Ingolstadt
Tiefe Gräben

Monatelange Baustelle an der Frühlingstraße spaltet Anwohner - und wird sich wohl noch hinziehen

02.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:18 Uhr
Nicht nur zwischen den beiden Straßenseiten der Frühlingstraße sind derzeit unüberwindbare Gräben. Die monatelange Baustelle teilt auch die Anwohner in zwei Lager; Die einen sind wütend, die anderen entspannt. Silvia Eck, die von ihrem Balkon aus auf die Baustelle blickt, verteidigt die Arbeiter, die sich von manchen Passanten Vorwürfe anhören müssen. Sie kennt viele von ihnen schon mit Namen. −Foto: Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Die Meinungen könnten nicht unterschiedlicher sein. Die Baustelle in der Frühlingstraße, wo seit September vergangenen Jahres Stück für Stück der Kanal saniert wird, spaltet die Gemüter der Anwohner. Die einen zeigen Verständnis, haben sich mittlerweile mit den Bauarbeitern vor ihrer Tür angefreundet. Andere sehen kein Ende der Dauerbaustelle, sprechen von einer Katastrophe und sind sauer auf die Stadt - manche sogar auf die Bauarbeiter.

So wenig Verkehr wie in den letzten Monaten rollte wohl selten durch die Frühlingstraße. Johann Stachel von der Firma Heizung Sanitär Stachel kennt die Gegend schon seit 1954. Der ehemalige Stadtrat erinnert sich daran, dass schon vor Jahrzehnten morgens auf dem Weg in die Ziegelei, zum Schlachthof oder zur Despag die Arbeiter auf dem Rad durch die Frühlingstraße fuhren. Seit September aber ist der Verkehr an dem Weg, der großteils von Mehrfamilienhäusern gesäumt ist, immer weiter zum Erliegen gekommen. Erst war einseitig gesperrt, momentan ist von der Einbiegung in die Feldkirchener Straße bis zum Ende der Frühlingstraße gar kein Durchkommen mehr. Das ist aber nicht das Einzige, woran sich einige stören.

Der Lärm ist ein weiterer Kritikpunkt vieler. Der dauerhafte Geräuschpegel stört auch die, die in der Frühlingstraße arbeiten. Keine zwei Meter neben dem Bagger ist ein Fenster im Erdgeschoss weit geöffnet, gibt den Blick frei auf einen Schreibtisch, an dem eine junge Frau arbeitet. Die Baustelle ist gerade so laut, dass man sich gegenseitig nicht versteht. "Es ist eine Katastrophe", sagt die Frau resigniert. Die Hitze zwinge sie dazu, das Fenster weit aufzumachen, dann aber könne sie sich wegen des Lärms nicht konzentrieren. Schon seit Monaten habe sie den Eindruck, dass sich auf der Baustelle nichts verändere - im Gegenteil: "Es sind nicht immer Arbeiter da, und ich habe den Eindruck, da entstehen immer noch mehr Löcher. Wohnen würde ich hier nicht wollen. "

Einige von denen, die hier aber tatsächlich wohnen, sehen das ganz anders. Silvia Eck zum Beispiel, die vom ihrem Balkon im Erdgeschoss direkt auf die Baustelle - nicht mal fünf Meter entfernt - blickt. "Ich rege mich nicht auf, weil ich sehe, wie hart die Arbeiter bei dieser Hitze schuften", erzählt sie schulterzuckend. Man hat den Eindruck, dass sie das Beste aus der Situation gemacht hat. Die Arbeiter grüßt sie mit Namen, wenn sie den Balkon betritt, winken die Männer ihr freundlich zu, machen kleine Scherze. "Die ganze Crew ist sehr nett", sagt Eck schmunzelnd. Sie täten ihr manchmal leid, wenn sie sich vor wütenden Anwohnern oder Passanten für die Baustelle rechtfertigen müssten, obwohl sie doch gar nichts für die Situation könnten. "Wo gehobelt wird, fallen Späne", sagt sie bestimmt. Jeder wolle, dass der Kanal funktioniert, nur die Baustelle, die wolle keiner. Sie wird heute nicht die einzige sein, die das so betont.

Eck hat derweil auch nur Lob für die Informationspolitik der Stadt übrig. Schnell sucht sie das erste Schreiben der Behörde hervor, das auf den Beginn der Baustelle hinweist. Es ist auf den 11. Mai 2017 datiert. Sie hat das Wichtige farbig markiert, mit einer Büroklammer ist die Visitenkarte des zuständigen Mitarbeiters bei der Stadt angeheftet.

Die aktuelle Planung sieht laut den Kommunalbetrieben vor, dass die Kanalarbeiten in der Frühlingstraße noch im August ein Ende haben. Doch das bedeutet trotzdem kein Ende der Baustelle: Denn die Arbeiten ziehen nur ein Eck weiter an die Regensburger Straße. Und in der Frühlingstraße werden im Herbst Stromleitungen verlegt. Das bedeutet: Einseitige Straßensperren. Die Straßendecke wieder aufzutragen, kann laut den Kommunalbetrieben dann vielleicht bis nach der Winterpause dauern. Eventuell gibt es also auch 2019 noch eine Baustelle in der Frühlingstraße.

Silvia Eck stört das wenig. Nur eines aber sei dieser Tage unangenehm: Der Geruch. Denn seit ein paar Tagen merke man der Baustelle an, dass hier am Kanal gearbeitet wird. Immer wieder zieht ein unappetitlicher Geruch vorbei: "Wenn ich Gäste habe, sage ich immer gleich an der Tür, dass das nicht von mir, sondern der Baustelle kommt", erklärt Eck schmunzelnd.

Sanja Thaluntereder, die mit ihren Kindern ein Stück weiter am Ende der Baustelle wohnt, sieht das nicht so entspannt. "Das da" - sie deutet auf die Baustelle - "geht seit Monaten so, und man weiß nie so genau, was jetzt passiert und wann die fertig werden. " Sie setze sich abends schon nicht mehr in den Garten - weil es so stinke. Nur für die Kinder habe die Situation etwas Gutes: "Jetzt in den Sommerferien kann ich sie auf die Straße lassen", erklärt die Mutter ironisch, "es kommt wegen der Sperrungen ja sowieso kein Auto. " Genervt ist auch Friedrich Finkel, der einige Häuser weiter wohnt. Über den Gartenzaun gebeugt schimpft er spöttisch: "In dieser Bauzeit kriegt München eine U-Bahn-Linie hin. "

"Das ist eben keine Sache für eine Woche", nimmt sein Nachtbar Hans Stachel, Junior-Chef der gleichnamigen Heizungs- und Sanitärfirma und FW-Stadtrat, die Arbeiter in Schutz. "Die Alternative wäre, es nicht zu machen. Aber funktionieren soll bitteschön trotzdem alles. " Dabei hat die Firma mit der Baustelle einige Einschränkungen hinnehmen müssen. Teilweise war die Zufahrt komplett blockiert und das Material musste zu Fuß in den Laden gebracht werden. "Aber die Bauarbeiter bemühen sich nach Kräften und sind sehr nett", sagt Stachel. Deshalb ist seine Empfehlung für alle, die sich derzeit aufregen: miteinander reden. Das würde Stachel auch gerne mit dem Bauleiter der Kanalarbeiten tun, der gerade auf dem Gehsteig vorbeiläuft. Doch der muss leider abwinken: Das Handy klingelt, es ist zu viel zu tun.
 

Sophie Schmidt