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Wer tut so was?

Mutter stellt 40 Rosen zum 40. Geburtstag der verstorbenen Tochter ans Grab - jetzt ist die Vase leer

15.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:58 Uhr
Die leere Vase oberhalb der Blumenschale blieb von dem prächtigen Rosenstrauß übrig. Auch ein Bekannter der Mutter, die die Blumen ans Grab der verstorbenen Tochter gebracht hatte, ist über den dreisten Diebstahl entsetzt. −Foto: Eberl

Mailing (DK) Es ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten: Auf dem alten Mailinger Friedhof hat ein Unbekannter einen Blumenstrauß gestohlen - 40 Rosen, die für die vor 21 Jahren totgefahrene und auf dem Friedhof begrabene Tanja Diamanti gedacht waren. Am 9. November, als die Mailingerin ihren 40. Geburtstag gehabt hätte, hat ihre Mutter die Blumen ans Grab gebracht. Vier Tage später waren sie weg.

Es ist 21 Jahre her, dass Tanja Diamanti bei einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben kam. Irgendwo zwischen Oberdolling und Theißing war die junge Frau, die abends kurz nach 21 Uhr mit dem Motorroller unterwegs war, von einem betrunkenen Autofahrer übersehen und tödlich verletzt worden. Wo genau der Unfall passierte, hat die Mutter, Hannelore Diamanti, vermutlich verdrängt. "Ich bin da nie mehr hingefahren", sagt sie. Von sich selbst will sie auch gar nicht viel sprechen. "Ich will keine rührselige Mitleidsgeschichte nach dem Motto ,die arme Mutter'", sagt sie immer wieder. Es gehe auch nicht ums Geld, die knapp 80 Euro, die sie für die Rosen ausgegeben habe, um ihrer verstorbenen Tochter etwas zu schenken. "Es geht mir nur um den Dieb." Der solle erfahren, was er angerichtet hat. "Einer Toten, die sich nichts kaufen kann, etwas zu stehlen..." Die 74-Jährige findet dafür keine Worte. "Das ist so gemein." Sie will, dass der Dieb "wenigstens ein schlechtes Gewissen hat".

Das Familiengrab auf dem alten Mailinger Friedhof ist perfekt gepflegt. Als Welle - das typische Yin-Yang-Symbol - angeordnete Pflastersteine trennen das Grab in einen Teil mit Erde und einen mit Stein. In einer aufgestellten Marmortafel ist ein Bild der Verstorbenen eingefasst - eine lächelnde junge Frau mit Strohhut. Ein zweites, neueres Foto daneben, zeigt Carmen, die zweite Tochter Diamantis. Sie starb im vergangenen Jahr - mit 53. Ein mit Rosen besetztes Herz hat die Mutter zu Allerheiligen ans Grab gelegt. Der Wacholderbusch im hinteren Teil des Grabes wird jedes Jahr akribisch zugeschnitten. Neben einer Blumenschale steht eine leere Vase. Darin waren die 40 Rosen, die Hannelore Diamanti ihrer vor 21 Jahren verunglückten Tochter zum 40. Geburtstag gekauft hat.

Am Dienstag, einige Tage, nachdem die Verstorbene ihren 40. Geburtstag gehabt hätte, kam Evi Lins, eine gute Bekannte Diamantis, auf den Friedhof, um ihr eigenes Familiengrab zu richten. "Ich habe mich gewundert, dass die Lore zu Tanjas Geburtstag diesmal gar keine Blumen ans Grab gestellt hat", erzählt sie dem DK. "Dann hab ich auch schon die leere Vase gesehen - und alles war klar." Auch sie fragt sich, wie jemand so etwas tun kann. "Wenn man ans Grab geht und die Bilder sieht, wie kann man dann noch die Blumen mitnehmen. Das ist sowas von pietätlos", findet sie.

Hannelore Diamanti hat den Diebstahl ebenfalls am Dienstag, als sie ans Grab kam, bemerkt. "Ich war total sprachlos." Ihr erster Gedanke: "So eine Unverschämtheit." Auch von anderen Gräbern auf dem Friedhof weiß sie, dass schon mal etwas gestohlen worden ist. Einmal seien Zweige abgeschnitten worden, auf einem anderen Grab sei ein herzförmiges Gesteck weggekommen, wie sie gehört habe.

Wird auf den Friedhöfen rund um Ingolstadt tatsächlich viel gestohlen? Ulrich Linder, der Leiter des städtischen Gartenamts, das die Grünarbeiten auf den Friedhöfen erledigt, kann das nicht bestätigen. Ein Fall wie die gestohlenen Rosen, glaubt er, sei "eine bedauerliche Ausnahme". Frisch gesetzte Pflanzen würden immer mal wieder verschwinden - Linder kennt das vor allem von den städtischen Grünflächen, wo schon mal Primeln ausgegraben würden. Von Friedhöfen ist ihm so etwas aber weniger bekannt.

Auch die Polizei kann diesbezüglich keinen Trend in Ingolstadt erkennen, wie Christian Asner von der Polizeiinspektion Ingolstadt auf Anfrage sagte. Allerdings würden solche Dinge meistens auch nicht angezeigt. Vergangene Woche habe es auf einem Ingolstädter Friedhof eine Sachbeschädigung gegeben. Da habe jemand an einem Grab seine Zerstörungswut ausgelassen. Aber Blumen von einem Grab stehlen? Pietätlos - aber wohl ein "bedauerlicher Einzelfall".
 

Ruth Stückle