Ingolstadt
Schmutziges Geschäft mit dem Tod

Bestatter aus der Region betrügt Trauernde um mehr als 100000 Euro

09.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:35 Uhr
Die Überführung der Leichen in Krematorien berechnete der Bestatter den Hinterbliebenen, obwohl er die Fahrt gar nicht selbst ausführte und diese in einem Pauschalbetrag der Einrichtung bereits enthalten war. −Foto: Foto: Weihrauch/dpa

Ingolstadt (DK) Als schwarzes Schaf der Bestatterszene hat sich ein Unternehmer aus der Region hervorgetan. In Zusammenwirken mit einem Mitarbeiter kassierte er von Trauernden schamlos eine Überführungsgebühr ins Krematorium ab, obwohl er die Fahrt gar nicht selbst ausführte und diese in einem Pauschalbetrag längst enthalten war. Um mehr als 100000 Euro wurden Kunden geprellt. Der Fall landete nun vor dem Ingolstädter Amtsgericht.

"Das kann man schon als moralisch anstößig und verwerflich finden - sich auf Kosten der Hinterbliebenen zu bereichern." Ankläger Gerhard Reicherl sparte gestern nicht mit deutlichen Worten gegenüber den beiden Angeklagten. Und auch der Vorsitzende des Schöffengerichts, Vizedirektor Günter Mayerhöfer in seiner zweiten Verhandlung in neuer Funktion, sah es ebenso: "Die Kunden befinden sich in einer emotionalen Ausnahmesituation, da verlässt man sich auf den Bestatter und kümmert sich nicht so um die einzelnen Rechnungsposten. Das auszunutzen, hat für uns schon eine große Rolle gespielt."

Viele der abgezockten Trauernden haben aber offenbar gar nicht mitbekommen, dass sie durch den Bestatter betrogen wurden. Laut der Anklage verlangte der Unternehmer ab Februar 2014 in seinen Rechnungen unter dem Posten "Überführung" einen Betrag zwischen 250 und 300 Euro dafür, dass der Leichnam zur Verbrennung in Krematorien in Fürstenzell und Weißenburg transportiert wurde. Allerdings unternahm er zu jener Zeit die Fahrten nicht selbst, sondern das Krematorium. Die Kosten waren auch in einem Pauschalpreis für die Einäscherung enthalten, den die Hinterbliebenen zahlten. Der Bestatter kassierte also unberechtigt ab.

Zunächst wies er laut Staatsanwalt Reicherl seine Mitarbeiter ohne deren tiefere Kenntnis zu dem in dieser Form fragwürdigen Abrechnungsposten an, was in 153 Betrugsfällen und einem Schaden von rund 40000 Euro bis in den Juni 2015 resultierte. Ab diesem Zeitpunkt war der 43-jährige mitangeklagte Angestellte explizit in die Betrugspraxis eingeweiht und produzierte mit dem Chef zusammen weitere 225 Fälle mit einem Gesamtschaden von mehr als 65000 Euro.

Der Bestatter und sein Angestellter gestanden alles vollumfänglich ein, nachdem sich die Prozessbeteiligten auf einen Deal geeinigt hatten. Die Angeklagten kommen nun mit Bewährungsstrafen davon (ein Jahr und zehn Monate beziehungsweise ein Jahr und sieben Monate Haft müssen sie vorerst nicht absitzen) - trotz bereits einiger, wenn auch nicht einschlägiger Vorstrafen (drei der Chef, acht der Angestellte) und der hohen Schadenssumme. "Bei einem Betrag von über 100000 Euro denkt man tatsächlich nicht gleich an Bewährung", sagte Richter Mayerhöfer. Allerdings wiege das Geständnis viel. Zudem kann der entstandene Schaden wohl komplett geregelt werden, da bei dem Bestattungsunternehmen die vollen 100000 Euro eingezogen werden und der jeweilige Betrag dann von der Staatsanwaltschaft an die Geschädigten zurückgegeben wird. "Die gesamte Summe in dieser Höhe, das ist auch nicht alltäglich", sagte Mayerhöfer.

Zunächst hatte es gestern gar nicht so geklungen, als wollten die Angeklagten auspacken. Vor dem Deal hatte Verteidiger Maximilian Pauls eine Erklärung angekündigt: "Was wir vortragen, erschüttert den Tatnachweis massiv". Doch auf einen Irrtum in der Abrechnung oder anderweitige Ausflüchte redeten sich der Bestattungsunternehmer und dessen Adlatus letztlich doch nicht hinaus.

Inzwischen taucht die strittige Passage "Überführung" in dieser Form auch nicht mehr in den Abrechnungen des Unternehmens auf; beziehungsweise führt der Bestatter die Überführung der Leichen ins Krematorium jetzt selbst aus. Mayerhöfer: "Dann dürfen sie die Fahrt natürlich in Rechnung stellen."

Christian Rehberger