Ingolstadt
"Das ist völlig aus dem Ruder gelaufen"

Tumult mit Asylbewerberinnen am Bussteig des Hauptbahnhofes, nachdem Rollstuhlfahrer zusteigen möchte

30.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:50 Uhr
So ruhig wie gestern Nachmittag ist es am Bussteig der Linie 16 nicht immer. Vergangenen Samstag kam es hier zu einem Tumult. −Foto: Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Ein Rollstuhlfahrer trifft in einem Bus auf mehrere Mütter mit Kinderwagen: Eine solche Situation allein bietet mitunter Anlass für Diskussionen.

In einem Fall vom vergangenen Wochenende schaukelte sich die Situation so hoch, dass die Polizei kommen musste. Geschehen am Samstag kurz nach 20 Uhr an der Bushaltestelle beim Hauptbahnhof. 148 Kommentare zählte das soziale Netzwerk Facebook am frühen Dienstagabend auf den entsprechenden Beitrag des Mannes, der am Samstag mit seinem elektronischen Rollstuhl mit dem letzten Bus der Linie 16 nach Geisenfeld fahren wollte - und am Hauptbahnhof in einen Tumult unter Asylbewerberinnen geriet.

Der Leiter der Ingolstädter Polizeiinspektion, Peter Heigl, bestätigte den Vorfall gestern auf Anfrage. Weil es dabei nicht zu Straftaten gekommen sei und niemand verletzt wurde, fand sich der Vorfall nicht im Pressebericht der Polizei, betont Heigl. "Wir haben das nicht bewusst zurückgehalten", antwortet er auf Kommentare auf Facebook. Allerdings haben die Einsatzkräfte den Vorfall wohl unterschätzt: "Mit so einer Welle hatten wir nicht gerechnet", so Heigl.

Was war geschehen? Der letzte Bus des Tages der Linie 16 nach Geisenfeld, den der Rollstuhlfahrer nehmen musste, um nach Hause zu kommen, ist auch der letzte, der das Weiherfeld und damit das Ankerzentrum der Regierung von Oberbayern in der ehemaligen Max-Immelmann-Kaserne anfährt. Der Bus war schon gut voll, auch Mütter mit Kinderwagen standen bereits in dem Bus, als der Mann mit dem Rollstuhl zusteigen wollten. Der Busfahrer hatte eine Rollstuhlrampe ausklappen lassen und einige Frauen mit Kinderwagen aufgefordert, den Bus kurz zu verlassen, damit der Mann mit seinem Rollstuhl rangieren und den dafür vorgesehenen Platz einnehmen kann. Doch an der Haltestelle wollten noch weitere Asylbewerberinnen mit Kinderwagen zusteigen. Weil die einen nicht aussteigen wollten und die anderen in den Bus drängten, sei es zu einem heftigen Wortgefecht und Durcheinander gekommen. "Obwohl der Bus bereits völlig überfüllt gewesen war, versuchten die Frauen weiter unter massiver Gewalt in den Bus zu gelangen", schreibt der Rollstuhlfahrer auf Facebook. Auch die SPD-Stadträtin Petra Volkwein, die Augenzeugin des Vorfalls war, spricht von einem "großen Tumult". "Das ist völlig aus dem Ruder gelaufen", sagte sie.

Grund für den Streit war laut Polizeichef Heigl, dass nach den Richtlinien der INVG in einem Bus nicht mehr als drei Kinderwagen mitfahren dürfen. Zunächst hatten zwei Mitarbeiter der Sicherheitswacht, die zufällig in der Nähe waren, versucht, die Wogen zu glätten. Vergeblich, weshalb wenig später die Ingolstädter Polizei mit zwei Streifenwagen eintraf. "Unsere Leute haben versucht, die Lage zu beruhigen", so Heigl.

Der Rollstuhlfahrer beschreibt die Szene in seinem Post so, als wäre er ein zufälliger Augenzeuge. "Als diese wildgewordene Horde mitbekommen hatte, dass die Polizei hinzugezogen worden sei, wollten plötzlich alle Beteiligten das Weite suchen. Sie versuchten, ihre Kinderwagen über den Kopf des Rollstuhlfahrers zu heben, was dieser aus Gründen des Eigenschutzes jedoch nicht zuließ. " Erst im Laufe der Facebook-Diskussion gab sich der Mann als der selbst betroffene Rollstuhlfahrer zu erkennen.

Die Polizei nahm die Personalien der Hauptbeteiligten an Ort und Stelle auf. Mit angeblich 40-minütiger Verspätung konnte der Bus weiterfahren - die Mitarbeiter der Sicherheitswacht fuhren vorsichtshalber mit. "Wir prüfen, ob es zu einer Bedrohungslage gekommen ist", so Inspektionsleiter Heigl. Die INVG prüfe ihrerseits, ob gegen Personen, die besonders aufgefallen seien, ein Beförderungsverbot verhängt werde. Eine Straftat lässt die Videoüberwachung am Hauptbahnhof nicht erkennen, so Heigl.

Weil der letzte Bus der Linie 16 oft überfüllt ist, will die Ingolstädter Verkehrsgesellschaft künftig einen weiteren Bus auf der Strecke einsetzen, so Heigl. Auch Stadträtin Volkwein, selbst im Aufsichtsrat der INVG, hat Geschäftsführer Robert Frank in einer Mail gebeten, durch einen sogenannten Verstärkerbus Abhilfe zu schaffen. Von der INVG war gestern niemand für eine Stellungnahme erreichbar.

Ruth Stückle