"Das Kino wird nicht sterben"

Marcel Aigner über "20minmax" als gelungenes Online-Festival und die Verantwortung der Politik in der Krise

22.11.2020 | Stand 26.11.2020, 3:33 Uhr
Währen des Lockdowns hat Katharina Dietl in ihrer Wohnung berühmte Kunstwerke nachgestellt. Sie wurde vom Publikum als Preisträgerin in der Kategorie der Corona-Kurzfilme ausgezeichnet. −Foto: Dietl, Richter

Ingolstadt - Am Samstag ist das 14. Internationale Kurzfilmfestival "20minmax" in Ingolstadt - erstmals als Online-Version - mit Publikumsentscheidungen in drei Kategorien zu Ende gegangen.

Die Preisträger der anderen Kategorien standen bereits seit dem Frühjahr, dem ursprünglichen Termin des Filmfests, fest. Kurzfristig hatten die Veranstalter im Sommer noch den "Corona Short Film Award" ausgeschrieben. Für Filme, die während des Lockdowns oder in Selbst-Isolation entstanden sind. Wir haben uns mit dem Festivalleiter Marcel Aigner unterhalten.

Herr Aigner, wie lief das Experiment "20minmax" als Online-Festival?
Marcel Aigner: Wir sind sehr zufrieden, weil wir - wenn man die Eröffnungs- und Abschlussveranstaltungen abzieht, die ja leider nicht stattfinden konnten - etwa genau so viele Filmfreunde erreicht haben wie zuvor. Rund 1000 Zuschauer während der Festivalwoche. Im Schnitt wurden jeden Tag 800 Mal Filme gestreamt und 100 Besucher gezählt. Wir haben auch Statistiken geführt und gesehen, dass viele Leute wohl richtig viele Filme angeschaut haben.

Sie hatten keine Erfahrungswerte. Hat alles geklappt?
Aigner: Wir hatten das Glück, dass wir nicht das erste Filmfestival waren, das komplett online ablief. Die Plattformbetreiber konnten im Lauf des Jahres noch hier und da nachbessern. Oberhausen ging bereits im April online, da war noch vieles Neuland. Für die Veranstalter und für die Besucher. Wir fanden, dass bei uns alles recht nutzerfreundlich und übersichtlich war. Es gab auch keine technischen Probleme, bis auf einen Film, der anfangs statt eines anderen lief. Aber das war schnell behoben.
Welche Vorteile und welche Nachteile gibt es für ein Online-Festival?
Aigner: Von Vorteil ist sicher, dass man sich viele Filme gemütlich, Zuhause sitzend zu jeder Tages- und Nachtzeit am Stück anschauen kann, dass man - das hat ein Nutzer geschrieben - auch Filme, die einem nicht gefallen, dann nicht weiterschaut. Der große Nachteil ist jedoch, dass man sich die Filme doch meist alleine anschaut und dabei das eigentliche cineastische Erleben fehlt. Dass man gemeinsam in der Stille mit wildfremden Menschen einen Film auf großer Leinwand sieht. Das ist einfach eine einzigartige Atmosphäre. Die ist durch nichts zu ersetzen. Es fehlt vor allem auch das, was ein Festival ausmacht: das Kennenlernen und der Austausch mit Filmschaffenden und Besuchern. Und dass man dafür eben auch aus dem Haus muss und kommt.

Haben Sie schon Ideen, Online-Formate im analogen Festival beizubehalten?
Aigner: Konkret sind wir da noch nicht so weit, aber wir können uns vorstellen, dass man etwa eine bestimmte Auswahl nur online zeigt. Ich glaube auch nicht, dass das Kino sterben wird. Das wurde ja immer wieder befürchtet. Schon, als das Fernsehen erfunden wurde, dann als Youtube aufkam und jetzt durch die Streamingdienste. Ich glaube, dass das Kino mit seiner besonderen Live-Erfahrung weiter bestehen wird und ich glaube auch, dass durch die monatelange Streaming-Erfahrung viele wieder realisieren, was Kino ausmacht und was ihnen gefehlt hat.

Nach dem Festival bedeutet auch vor dem Festival. Wie sehen die nächsten Tage, Wochen und Monate aus?
Aigner: Zunächst gibt es Organisatorisches abzuwickeln, Buchhaltung und die Überweisung der Preisgelder. Wir werden mit den Sponsoren und Preisstiftern über den Verlauf des Festivals sprechen und hoffen, dass sie uns und die Filmemacher weiter unterstützen. Denn wir werden bereits im Lauf des Dezembers das nächste Festival ausschreiben. Die Anmeldefristen laufen bis Mai. Und dann beginnt die Arbeit der Jury. Für dieses Festival hatten wir rund 2000 Filme zu sichten, von denen 200 in die engere Wahl und etwa 70 in den Wettbewerb kamen.

Das bedeutet, dass das Festival von einem Frühjahrsfilmfest zu einem Herbstfilmfest wird?
Aigner: Ja, wir planen zuversichtlich die 15. Ausgabe für Herbst 2021. Wir wollen auch mit dem Theater und anderen Kulturveranstaltern kooperieren, aber zum jetzigen Zeitpunkt ist es schwierig, schon in die konkreten Planungen einzusteigen.

Was erhoffen Sie sich von der Politik in den nächsten Wochen?
Aigner: Konkret für unser Festival hoffen wir, dass die Stadt, der Bezirk und das Land uns weiterhin unterstützen und die Gelder nicht gekürzt werden. Im Gegenteil. Wir planen für den Neustart des analogen Festivals im Herbst eine Neuauflage des cineastischen Stadtspaziergangs "A Wall is a Screen", ein Format, das eine sehr gute Resonanz hatte und das aber eben auch recht aufwendig ist.

Und Corona-bedingt, was sind Ihre Hoffnungen, Wünsche und Forderungen?
Aigner: Ich hoffe, die Politik Wege findet, die vielen Kulturschaffenden tatsächlich zu unterstützen. Denn vieles kommt noch gar nicht bei den Einzelnen an. Hier geht es letztlich um die Zukunft der Veranstaltungsbranche, der Kreativwirtschaft, aber auch um die Gastronomie und die Vereine. Die Bundesregierung hat zum "Lockdown light" mitgeteilt, dass "alle Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen", verboten würden. Kultur als reine "Unterhaltung" zu betiteln, bedeutet jedoch eine grobe Minderschätzung aller Kulturschaffenden. Hier muss ein Umdenken stattfinden. Wenn die Politik das Kulturleben weiter einschränkt und die Akteure nicht endlich unterstützt, dann kommt das einem großen Versagen gleich.

DK


Das Interview führte
Katrin Fehr.