Ingolstadt
Der "Kini" machte den Weg frei

Genau an diesem Ostersonntag vor 150 Jahren ging die Almühltalbahn zwischen Ingolstadt und Treuchtlingen in Betrieb

10.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:34 Uhr
Das Zeitalter der "Dampfrösser" begann im Altmühltal genau vor 150 Jahren. Mit einer Petition aus Eichsttätt an den König nahm im Jahr 1858 alles an Fahrt auf. Fünf Trassenvariante wurden damals für die Verbindung zwischen Ingolstadt und Treuchtlingen geprüft. Die Nummer IV wurde umgesetzt. Sie kam ohne Tunnel und nur einer Altmühlbrücke aus, benötigte aber auch umfangreiche Felssprengungen. Jüngster Neuzugang auf dem Abschnitt ist der Bahnhalt bei Audi in Ingolstadt, der im vergangenen Dezember eingeweiht wurde. −Foto: Sammlung Bergsteiner, Hammer, DK-Archiv

Ingolstadt/Eichstätt - Die Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen nahmen am 12. April 1870 als letztes Teilstück der "Altmühlbahn" München - Ingolstadt - Treuchtlingen - Gunzenhausen/Pleinfeld den 56 Kilometer langen Abschnitt von Ingolstadt nach Treuchtlingen in Betrieb.

 

Damit war genau an diesem Ostersonntag vor 150 Jahren eine zweite und im Vergleich zur Ludwig-Süd-Nordbahn (233 Kilometer) kürzere Verbindung (199 Kilometer) zwischen München und Nürnberg geschaffen.

Anstoß aus EichstättDen Anstoß dazu gaben der Magistrat der Stadt Eichstätt und vor allem der weitblickende Eichstätter Bürgermeister Fehlner. Im Altmühltal versprach man sich wirtschaftlichen Aufschwung durch den Güterverkehr, insbesondere für die Steinbrüche um Solnhofen und Eichstätt sowie das Obereichstätter Hüttenwerk. Auf Einladung Fehlners trafen sich am 20. März 1858 die Bürgermeister von Pleinfeld, Ellingen, Weißenburg, Pappenheim, Ingolstadt, Pfaffenhofen und Freising zu einer Konferenz im Eichstätter Rathaus. Sie verfassten eine Petition an König Maximilian II. mit der Bitte, dass der Bau einer Bahnlinie entlang der genannten Städte auf Staatskosten eingeleitet werde.

Das Gesuch wurde in München als "Novum" bezeichnet. Eine Referatsnote nannte das Projekt naturgemäß und entsprechend, aber sehr verfrüht. Am 4. Juni 1858 erklärte das Ministerium des Handels und der öffentlichen Arbeiten, dass es augenblicklich nicht in der Lage sei, den Antrag einer näheren Würdigung zu unterziehen.

 

Die Diskussion um die Anbindung der bayerischen Landesfestung Ingolstadt an das Eisenbahnnetz war Anlass für die Durchführung erster allgemeiner Untersuchungen durch die Generaldirektion der königlichen Verkehrsanstalten. Diese nahm im Frühjahr 1860 der "königlich functionierende Oberingenieur" Heinrich Balbier vor. Von Pleinfeld ausgehend folgte er weitgehend dem Altmühltal, sah aber aufgrund der Lage Eichstätts im engen Flusstal Probleme bei der Anbindung der Bischofsstadt. "Man kommt nach Eichstätt nicht hinein und nicht heraus", meinte er beim Mittagessen in einem Eichstätter Gasthof. In seinem Bericht nannte Balbier schließlich mehrere Möglichkeiten zur Juraüberquerung zwischen Ingolstadt und Treuchtlingen.

Eine Konkurrenz erwuchs der "Altmühlbahn" durch Petitionen der Städte Altdorf bei Nürnberg, Neumarkt in der Oberpfalz, Berching und Beilngries, welche der Streckenführung nördlich von Ingolstadt eine völlig veränderte Richtung geben wollten. Letztlich aber vergebens. Gesetz vom 5. Oktober 1863Ein erster Gesetzesvorschlag der Staatsregierung für den Bau einer Bahn von München nach Ingolstadt fand 1861 nicht die Zustimmung des Landtags, welcher die Generaldirektion mit weiteren Untersuchungen und der Erstellung von summarischen Kostenvoranschlägen beauftragte. Als deren Ergebnis sollte die Landesfestung in Ingolstadt sowohl in Süd-Nord-(München - Ingolstadt - Nürnberg) als auch Ost-West-Richtung (Regensburg - Ingolstadt - Ulm) in das Eisenbahnnetz einbezogen werden.

Als am 24. September 1863 der Landtag den Bau einer Eisenbahnstrecke München - Ingolstadt - Gunzenhausen/Pleinfeld beschloss, war die Freude in Eichstätt groß. Der EICHSTÄTTER KURIER berichtete: "Sofort versammelte sich eine große Anzahl von Bürgern und unter Musikbegleitung durchzog man die Stadt bis vor die Wohnung des Bürgermeisters und brachte diesem eine Ovation und Hochs dar. Bei gutem Bier in der Baptistbrauerei verbrachte man den Abend bis zum frühen Morgen, kreuzfidel und lustig. "

 

Am 5. Oktober 1863 unterzeichnete König Maximilian II. ein "Gesetz, die Vervollständigung und weitere Ausdehnung der bayerischen Staatsbahnen betreffend", das für den Bau einer Eisenbahn von München über Ingolstadt zum Anschluss an die Süd-Nordbahn bei Gunzenhausen mit einer Abzweigung nach Pleinfeld die Summe von 19 Mio. Gulden (rund 32,5 Mio. Mark) bewilligte.

Das Zustandekommen des Gesetzes wurde von der Eichstättern jubelnd gefeiert, aber schnell tauchten erste Bedenken auf: zum einen war noch keine endgültige Linienführung festgelegt, zum anderen musste die Begrenzung der Mittel die Techniker dazu veranlassen, eine möglichst billige Bahnführung zu finden.

Fünf StreckenvariantenWährend von München nach Ingolstadt der Bahnbau am 27. Februar 1865 begonnen hatte, legte die Generaldirektion erst am 28. März des gleichen Jahres fünf Vorschläge zur Weiterführung der Bahn ab Ingolstadt vor. Davon schieden die Linien I und II (siehe Karte) u. a. aufgrund langer Abschnitte mit einer Höchstneigung von 1:100 sowie kostspieliger Kunstbauten aus. Die anderen Varianten kamen in die engere Wahl.

 

Während die parlamentarische Erörterung die Linie III (über Pfünz) in den Vordergrund rückte, sprachen sich die Techniker für die Linie V, die sog. "Schuttertallinie" aus. Der Eisenbahnbaudirektor begründete die Entscheidung am 1. November 1865 in seinem Bericht an den inzwischen regierenden König Ludwig II. wie folgt: "Es ist nicht schwer auszusprechen, welcher Linie der Vorzug gebührt. Wenn für eine Bahnverbindung die geringste Längenausdehnung, der geringste Baukostenaufwand und die günstigsten Betriebsverhältnisse sprechen, dann müssen es gewichtige Interessen sein, welche für die Konkurrenzlinie in die Waagschale fallen, wenn für diese eine Bevorzugung möglich werden soll. "

In Eichstätt konnte man sich den Gründen, die gegen die favorisierte Linie III sprachen, nicht entziehen und wandte alle Energie für die Realisierung der Linie IV auf. Am 12. Januar 1866 trug Bürgermeister Fehlner bei Ludwig II. alle Wünsche und Probleme der Stadt vor. Der Monarch schrieb an sein Kabinett: "Das der Stadt Eichstätt drohende Schicksal geht mir in der Tat sehr zu Herzen", und ordnete die nochmalige genaue Prüfung der Streckenführung an.

Am 28. Dezember 1866 beantragte das Ministerium beim König den Bau der Linie IV über Wasserzell mit der Begründung, eine Stadt wie Eichstätt könne auf Dauer nicht ohne Bahnanschluss bleiben. Im Falle einer Ausführung der Schuttertallinie werde man bald genötigt sein, eine Seitenlinie von Dollnstein nach Eichstätt zu bauen, wodurch bei einem geschätzten Kostenaufwand von 1,5 Mio. Gulden doch wieder nur eine halbe Sache geschaffen sei.

 

Am 9. Januar 1867 unterzeichnete Ludwig II. den Kabinettsbescheid und fügte hinzu: "Indem Ich diesen Antrag genehmige, spreche Ich meine besondere Befriedigung darüber aus, daß es möglich war, bei Festsetzung der Eisenbahnlinie auch die Interessen der Stadt Eichstätt wahrzunehmen. "

Bau der StreckeAm 11. Januar 1867 erhielt die Generaldirektion den Bauauftrag, am 10. August 1867 waren die Grunderwerbungen abgeschlossen und noch bevor der erste Zug aus München am 14. November 1867 Ingolstadt erreicht hatte, wurde mit dem Weiterbau bis Treuchtlingen begonnen.
Im Bereich der Landesfestung Ingolstadt hatten die Generaldirektion und die Militärbehörden bereits 1864 die Streckenführung der "Altmühlbahn" festgelegt. Die Bahnbrücke über die Donau mit eisernen Tragwänden wies drei Öffnungen von jeweils 52,53 Meter lichter Weite auf. Nach Fertigstellung der zunächst eingleisigen Brücke war der heutige Ingolstädter Nordbahnhof ab 10. Januar 1870 Endstation für die Züge aus München.

In steter Steigung von 5 Promille (1:200) wurde im hügeligen Gelände die Station Adelschlag erreicht und in einem 13 Meter tiefen Einschnitt die Wasserscheide zwischen Donau und Altmühl durchbrochen. Die anschließende Gefällestrecke (5 Promille) zum Bahnhof Eichstätt wurde als 3,5 Kilometer lange Gerade angelegt.

Umfangreiche Erdarbeiten und Felssprengungen waren notwendig, um aus dem Westabhang des Schneckenbergs südlich von Wasserzell eine durchschnittlich 250 Meter breite und etwa 1.500 Meter lange Terrasse für den Eichstätter Bahnhof zu gewinnen. Um den südlich und nördlich davon verlaufenden Hirschgrund zu überqueren, verwendete man das bei den Sprengungen angefallene Juragestein zur Errichtung zweier Dämme, von denen der bei Wasserzell eine Höhe von 32 Meter erreichte. Nördlich der Station erfolgte nach einem Felseinschnitt die Absenkung der Strecke ins Tal der Altmühl. Zum Schutz vor den gefürchteten Hochwassern wählte man eine leichte Hanglage. Um den Krümmungen des Tales folgen zu können, war im Bereich von Breitenfurt der Mindest-Kurvenradius von 584 Meter erforderlich. Zwischen Dollnstein und Treuchtlingen behalf man sich mit Flusskorrekturen (Begradigungen), Felseinschnitten, sechs eisernen Brücken von jeweils vier bis fünf Öffnungen bei lichten Weiten von 24 bis 30 Meter. Herausragende Bauwerke sind jedoch der Eßlinger Tunnel (633 Meter) bei Hagenacker und der Kirchbergtunnel (108 Meter) bei Pappenheim.
Feierliche EröffnungNach einer Bauzeit von drei Jahren konnte am 12. April 1870 der Betrieb auf dem letzten Teilstück der "Altmühlbahn" mit einem festlich geschmückten, aus fünf Wagen gebildeten Sonderzug eröffnet werden. Besonders gefeiert wurde in Dollnstein, wo Bürgermeister Peißl eine Rede hielt, ein Hoch auf Majestät den König ausbrachte und die bayerische Nationalhymne gesungen wurde. Auf ein Danktelegramm antwortete Ludwig II. : "Se. Majestät der König von dem soeben erhaltenen Huldigungs-Telegramm aufs angenehmste berührt lassen der getreuen Marktgemeinde Dollnstein allerhöchst ihren Dank und freundlichen Gruß entbieten. "

Anders in Eichstätt: Nach dem heiß erkämpften Bahnbau hätte man Freude über die Bahneröffnung erwarten können. Die Stadtchronik enthält keinerlei Notiz und die Zeitung berichtete lediglich von zahlreichen Neugierigen, die am Sonntag nach der Eröffnung am Bahnhof die Züge betrachteten und bedauerten, dass die Bahn so weit von der Stadt entfernt sei. Dabei war nicht zu verkennen, dass die Stadt Eichstätt durch die Linienführung einen erheblichen Erfolg erkämpft hatte und immerhin in die nächste Nähe einer der wichtigsten bayerischen Strecken gerückt war.

DK


Der Autor ist Verfasser des Buchs "Eisenbahn im Altmühltal - ? Geschichten der Eisenbahnen zwischen Gunzenhausen und Kelheim sowie des Eisenbahnknotens Ingolstadt" (Verlag Kenning), das aber nur noch antiquarisch erhältlich ist