Ingolstadt
"Verstoß gegen die Neutralitätspflicht"

Oppositionsparteien im Stadtrat wenden sich wegen eines Leserbriefs des Rechtsrefenten Dirk Müller an den OB

14.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:47 Uhr
In der Kritik: Rechtsreferent Dirk Müller (r.). Die Opposition hat sich wegen ihm an OB Christian Lösel gewandt. −Foto: Hammer/Archiv

Ingolstadt (DK) Im Juli vergangenen Jahres hat der neue Rechtsreferent Dirk Müller sein Amt in Ingolstadt angetreten. Jetzt sorgt der aus Höxter in Ostwestfalen stammende Rechtswissenschaftler für Unmut bei den Oppositionsparteien. Stein des Anstoßes: Müller hat in einem ausführlichen Leserbrief im DONAUKURIER das umstrittene bayerischen Polizeiaufgabengesetz (PAG) verteidigt - und der CSU, was die Notwendigkeit des Gesetzes anbelangt, damit vier Monate vor den Landtagswahlen den Rücken gestärkt.

Die Fraktionen von SPD, Grünen, BGI und ÖDP sehen darin einen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht - und haben sich in einem gemeinsamen Schreiben an Oberbürgermeister Christian Lösel gewandt. Denn Referenten und Amtsleiter dürfen im Sinne des Neutralitätsgebots der Verwaltung fünf Monate vor Kommunal-, Bundestags- und Landtagswahlen nicht bei Parteiveranstaltungen zu Rate gezogen werden.

"Mit Erstaunen und Verwunderung mussten unsere Fraktionen am Freitag, 8. Juni, im DK einen Leserbrief des städtischen Rechtsreferenten Dirk Müller mit dem Titel ,Fortentwicklung des Rechts im Dienst des Bürgers' zur Kenntnis nehmen", heißt es in dem Schreiben an den OB. Wenn Parteien für Veranstaltungen oder Podiumsdiskussionen städtische Amtsleiter oder Referenten für thematische Fragen anforderten und diese Veranstaltungen finden sechs Monate oder weniger vor dem nächsten Wahltermin statt, heiße die Auskunft seitens der Stadt regelmäßig, dass dies den städtischen Amtsleitern und Referenten in diesem Zeitraum nicht gestattet sei.

In dem Leserbrief nehme Müller eindeutig Stellung zu dem umstrittenen Gesetz und befürworte dies. "Das PAG ist zwar seit kurzer Zeit in Kraft, muss jedoch, bevor es endgültig zur Anwendung kommen kann, die Hürden des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichts nehmen. Es wird weiterhin Thema im Wahlkampf zur Wahl des Bayerischen Landtages am 14. Oktober 2018, also in gut vier Monaten sein", so die vier Oppositionsparteien. Müller habe "eindeutig zu einem sehr kontrovers diskutierten Thema im Landtagswahlkampf Stellung bezogen, noch dazu in einem deutlich erkennbaren parteipolitischen Sinne, eindeutig die Argumentation der CSU aufgreifend", heißt es in dem von Achim Werner (SPD), Petra Kleine (Grüne), Christian Lange (BGI) und Thomas Thöne (ÖDP) unterzeichneten Brief. Was den Parteien zudem aufstößt ist, dass der Referent den Leserbrief nicht als Privatperson, sondern als "Dirk Müller, Ingolstädter Referent für Recht, Sicherheit und Ordnung, und somit mit der vollen Autorität, welche dieses Amt mit sich bringt" unterschrieben habe.

Der Referent habe nicht nur gegen die Neutralitätspflicht verstoßen, sondern auch seinem Amt geschadet. Er habe zudem das Vertrauen des Stadtrates missbraucht, der ihn mit großer Mehrheit über Fraktionsgrenzen hinaus gewählt habe. Angesichts der kurzen Zeit, in der Müller im Amt sei, bitten die Oppositionsparteien, diesem "eine Einweisung in die Ingolstädter Gepflogenheiten zu geben".

Dies dürfte mittlerweile geschehen sein. Der DK hatte Müller selbst Gelegenheit geben wollen, sich zu dem Vorfall zu äußern und zugleich eine Anfrage bei der städtischen Pressestelle zu dem Thema gestellt. Ein bereits vereinbarter Termin mit dem Rechtsreferenten wurde abgesagt - mit Hinweis auf die folgende Stellungnahme der Stadt. Einen Tag nach der offiziellen Presseanfrage teilt die Stadt mit: "Rechtsreferent Müller bedauert, dass sein Leserbrief zu dem vom Landtag beschlossenen Polizeiaufgabengesetz zu Irritationen geführt hat. Er war von ihm als Beitrag zur sachlichen Diskussion aus der fachlichen und juristischen Sicht des für Sicherheit und Recht zuständigen Referenten gedacht. In einem persönlichen Gespräch hat der Oberbürgermeister den Rechtsreferenten inzwischen gebeten, sich künftig nur zu solchen Themen öffentlich zu äußern, die die Stadt Ingolstadt oder ihren unmittelbaren Wirkungskreis betreffen. Der Oberbürgermeister und der Rechtsreferent sind sich einig über die Bedeutung der Neutralitätspflicht, insbesondere vor Wahlen."
 

Ruth Stückle