugingenieur musste für immer am Boden bleiben. Als sich die Lufthansa letztlich mit einer Absage meldete, hatte Mayer sein Herz ohnehin schon anderweitig vergeben. "Ich habe mich inzwischen bei Audi sehr wohlgefühlt" - in jener Zeit sei das fertige Produkt, also das komplette Auto, noch viel präsenter gewesen, als es die Arbeitsaufteilung in den Folgejahren dann ergeben habe.

Mayer fühlte sich nicht nur wohl, er startete eine ansehnliche Karriere, die ihn über mehrere Führungsposition im Jahr 2006 nach Wolfsburg brachte und dort bis an die Spitze der Qualitätssicherung für alle Volkswagen führte. Nach ei-nem Jahrzehnt VW kehrte er zurück nach Ingolstadt, um dann kurz darauf auf dem Werkleiterposten zu landen, da er sich auch wie kaum ein Zweiter mit den Verhältnissen am Stammsitz auskennt - und diesen entscheidend mitentwickelte.

Gerne erzählt er von einer gewaltigen Weichenstellung Ende der 1990er, als er Leiter der Fertigungsplanung war und mit an einem Zukunftsprojekt "2020" bastelte. "Wir wollten kreativ nach vorne denken und wussten, in dem Jahr sind wir alle nicht mehr da", sagt er. Man quartierte sich unter anderem im Kloster Plankstetten zum Brainstorming (auch mit dem damaligen Abt Gregor Maria Hanke) ein. Am Ende stand die Idee für das Audi-Werk: "Lasst uns mit dem Blech in den Norden gehen! " Die Produktionsanlagen sollten Zug um Zug über die Gleise verlegt werden - eine logistische und finanzielle Herausforderung. "Nach einem Jahr hartem internen Kampf haben wir das durchbekommen. " Der neue Karosseriebau wanderte in den Norden. "Der A3-Nachfolger wäre ohne diese Entscheidung nie dieser Erfolg geworden", da ist sich Albert Mayer sicher.

Große Weichenstellungen kündigten sich auch in seiner Zeit als Werkleiter an, die sicher mit die schwersten Momente in der Karriere mit sich brachte: Etwa als Mayer in einer Betriebsversammlung vor die aufgewühlte Nachtschicht treten musste, um über geplante Schichtstreichungen zu sprechen. "Auch wenn es nicht schön ist, muss man das dann machen. " Er könne sich sehr gut in die Gefühlslage hineinversetzen. "Ich bin da unten am Band auch groß geworden, wir waren sehr selten im Büro", sagt er. "Offen und ehrlich, dann findet man auch Verständnis. " Das sei sein Führungsstil gewesen. So habe er es auch von seinen Chefs gelernt und das immer zu schätzen gewusst.

Dass es nun nach vier Jahrzehnten mit Ablauf des Monats vorbei ist für den geschätzten Werkleiter, das können sich viele bei ihm gar nicht vorstellen. Bis zum letzten Tag wird der dann 65-jährige Neuburger mit vollem Einsatz dabei sein. Das war nicht anders zu erwarten. Und danach? "Der Plan ist, dass ich keinen Plan habe", sagt Mayer lachend. Er werde dann eben Freizeit haben, "und die werde ich genießen". 20 Jahre lang sei er "quasi nicht zu Hause gewesen", besonders die Zeit mit der Pendelei nach Wolfsburg habe viele Entbehrungen für die Familie mit sich gebracht. Das wolle er nun nachholen. Handwerklich begabt, werde er die immer wieder an ihn herangetragenen Wünsche der beiden erwachsenen Töchter erfüllen. Der Garten sei auch groß genug, um immer Arbeit abzuwerfen. "Vermissen werde ich die vielen Menschen, die ich kennenlernen und mit denen ich zusammenarbeiten durfte. "

Christian Rehberger