Der
Es werde Licht

Hochkonzentration herrscht im Stadttheater nicht nur vor, sondern auch hinter den Kulissen

30.11.2011 | Stand 03.12.2020, 2:06 Uhr

Der Applaus bleibt meist den Schauspielern vorbehalten. Dabei geht im Stadttheater Ingolstadt ohne die Techniker nichts. Sie leisten ihren Beitrag zur Aufführung unter anderem in einer Kanzel hinter einer verschlossenen alten Tür hoch über den Zuschauerrängen. Während auf der Bühne der Vorhang geöffnet wird, bleibt der Arbeitsplatz von Dirk Gräff und Joseph Lipperer im Stadttheater hinter Gardinen verborgen.

Unglücklich sind sie darüber nicht. „Wir arbeiten lieber im Hintergrund“, sagt Beleuchtungsmeister Gräff. „Wenn der Zuschauer sehen würde, was wir hier machen, ginge ja auch der Zauber des Theaters verloren.“ Während das Publikum in den Saal strömt, legt sich Lipperer das Textbuch zurecht. Er sitzt vor dem „Stellwerk“, wie die Beleuchter es nennen: ein Mischpult mit fünf Computermonitoren über das die Beleuchtung und einige Bühneneffekte gesteuert werden. Der Name stammt aus Zeiten, in denen Lichteinstellungen mechanisch vorgenommen wurden und die Beleuchter Hebel ziehen und Räder drehen mussten, um die Schauspieler ins rechte Licht zu rücken. Heute geschieht das meist per Knopfdruck. Die Anlage im Stadttheater ist gerade mal zwei Jahre alt und auf dem neuesten Stand der Technik. Auf der anderen Seite des langen Tisches steht noch einmal exakt die gleiche. Sollte das erste Mischpult ausfallen, rollt der Beleuchter auf seinem Stuhl einfach zwei Meter nach links und arbeitet am „Havariewerk“ weiter.

„Wir fangen an“, sagt eine Stimme aus einem kleinen Lautsprecher am Mischpult. Lipperer drückt einen Knopf, das Saallicht geht aus, die Bühne wird beleuchtet. „Das ist die Inspizientin“, erklärt Gräff. „Sie sitzt unten links neben der Bühne und koordiniert die Aufführung. Sie gibt den Einsatz für Licht, Ton, die Schauspieler und den Bühnenumbau.“

Jede Lichtsituation – die Beleuchter sagen „Stimmung“ – ist im Computer gespeichert und wird im richtigen Moment abgerufen. Bei der Erarbeitung des Stückes gibt es eigene Beleuchtungsproben, der Regisseur entscheidet mit dem Lichtteam, wann welcher der 150 Scheinwerfer des Stadttheaters in welcher Intensität wohin strahlt. Vor jeder Aufführung müssen die Lampen entsprechend eingerichtet werden. „Wir brauchen 2,5 Stunden Vorlauf“, so Gräff. Das bedeutet frühes Aufstehen, wenn eine Schüleraufführung um 9.15 Uhr ansteht.

Am Mischpult flammt ein rotes Licht auf. Das Zeichen, dass gleich die Stimmung geändert werden muss. Das Licht wechselt auf grün, Lipperer drückt und auf der Bühne verschwindet der Hintergrund im Dunkeln, am Bühnenrand werden drei Schauspieler in helles Licht getaucht. Nicht alles geht automatisch. „Ich geh mal zum Einsatz“, sagt Gräff und verlässt die Kanzel Richtung Bühne. Von einem Steg in den Kulissen, muss er einen Spot bedienen und den großen, blauen Teddybären, der in dem Stück gerade von links nach rechts über die Bühne rollt, beleuchten. So etwas kann nicht vom Computer gesteuert werden.

Bei ihrer Arbeit verlassen sich Gräff und Lipperer nicht nur auf die Anweisungen der Inspizienz und die Lichtsignale. Im Textbuch haben sie die Lichtveränderungen notiert. Sie kennen jede Zeile und könnten notfalls fast schon als Souffleure eingesetzt werden. „Aber Routine ist gefährlich“, sagt Gräff, nachdem er wieder in der Kanzel steht. Manchmal müssen die Leute am Stellwerk schnell reagieren. Etwa, wenn auf der Bühne etwas schief geht, oder die Schauspieler im Text springen, oder Passagen auslassen.

An diesem Vormittag geht alles glatt. Eine gewisse Erleichterung ist beim Schlussapplaus auch Lipperer anzumerken. Er war kurzfristig für einen Kollegen eingesprungen und ist deswegen froh, dass alles reibungslos funktioniert hat. Als die Zuschauer aufstehen und aus dem Theatersaal drängen, kriegt auch der Beleuchter seinen Applaus: „Dank Dir, Joseph“, sagt die Stimme aus dem Lautsprecher.