Ingolstadt
Serienmörder verlassen das Amtsgericht

Malender Richter hängt seine Porträtbilder in den Gängen des Justizgebäudes nach Pressebericht ab

24.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:45 Uhr
Werke von Richter Michael Fein alias Michael von Benkel unterschiedlicher Intention hängen in Absprache mit und teils auf Wunsch der jeweiligen Hausherren sowohl im Amts- als auch im Landgericht. Seine Serie mit Mördern (im Hintergrund) hat er jetzt abgenommen. −Foto: Strisch/Archiv

Ingolstadt (DK) Über einige Jahre nun schon hingen sie mehr oder weniger beachtet im Ingolstädter Amtsgericht an der Harderstraße. Als Reaktion auf einen Medienbericht mit skandalisierendem Unterton hat der malende Strafrichter Michael Fein nun seine kunstvolle Porträtserie mit 23 Frauen und Männern aus aller Welt, die als Serienmörder Eingang in die Justizgeschichte gefunden haben, von den Gängen des Justizgebäudes an der Harderstraße entfernt. Dabei hatte er nach eigenen Angaben zuvor nie ein kritisches Wort dazu gehört.

Er mag es nicht offen so sagen, aber Michael Fein fühlt sich durchaus verschaukelt. Unlängst hatte sich ein Reporter eines überregionalen Nachrichtenmagazins bei ihm in der Amtsstube eingestellt und ihn über seine alte Gemälde-Serie mit besonderen Porträtbildern befragt. "Es hat geklungen, als würden ihm die Bilder gefallen, als würde er sogar eins kaufen wollen", berichtet Fein. Heraus kam ein Online-Artikel, in dem "ein Skandal daraus gemacht wurde", dass die Werke auf den Gängen des Hauses hängen - des Ingolstädter Amtsgerichts an der Harderstraße.

Bei Michael Fein handelt es sich nicht nur um den Strafrichter, sondern auch um den in Kulturkreisen der Stadt bestens bekannten Autor, Musiker und Maler Michael von Benkel beziehungsweise einfeindesein, wie er sich mit Künstlernamen zu nennen pflegt. Die Werke sind seine Serie mit Serienmördern, die er in seiner Freizeit vor etwa acht Jahren in Pop-Art porträtiert hatte. Nach einer ersten Ausstellung im Lokal Schwedenschimmel an der Münchener Straße konnte Fein sie später in Absprache mit dem damaligen Direktor Herbert Krammer dauerhaft im Amtsgericht ausstellen. Im ersten und zweiten Stock des öffentlichen Gebäudes hingen die 23 Bilder der Serienkiller aus der ganzen Welt (elf Männer, zwölf Frauen) nach Geschlecht getrennt über mehrere Jahre in Nischen des Flures, den Wartebereichen vor den Sitzungssälen für Strafsachen. Dort werden unter anderem viele Gewaltdelikte verhandelt, aber nicht Mord und Totschlag, weil das Fälle fürs übergeordnete Landgericht sind.

"In der ganzen Zeit habe ich keinerlei Klagen gehört", sagt Fein; weder von Kolleginnen und Kollegen noch von Bediensteten im Haus, Staatsanwälten oder Anwälten (Einheimischen oder Auswärtigen), langjährigen Prozessbeobachtern oder sonstigen Besuchern. Wie er versichert, habe sich seiner Kenntnis nach niemand an den künstlerischen Porträts der teils sehr bekannten Mörder wie Aileen Wuornos - zu der es einen oscarprämierten Hollywood-Film gibt - gestört. "Und Ingolstadt ist klein, man redet, da hätte ich was mitbekommen."

Als Ikonen für die Täter, wie es in dem Magazin-Bericht hieß, sehe er die Bilder aber sicherlich nicht. Das habe er dem Reporter auf dessen laut Fein einzige einigermaßen kritische Nachfrage auch so gesagt, was aber nicht Eingang fand. "Es sind öffentliche Personen der Zeitgeschichte, viele davon auch schon lange tot", sagt Fein. Statt von angeblich irritierten Zeugen oder sonstigen Prozessbeteiligten habe er, wenn es denn Reaktionen gab, "eigentlich nur positive Dinge gehört", sagt der Richter. Im Nachgang zu dem "gigantischen Mini-Skandal" (Fein) seien "witzigerweise jetzt Menschen gekommen, welche die Porträts sehen wollten". Sie kamen vergeblich ins Amtsgericht, denn dort hängt die Serie nicht mehr. Fein hat sie selbst abgenommen - er möchte sie bald in einer privaten Galerie in der Innenstadt ausstellen. Das sei schon vereinbart.

Er kommt damit einer vielleicht noch größeren Diskussion im Haus zuvor, als sie nach dem Pressebericht ohnehin einsetzte. Amtsgerichtsdirektorin Dorothea Deneke-Stoll hat, wie sie auf DK-Nachfrage berichtet, eine formlose Umfrage unter den Kolleginnen und Kollegen und Mitarbeitern an der Harderstraße in Reaktion auf den Artikel gestartet. Als die Direktorin im Herbst 2017 ihre Stelle im Haus antrat, hingen die Werke bekanntlich schon lange dort. Ihr Büro befindet sich im anderen Amtsgerichtsgebäude an der Neubaustraße. "Die meisten Mitarbeiter haben sie neutral gesehen", so ist ihre erste Rückmeldung zur Galerie. Spätestens bei der anstehenden Sanierung des Justizbaus an der Harderstraße wären die Bilder mit den Serienmördern wohl ohnehin ein Thema geworden. "Ob das Sujet an dieser Stelle geeignet ist, könnte man ganz sicher diskutieren", sagt Deneke-Stoll abschließend. Der Fall hat sich nun von selbst erledigt.

Christian Rehberger