Ingolstadt
Eine Region im Streik

Kitas bis Klinikum sind vom Ausstand betroffen - Verdi und GEW zählen über 900 Teilnehmer

11.04.2018 | Stand 02.12.2020, 16:35 Uhr
In Ingolstadt zogen rund 400 Streik-Teilnehmer nach einer Kundgebung auf dem Rathausplatz durch die Innenstadt, −Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Streik an Kitas und Kindergärten, städtischen Einrichtungen und Kliniken war heute in Ingolstadt und der Region angesagt. Mit Trillerpfeifen verschafften sich rund 400 Streikende bei einer Kundgebung von GEW und Verdi auf dem Ingolstädter Rathausplatz Gehör. Zehn Busse mit insgesamt 456 Teilnehmern machten sich zudem heute Morgen auf den Weg zur zentralen Kundgebung nach Nürnberg.

„Wer eine Horde Kinder managt, verdient ein Managergehalt“, stand auf einem der vielen Plakate auf dem Ingolstädter Rathausplatz. So weit wollen die Streikenden und Gewerkschaften aber gar nicht gehen. Ihre tatsächlichen Forderungen sind deutlich bescheidener: „Bessere Anerkennung, bessere Arbeitsbedingungen, eine bessere Personalbesetzung, mehr Gehalt“, wünschen  sich die  vornehmlich weiblichen Erzieherinnen, die sich hier zur Streikkundgebung mit anschließendem Marsch durch die Innenstadt eingefunden haben.  Isabella Tieber, Leiterin des Kindergartens in Kösching, ist  mit ihrem Team auf dem Rathausplatz dabei. Auch der Gemeindekindergarten und die Krippe in Großmehring sind mit voller Mannschaft vertreten.  Und die meisten  Kitas der Stadt, die gestern bis auf wenige Ausnahmen geschlossen hatten. 

Als „Zeichen des guten Miteinanders“ war auch Oberbürgermeister Christian Lösel auf dem Rathausplatz präsent. Und machte  in seinem Grußwort klar,   dass die Forderung der Gewerkschaften für den öffentlichen Dienst bei ihm  auf offene Ohren stoße.     Gerade in Ingolstadt, einem Standort mit florierender Wirtschaft, gebe es  zunehmend Wettstreit um die besten Köpfe. „Wir müssen schauen, dass wir als öffentlicher Dienst in der Summe nicht abgekoppelt werden.“ Lösel sprach sich für eine Reallohnsteigerung aus, bat aber darum, die Tarifverhandlungszeit kurz  zu halten. 

„Wir legen den Grundstock für unsere Gesellschaft“, hob der Erzieher, Kinderpfleger und Heilerziehungspfleger Andreas  Fischer aus Neuburg die Verantwortung der Erzieherinnen und Erzieher in Krippen  und Kindergärten hervor. Es werde höchste Zeit, dass der wichtige Beitrag, den diese  für die Gesellschaft und das Land leisteten,  entsprechend honoriert werde. „Warum verdient jemand, der Autos baut, mehr als die, die an Menschen arbeiten?“, fragte sich die Landtagskandidatin der Linkspartei,  Eva Bulling-Schröter.

 GEW-Landesvorsitzender Anton Salzbrunn monierte, dass es  in Bayern immer noch keine  Lehrerentgeltordnung für Lehrkräfte, die bei Kommunen beschäftigt sind, gebe.  Das müsse sich ändern. Applaus von den an der Kundgebung teilnehmenden Mitarbeitern des Berufsbildungszentrums.  Für Gebiete wie Ingolstadt, in denen die Mieten horrend seien, sei zudem eine Ballungsraumzulage „längst überfällig“. Die Tatsache, dass die Arbeitgeber noch nicht einmal ein Angebot auf den Tisch gelegt hätten, zeige „die Arroganz gegenüber den Beschäftigten“, so Salzbrunn in seiner von Trillerpfeifen und Applaus begleiteten Rede. Sollte bei der dritten Tarifrunde am Wochenende immer noch kein Angebot vorliegen, „kommen wir wieder“. Dann würden „die Maikundgebungen zu Streikkundgebungen“.  

  Von einer „überfälligen und realistischen Forderung“ sprach DGB-Sekretär Christian De Lapuente. „Wir brauchen gut qualifizierte und motivierte Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Gute Arbeit braucht gute Leute. Und die müssen ordentlich für ihre Arbeit bezahlt werden“, lautete seine Botschaft an die örtlichen Arbeitgeber. Auch für den neuen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte er einen Rat parat: „Nehmen Sie die Beschäftigten ernst!“  

Verdi und die GEW fordern für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen sechs Prozent mehr Lohn und Gehalt, mindestens aber 200 Euro im Monat. Gleichzeitig sollen die Ausbildungsvergütungen und Praktikantenentgelte um 100 Euro pro Monat angehoben und die Vorschrift, Azubis nach abgeschlossener Ausbildung zu übernehmen, wieder in Kraft gesetzt werden.

Von dem Streik betroffen waren  neben städtischen Kindertageseinrichtungen und  Tochtergesellschaften  auch  Einrichtungen des Bundes, darunter das Ausbildungszentrum Pioniere in Ingolstadt und die Wehrtechnische Dienststelle in Manching. Auch in den Landkreisen Eichstätt, Pfaffenhofen und Neuburg-Schrobenhausen standen viele vor verschlossenen Kita- oder Behördentüren. Vom  Ingolstädter Klinikum sind gestern  rund 80,  von den Kliniken im Naturpark Altmühltal gut 50 Mitarbeiter zur zentralen Kundgebung nach Nürnberg aufgebrochen.  Eine Notdienstvereinbarung gab es am Klinikum nicht, weil eine deutliche Einschränkung der medizinischen Versorgung  nicht zu erwarten gewesen sei, so    Pressesprecherin Katja Vogel. Der Betrieb lief weitgehend normal. Allerdings mussten fünf geplante Operationen verschoben werden. In Kösching wurde streikbedingt ein Operationssaal  nicht genutzt.
 
Größere Beschwerden gab es gestern  bei der Stadtverwaltung nicht, so Pressesprecher Michael Klarner. Der DK traf vor der geschlossenen Kita Grüne Insel zufällig den Fahrer eines Kühlwagens, der  Gefriergut anliefern  wollte und vor verschlossenen Türen stand. Schon am Dienstag  musste ein Termin in der Audi-Duft-Werkstatt entfallen. Der Bürgermeister  aus Grasse und sein Begleiter waren „Opfer“ der Flughafenstreiks. Ihr Lufthansaflug aus Nizza wurde  annulliert.