Ingolstadt
Schwerwiegender Verdacht

Diebesbande soll Audi tonnenweise Fahrzeugteile gestohlen haben

23.08.2018 | Stand 23.09.2023, 3:53 Uhr
Prozessauftakt gegen die beiden mutmaßlichen Diebe. −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Vor dem Landgericht Ingolstadt müssen sich seit gestern zwei Rumänen verantworten, denen zur Last gelegt wird, Teil einer Diebesbande zu sein, die alleine zwischen September und November 2017 Fahrzeugteile im Wert von mehr als 1,4 Millionen Euro gestohlen haben soll. Ihnen drohen mehrjährige Haftstrafen.

Das Verfahren begann mit einer Geduldsprobe für die Prozessbeobachter und die wartenden Zeugen. Kaum war die fünfseitige Anklageschrift verlesen, zogen sich die Staatsanwältin, der Vorsitzende Richter Landgerichtsvizepräsident Jochen Bösl, die Angeklagten und ihre Vertreter sowie eine Dolmetscherin zu "Verständigungssgesprächen" zurück. Dabei wurde das mögliche Strafmaß diskutiert, das die Angeklagten im Falle einer Verurteilung erwartet und wie sich ein Geständnis auf auf die Haftdauer auswirken würde. Fast zwei Stunden dauerte diese Unterbrechung.

Bösl erklärte im Anschluss, was die Diskussion ergeben hatte: Demnach stellt das Gericht dem geständigen, angeklagten Lkw-Fahrer einer rumänischen Spedition - dem außerhalb des Verfahrens noch weitere Taten zur Last gelegt werden - eine Strafe zwischen fünf und fünfeinhalb Jahren und seinem in Ingolstadt gemeldeten, ebenfalls geständigen mutmaßlichen Komplizen eine Haftstrafe zwischen drei Jahren und acht Monaten und vier Jahren und drei Monaten in Aussicht.

Nach gut zweieinhalb Stunden ging es schließlich an die Rekonstruktion der Ereignisse, die im November des vergangenen Jahres schließlich zur Verhaftung der beiden führte. Wie ein Vertreter der Unternehmenssicherheit von Audi im Zeugenstand schilderte, war dem Konzern aus dem Werk in Györ mitgeteilt worden, dass Lieferungen von Fahrzeugkomponenten unvollständig in dem ungarischen Werk angekommen waren. Auch im Ingolstädter GVZ waren immer wieder "Fehlmengen" bei Lkw-Ladungen festgestellt worden. So waren etwa bei einer Lieferung am 20. September 630 Lambdasonden und 1080 Temperaturfühler verschwunden. Offenbar waren die Verpackungen geöffnet, die Ware entnommen und die Packbänder danach wieder verschlossen worden. Die Autoteile waren zuvor vom Hersteller in Duisburg per Lkw zu einem Logistikunternehmen in Großmehring gefahren worden. Dort werden täglich Bahn-Lieferungen für Audi in Ungarn zusammengestellt. Dabei wurde festgestellt, dass offenbar auch eine Kiste mit 3840 Zündkerzen geleert worden war, die im selben Lkw aus Duisburg nach Bayern gekommen war. Der Gesamtwert der allein bei dieser Fahrt verschwundenen Waren wird mit über 310000 Euro angegeben. Laut Anklage werden den beiden Rumänen ähnliche Diebstähle von Waren im Gesamtwert von knapp 1,5 Millionen Euro angelastet.

Bei der Untersuchung der Fälle, stellte die Werkssicherheit von Audi fest, dass bei verdächtigen Fahrten stets derselbe Lkw und derselbe Fahrer beteiligt waren. Bei der nächsten Ankunft des Lkw in Großmehring nahm die Audi-Werkssicherheit den fraglichen Laster genauer in Augenschein. Prompt fehlten 288 Turbolader, und vier Klimakompressoren im Gesamtwert von mehr als 325000 Euro. Der Verdacht gegen den Fahrer hatte sich also erhärtet.

Um nicht nur ihn, sondern auch mögliche Abnehmer dingfest zu machen, hefteten sich am 13. November zwei von Audi beauftragte Detektive an die Fersen des Verdächtigen und verfolgten seine Fahrt von Weesp (Niederland) nach Bayern. Bei Audi nahm man an, dass bei dieser Fahrt vor allem Turbolader gestohlen werden sollten, berichtete der Zeuge. Kurz vor Ingolstadt wich der verdächtige Lkw von der direkten Route ab und steuerte den Parkplatz "Tauberfelder Grund" an der Bundesstraße 13 an. Dort warteten bereits der mutmaßliche Komplize und einige Helfer. Sie stiegen auf die Ladefläche des Lkw und begannen, Fahrzeugteile in Müllsäcke umzuladen. Als die Detektive den Lkw passierten, um das Kennzeichen des Wagens zu notieren, mit dem der Komplize gekommen war, schöpften die Diebe offenbar Verdacht und brachen ihre Aktion ab, berichtete der Audi-Mitarbeiter. Inzwischen war auch die Polizei verständigt. Je eine Streife aus Ingolstadt und Eichstätt eilten heran, um den Lkw zu kontrollieren. Als die Polizisten eintrafen, war der verdächtige Pkw bereits wieder abgefahren. Den Beamten fiel bei der anschließenden Kontrolle des Lasters offenbar nichts Verdächtiges auf, berichtete der Zeuge. Der Lkw durfte seine Fahrt fortsetzen und steuerte schließlich das GVZ an. Dort veranlasste der Werksschutz eine weitere Durchsuchung des Lkw, bei der den Ermittlern und der Kripo schließlich die gefüllten Müllsäcke in die Hände fielen. Die Verdächtigen hatten darin 60 Klimakompressoren im Gesamtwert von 42240 Euro verpackt.

Am 15. und 16. November wurden die beiden Rumänen schließlich verhaftet. In einem weiteren Verfahren müssen sich auch der Inhaber einer Ingolstädter Autowerkstatt und einer seiner Angestellten verantworten, die das Diebesgut ins Ausland verkauft haben sollen. Das Verfahren gegen den Lkw-Fahrer und seinen mutmaßlichen Kompagnon wird heute ab 9.15 Uhr fortgesetzt.

 

Johannes Hauser