Ingolstadt
Überraschungsangriff aus dem Glacis

Neue Wirtschaftsschule: Freie Wähler setzen Widerstand fort und brüskieren den Stadtratspartner CSU

26.07.2018 | Stand 23.09.2023, 4:13 Uhr
Auge in Auge: Peter Springl (l.) ging gestern im Sitzungssaal gegen OB Christian Lösel (r.) in die Offensive. Zwischen ihnen das Modell eines möglichen Baukörperensembles rund um den Turm Baur. −Foto: Foto: Silvester

Ingolstadt (DK) Die Freien Wähler lehnen den Plan für einen Neubau der Wirtschaftsschule neben deren Altbau am Brückenkopf ab. Gestern in der Sondersitzung des Stadtentwicklungsausschusses lieferte sich Fraktionschef Peter Springl einen offensiven Disput mit OB Christian Lösel und blieb dann der Abstimmung fern. Sein FW-Fraktionskollege Hans Stachel votierte als Einziger gegen die Empfehlung für einen Bauvorbescheid. Begründung: Das gehe alles viel zu schnell.

Sie kehren sonnigen Gemüts aus dem Glacis zurück. So wirkt es an diesem heißen Donnerstag gegen Mittag zumindest. Gerade eben haben die Mitglieder des Stadtentwicklungsausschusses im Schatten des Turm Baur ein Baukörpermodell aus Papier mit den realen Gegebenheiten rund um das Baudenkmal verglichen. Die weiße Miniatur visualisiert eine weitere, bis dato noch nicht präsentierte Variante für den Neubau der Wirtschaftsschule und der Tilly-Realschule ebenda: neben dem Turm Baur, umgeben vom Glacis.

Dieser Vorschlag für das Bauvorhaben auf städtebaulich wie ökologisch sehr heiklem Terrain scheint bei allen gut anzukommen. Im Sitzungssaal des Neuen Rathauses eingetroffen, loben mehrere Stadträte die positive Wirkung eines Ortstermins; da sehe man gleich viel klarer, heißt es, was die Entscheidung wesentlich erleichtere. Doch keine Viertelstunde später ist die gute Laune perdu. Es wird gezankt.

OB Christian Lösel (CSU) unterbricht die Sitzung und bittet alle nach vorne, damit sie das Modell aus der Nähe sehen können. Ihm gegenüber geht FW-Fraktionschef Peter Springl in Stellung. Sie erinnern ein bisschen an Offiziere eines Generalstabs, die um einen Kartentisch versammelt die Lage erörtern - mit dem feinen Unterschied freilich, dass Springl und Lösel hier nicht gemeinsam Krieg führen. Der FW-Anführer eröffnet die Offensive: "Das entspricht nicht meinem Qualitätsstandard, Christian! So was stimmen wir nicht zu!" Manfred Schuhmann (SPD) tritt heran: "Ich verstehe wirklich nicht, was Ihr hier aufführt!" Das wird gespielt: Die FW brüskieren auf offener Bühne ihren Stadtratspartner CSU. Gerd Werding, der die FW 2017 im Streit verlassen hat, greift seine Ex-Freunde an: "Das ist reine Schikane! Wollt Ihr wirklich bis zur Wahl so weitermachen?" Grimmigen Blicks wendet sich der Chef der nach dem Bruch gebildeten UDI-Fraktion ab.

Der Streit kommt wenig überraschend. Schon in den Vorberatungen Anfang Juli hatten die FW eine Front gegen den Neubau der Schulen aufgebaut. Sie argumentieren mit dem Schutz des Glacis und des historischen Ensembles rund um den Turm Baur. Dass ausgerechnet die FW plötzlich ihr Herz für Denkmal- und Naturschutz entdecken, hatte Werding bereits damals als "sehr bemerkenswert" bewertet.

Bevor es laut wird, begründen Springl und sein Fraktionskollege Hans Stachel, was sie an diesem Vorgang so stört: "Vor gerade mal 30 Minuten ist uns eine neue Variante 5 präsentiert worden, die jetzt ohne Unterlagen zur Entscheidung auf dem Tisch liegt!" Das gehe viel zu schnell. "So ist das nicht entscheidungsfähig!", kritisiert Stachel. Springl fährt fort: "Das ist verwirrend für alle, die bei dem Ortstermin gerade nicht dabei waren." So wie er. "Ich hatte anderes zu tun." Es komme ihm so vor, als habe sich "jemand diese neue Variante 5 im Kopf zusammengebaut".

Die zwei Vertreter der FW im Ausschuss halten ihren Widerstand aufrecht. Das Gremium gibt an diesem Tag aber nur eine Empfehlung für den Stadtrat ab. Als es zur Abstimmung kommt, ist Springl nicht im Saal; Kollege Stachel votiert einsam gegen die Pläne. In einer am frühen Abend verbreiteten Erklärung teilt die FW-Fraktion mit, Springl habe die Sitzung "aus Protest gegen dieses Verfahren" verlassen, da die Stadträte "überhaupt keine Entscheidungsgrundlagen, geschweige denn Zeit gehabt haben, uns mit der neuen Situation zu befassen". Wenige Minuten nach der Abstimmung kehrt Springl auf seinen Platz zurück. Und der Frieden mit ihm.

Die Planung, die Springl als "im Kopf zusammengebaut" kritisiert, hatte Lösel zu Beginn der Sitzung so skizziert: Der Neubau der Schulen soll auf einem "ausreichend großen Baufeld" entstehen und zwar "straßenbegleitend". Auf der Seite gegenüber liegt das DK-Verlagsgebäude. Es gäbe auch die Möglichkeit, hier ein "Stadtportal zu entwickeln". Der Schulträger werde dazu aufgefordert, "attraktive Architektur zu verwirklichen". Anvisiert ist ein quadratischer Bau mit 30 Metern Kantenlänge. Wenn er steht, "kann Haus C ersatzlos entfallen", so Lösel; es wird dann abgerissen. Die Parkplatzsituation rund um den Turm Baur soll "generell bereinigt werden".

Die Stadratsvollversammlung erteilt den Bauvorbescheid für die künftige Wirtschaftsschule gleich im Anschluss gegen die Stimmen von FW und ÖDP.

Harmloser verläuft die Aussprache über den zweiten Schulneubau auf der Tagesordnung: das Förderzentrum Johann Nepomuk von Kurz. Hier ist der Bezirk Oberbayern der Bauherr, die Stadt stellt das Grundstück. Der Plan stößt zwar auf etwas Kritik aber nicht auf Ablehnung.

 

Christian Silvester