Ingolstadt
Bei der Stadtbahn leicht voraus

Der Ingolstädter Stadtrat stimmte im April für die Prüfung möglicher Trassen einer Stadtbahn

28.05.2019 | Stand 23.09.2023, 7:12 Uhr
Eine Straßenbahn durch die historische Altstadt? In Regensburg ist das nicht undenkbar - so, wie es auch bis 1964 funktioniert hat. Mit den damaligen Bimmelbahnen hat die heute geplante Stadtbahn allerdings wenig zu tun. −Foto: Stadt Regensburg

Ingolstadt (DK) Regensburg ist da schon ein paar Schritte weiter: Dort gibt es seit vergangenem Jahr einen Beschluss zum Bau einer Trasse, weswegen sich demnächst eine Ingolstädter Delegation auf Infotour nach Regensburg begeben wird. In der Hauptstadt der Oberpfalz werden sie erfahren, dass es noch einige Hürden für das Projekt gibt.

Ganze 50 Jahre nach Einstellung der Straßenbahn, die in Regensburg zwischen 1903 und 1964 fuhr, hat der Stadtrat ein Mammut-Projekt in Angriff genommen: Die Stadt am nördlichsten Punkt der Donau soll eine Stadtbahn bekommen. Vergleichbar ist das Stadtbahn-Konzept nicht mehr mit der historischen Tram von einst. Und dennoch setzen die Stadtväter in Regensburg viel darauf, dass die massiven Verkehrsprobleme im boomenden Regensburg zumindest gelindert werden können. Auch Ingolstadts Stadträte erwägen, eine Stadtbahn zu implementieren. Grund genug, sich vor einem Besuch des Stadtrates aus der Schanz in Regensburg umzusehen, wie weit das Projekt eigentlich dort gediehen ist.

An seine Grenzen ist der ÖPNV in Regensburg schon lange geraten. So stieg die Zahl der Fahrgäste im Jahr von 26 auf 38 Millionen in den letzten 20 Jahren, auch die Zahl der Busse stieg von 257 auf 400. Bereits im Jahr 2006 hatte der Stadtrat die Wiedereinführung einer Art Straßenbahn prüfen lassen. Doch damals winkten die Experten noch ab: Zu wenig Ertrag für den Verkehr, zu hohe Kosten. Erst 2018 hat sich das grundlegend geändert.

Frank Steinwede ist Leiter der strategischen ÖPNV-Planung bei "Das Stadtwerk.mobilität", der städtischen Tochter, die den Busverkehr koordiniert. Er soll die Stadtbahn auf die Gleise stellen. "Für uns steht eine Verkehrswende im Mittelpunkt", sagt Steinwede. "Zudem ist die Stadtbahn eine Möglichkeit zur Umgestaltung der Stadt", so Steinwede. So sei es möglich, das Gleisbett einer Stadtbahn zu begrünen. "Das ist auch eine Erleichterung für die Anwohner", so der Chef-Stratege.

Bemerkenswert ist: Das Thema Verkehr ist auch in Regensburg ein wahrlich heikles. Seit vielen Jahren diskutiert die Stadt mit dem Landkreis, wo man eine weitere Donauquerung bauen könnte. Die Steinerne Brücke ist längst für den Auto-, aber auch den Busverkehr gesperrt. Die historische Altstadt wird für den Verkehr zunehmend zum Nadelöhr. Lange Staus sind die Folge. Allein der Regensburger Verkehrsverbund, in dem Stadt- und Landkreis-Busbetriebe gemeinsam organisiert sind, taxiert die Verluste wegen der Sperrung der Steinernen auf 750.000 Euro jährlich. Doch neue Brücken sind schwer zu bauen: Teils, weil sie in idyllischen Landschaften münden, teils weil sie durch beengte Tunnelröhren nur an ein Nadelöhr andocken würden.

Die vom Stadtrat beschlossene Stadtbahn indes hat kaum für Kontroversen gesorgt. Das mag auch am Zeithorizont liegen: Solange für die Stadtbahn keine Straßen für den Individualverkehr gesperrt werden müssen, ist die Stadtbahn für den Bürger nicht greifbar, aber auch kein Problem. Und doch gab es Bedenken der Bürger.

An erster Stelle: Warum setzt man nicht auf Innovationen, wie etwa autonom fahrende Taxis? "Aus Kapazitätsgründen nicht für die Hauptachsen des Verkehrs als Alternative geeignet", erwiderten dazu die Experten. Experimente wie die Flugtaxis, die in kühnen Visionen einmal über der Region Ingolstadt schweben sollen, wären wohl höchstens ein Tropfen auf den heißen Stein des drohenden Verkehrsinfarkts. Und dennoch sind die Bürger offensichtlich sehr innovativ: Auch eine Seilbahn, wie sie in Ingolstadt ebenfalls schon angedacht worden ist, hatten die Regensburger ins Spiel gebracht, als sie die Experten mit Fragen löchern konnten. Doch diese sei "kein sinnvoller Ersatzzweck für Regensburg." Vielmehr müsse es das Ziel sein, "ein Mobilitätsangebot zu schaffen, das gut ins städtebauliche Umfeld, unter anderem dem Unesco-Welterbe, integrierbar ist", so die Experten.

Doch auch die Konkurrenz für die Alternativen zum Autoverkehr brannte den Bürgern unter den Nägeln: So fürchten vor allem die Radfahrer, im ohnehin schon engen Verkehr mit einer zusätzlichen Stadtbahn unter die Räder zu kommen. Dem entgegnen die Experten, dass man eben eigene Radfahrstreifen einrichten müsste. Weitere Bedenken hatten die Bürger bezüglich der Engstellen, die es in einer historischen Stadt wie Regensburg zweifellos gibt, aber auch vor allem eine Verschandelung der Stadt-Silhouette stand im Vordergrund der Bürger-Kritik. Diese Debatte wird sicher wieder aufflammen, sobald tatsächlich gebaut wird.

Steinwede von "Das Stadtwerk.mobilität" räumt ein, dass es beim Bau der Gleise erst einmal Behinderungen geben werde. "Punktuelle, so wie derzeit bei der Erweiterung der A3, vergleichbar dort, wo Brückenbauwerke neu gebaut werden müssen", sagt Steinwede. Der Individual-, aber auch der Busverkehr müsse dann ausweichen. "Das darf aber kein Argument gegen die Verkehrswende sein", sagt der ÖPNV-Experte. Als nächster Schritt wird in Regensburg erst einmal der in die Jahre gekommene Zentrale Omnibusbahnhof erneuert. Hier soll die Stadtbahn ihre wichtigste Haltestelle bekommen. "Wir planen die Stadtbahn-Route von Nord nach Süd", so Steinwede. Die Strecke wird wie ein Ypsilon verlaufen. "Der Osten und der Westen werden dann mittels Bussen erschlossen."

Über kurz oder lang sollen aber auch die Busse durch die Stadtbahn ersetzt werden. Steinwede kann sich vorstellen, dass die Stadtbahn die großen Mengen an Fahrgästen transportiert, kleinere, autonome Fahrzeuge "können dann die Stadtquartiere erschließen". Die Innovationsbereitschaft der Bevölkerung scheint auch in den Amtsstuben angekommen zu sein. Doch bislang gibt es für die Planungslust noch Grenzen: die der Stadt nämlich. Zwar gibt es bereits Forderungen, eine Stadtbahn auch in den Landkreis Regensburg zu führen. Aber das ist Zukunftsmusik, die noch von viel weiter her erklingt, als es die Stadtbahn ohnehin schon tut.

All das werden Steinwede und andere Vertreter der Stadtverwaltung auch der Ingolstädter Delegation erzählen, wenn sie zu Besuch kommt.

Christian Eckl