Ingolstadt
"Das ist 'ne Katastrophe"

Ingolstädter Politiker von FDP, Union und Linken zeigen sich vom Thüringer Wahlergebnis entsetzt

06.02.2020 | Stand 02.12.2020, 12:01 Uhr
Kleine Gruppe mit klarer Haltung: Ein Teil der Demonstranten, die sich gestern Abend zum Flashmob gegen Rechts auf dem Paradeplatz versammelt hatten. −Foto: Foto: Eberl

Ingolstadt - Die Wahl Thomas Kemmerichs zum neuen Ministerpräsidenten Thüringens im Erfurter Landtag mit Stimmen von CDU, FDP und AfD hat bundesweit für Entsetzen gesorgt.

 

Auch in Ingolstadt zeigten sich Politiker von der perfiden Abwahl der rot-rot-grünen Regierung irritiert. Die Linke protestierte gestern mit einem Flashmob am Paradeplatz.

Die frühere Ingolstädter Bundestagsabgeordnete und Kreisvorsitzende der Linkspartei Eva Bulling-Schröter geißelte die Vorgänge von Erfurt vor knapp 40 Teilnehmern der spontanen abendlichen Demo als "Riesenskandal" und "Putsch", der nur mit einer abgesprochenen Taktik von thüringischer CDU und FDP sowie der rechtspopulistischen AfD erklärt werden könne. AfD-Frontmann Björn Höcke nannte sie mehrfach einen Faschisten (was inzwischen gerichtlich geprüft möglich ist).

Bereits in ihrer Einladung zum Flashmob über die Netzwerke hatte Bulling-Schröter durch Gegenüberstellung zweier Fotos unter der Schlagzeile "Nie wieder! " klar Stellung bezogen. Die Bilder zeigten die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler durch den greisen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg aus dem Jahr 1933 und die Gratulation Höckes an den frisch gewählten Ministerpräsidenten Kemmerich vom Mittwochmittag. Die Linkspartei hatte ihre Mitglieder und Sympathisanten gestern bundesweit zu Protestkundgebungen aufgerufen. An der Aktion in Ingolstadt beteiligten sich auch einige SPD-Mitglieder mit Parteifähnchen.

 

"Das war kein guter Tag für die Demokratie", sagte der FDP-Kreisvorsitzende und OB-Kandidat Jakob Schäuble zur Wahl im Thüringer Landtag. "Das ist 'ne Katastrophe. " Man könne nicht verhindern, dass die AfD einem Antrag zustimmt, den man auch selbst unterstütze. "Aber es darf nicht Kalkül sein, mit Stimmen der AfD Entscheidungen durchzusetzen. " Es sei ja absehbar gewesen, dass es bei der Wahl Kemmerichs im dritten Wahlgang auf die Stimmen der AfD ankommen würde. "Kemmerich hätte das erkennen müssen und die Wahl nicht annehmen dürfen", sagt Schäuble, der schon wenige Stunden nach der Wahl Kemmerich via Facebook dazu aufgefordert hatte, sofort zurückzutreten und den Weg für Neuwahlen zu ebnen. Aus seiner Sicht war die - sicher erst auf Druck der Bundes-FDP zustande gekommene - Entscheidung zum Rückzug am Tag nach der Wahl die einzig richtige. Der Vorsitzende Christian Lindner habe klar gemacht, dass es "auf keinen Fall eine Zusammenarbeit mit der AfD geben soll". Man müsse klar aufzeigen, dass die AfD keine Partei der Mitte sei. Im Ingolstädter Kreisverband gebe es dazu übrigens auch eine klare Linie, ergänzt Schäuble: keine Zusammenarbeit mit der AfD. Damit man nun in Thüringen aus der vertrackten Situation kommen kann, hält Schäuble Neuwahlen unter den gegebenen Umständen für "leider unausweichlich".

Auch der CSU-Kreisvorsitzende und -Landtagsabgeordnete Alfred Grob hat eine klare Meinung zum Vorgehen von Thüringer CDU und FDP: "Es erschließt sich mir nicht, wie man sich in diese Bredouille bringen kann. Damit leistet man der Demokratie einen Bärendienst. " Neuwahlen seien auch für ihn angesichts des Wahlergebnisses die einzige Lösung - trotz des Signals, das man damit an den Wähler sende: dass man so lange wähle, bis es passt. "In Ingolstadt wird es diese Situation nicht geben", sagt Grob. Oberbürgermeister Christian Lösel (CSU) habe ja erst wieder im Gespräch beim DONAUKURIER betont, dass es keine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der AfD geben werde. "Und wir sehen uns ganz klar darin bestärkt. " Eines zeige die Thüringen-Wahl auch: "Wir gehen langsam in Richtung italienische Verhältnisse, wenn eine Fünf-Prozent-Partei den Ministerpräsidenten stellt. " Eine Entwicklung, die auch vor Ingolstadt nicht Halt mache: Schließlich habe sich da vor der Kommunalwahl ein "kunterbuntes Bündnis" aus sieben, acht Parteien formiert, das keine gemeinsame Schnittmenge aufweise außer der Gegnerschaft zum Oberbürgermeister. Auf der anderen Seite gebe es - bei allen Fehlern der CSU - eine stabile Mitte unter Ausschluss der AfD.

AfD-Stadtrat Ulrich Bannert will die Vorgänge in Thüringen nicht weiter bewerten. Der Bürger habe die AfD dort als zweitstärkste Kraft gewählt, die demokratisch legitimierten Abgeordneten hätten sich dann in geheimer Wahl mehrheitlich für einen Kandidaten entschieden. Alles andere sei Spekulation, "wir kennen die Hintergründe nicht". Als kleiner Ortsverband habe man genug mit der Vorbereitung der eigenen Kommunalwahl zu tun. Dass sich der Oberbürgermeister und die CSU von seiner Partei öffentlich distanziert haben, hält Bannert nicht für vernünftig: "Mit dieser Aussage schadet er sich mehr, als es ihm hilft. " Schließlich hätten doch alle 50 Stadträte die Absicht, das beste für die Stadt zu erreichen. Und da müsse man miteinander reden. "Wir haben auch Anträgen der BGI und der SPD zugestimmt", sagt Bannert. Nach der Wahl werde es sicher Gespräche geben. Dann wisse seine Partei auch, mit wie vielen Sitzen sie in den Stadtrat einzieht. Für die OB-Wahl werde die AfD, die keinen Kandidaten aufgestellt hat, jedenfalls keine Wahlempfehlung aussprechen. Ob es eine Empfehlung zur Stichwahl, von der Bannert ausgeht, geben wird, das lasse sich seine Partei bis nach dem 15. März offen.

DK