Ingolstadt
Mit der Beute ab in den Urlaub

Prozess um Raubüberfall im Klenzepark: Opfer wurde von guter Freundin in die Falle gelockt

16.07.2018 | Stand 23.09.2023, 3:44 Uhr
So idyllisch wie auf diesem Bild ging es am Klenzepark-Pavillon an einem Abend im vergangenen Jahr nicht zu: Ein junger Mann wurde dort offenbar von einer guten Freundin und ihren Komplizen ausgeraubt. Jetzt wird ihnen der Prozess gemacht. −Foto: Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Einer der Raubüberfälle, die sich im vergangenen Jahr im Klenzepark abgespielt haben, findet jetzt vor dem Landgericht sein juristisches Nachspiel. Wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung angeklagt sind eine 23-jährige Ingolstädterin und ein gleichaltriger Münchner. Gegen zwei weitere junge Leute gab bzw. gibt es gesonderte Strafverfahren.

Mit geradezu erschreckender Leichtfertigkeit, so muss nach den Aussagen der Angeklagten am gestrigen ersten Verhandlungstag geschlossen werden, lassen sich manche junge Leute, die sicher nicht als Berufsverbrecher durchgehen, auf schwere Straftaten ein. Im vorliegenden Fall waren offenbar trotz Geldsorgen gehegte Urlaubswünsche die Ursache für ein Raubdelikt, das einigen Beteiligten durchaus einige Jahre Gefängnis einbringen kann. Das Ganoven-Quartett fuhr nach dem Coup mit Auto und Geld des Opfers nach Italien.

Der Prozess begann gestern auf den Tag genau ein Jahr nach der Tat: Am 16. Juli 2017 hatten sich die vier Akteure in der Wohnung der jetzt angeklagten Ingolstädterin getroffen. Der nun mitangeklagte junge Mann hatte die Frau erst wenige Wochen zuvor über ein Internetportal kennengelernt und war zu dieser Zusammenkunft gemeinsam mit zwei Bekannten aus München mit dem Zug angereist - einem seinerzeit 25-Jährigen und einer erst 15-Jährigen. Schon eine Weile muss in diesem Kreis die Rede von einer Reise nach Italien gewesen sein; unter anderem sollte dort der Vater des jetzt 23-jährigen Angeklagten besucht werden. An den nötigen finanziellen Mitteln haperte es aber offenbar. Dann, so wurde gestern in den Geständnissen eingeräumt, verfiel man in Ingolstadt gemeinsam mit der Gastgeberin auf die Idee, einen guten Freund der jungen Frau "abzuziehen".

Die (ebenfalls aus München stammende) Ingolstädterin lud ihren Bekannten, mit dem sie vor Jahren wohl eine engere Beziehung, zuletzt aber kaum noch Kontakt gehabt hatte, zu einem spätabendlichen Treffen in den Klenzepark ein. Dort traf man sich gegen 22.30 Uhr beim Holzpavillon am Teich nahe der Bahnunterführung zur Saturn-Arena. Nach einer guten Viertelstunde zwangloser Unterhaltung tauchten dann die drei Besucher aus München auf - maskiert. Während die Ingolstädterin das Weite suchte, nahmen sich die Münchner den bis dahin arglosen Nachtschwärmer vor: Zunächst mit Tritten und Watschen wurde der inzwischen bald 25-jährige Mann eingeschüchtert, dann offenbar unter Androhung weiterer Gewalt mit einem vorgehaltenen Messer zur Herausgabe von Scheckkarte, zugehöriger PIN-Nummer und Autoschlüssel gezwungen.

Unmittelbar darauf machte sich das Trio auf, um mit dem bei der Saturn-Arena geparkten Pkw des Opfers zu flüchten. Mit diesem Wagen und mit flugs vom Konto des Überfallenen abgeräumten 950 Euro ging es gemeinsam mit der zugestiegenen Ingolstädterin nach Italien. Dort gelangte das Quartett bis nach Sizilien, wurde nach einem Überfall auf einen Pizzaboten aber dingfest gemacht. Die jetzigen Angeklagten und die minderjährige Mittäterin wurden nach Deutschland ausgeliefert; der Älteste des Quartetts, der in Ingolstadt das Messer gezückt haben soll, sitzt nach Angaben der Ingolstädter Staatsanwaltschaft nach wie vor in Italien in Auslieferungshaft.

Die beiden Angeklagten räumen ihre Beteiligung an dem Raub im Klenzepark weitgehend ein, wollen aber von dem als Druckmittel eingesetzten Messer nichts gewusst haben. Auch dass dem Opfer das Auto abgenommen werden sollte, so die Einlassungen, habe man nicht geahnt. Der Überfallene merkte in seiner Aussage an, dass der jüngere Mann bei dem Raub eine eher passive Rolle gespielt habe, von ihm sei er auch nicht bedroht worden. Von seiner Bekannten, die ihn zum Tatort gelockt hatte, zeigte sich das Opfer nach wie vor tief enttäuscht: "Sie hat eine jahrelange Freundschaft in wenigen Stunden zerstört." Die Entschuldigungen der Angeklagten nahm der Geschädigte deshalb eher zögerlich an.

Den durch den Diebstahl seines Autos entstandenen Schaden (gut 12000 Euro) hat der junge Mann inzwischen von seiner Versicherung ersetzt bekommen. Der Wagen ist offenbar in Italien verschollen. Ob das Opfer das von den Tätern zivilrechtlich angestrebte Schmerzensgeld (für nach dem Vorfall erlittene Schlafstörungen und unbestimmte Ängste) jemals erhalten wird, steht auf einem anderen Blatt.

Das Gericht hätte gestern gerne die inzwischen 16-jährige Mittäterin als Zeugin vernommen, die inzwischen in ihrer baden-württembergischen Heimat zu einer Jugendstrafe verurteilt wurde und wieder auf freiem Fuß ist. Allerdings war die junge Dame nicht erschienen, weshalb Staatsanwalt Gerhard Reicherl ihre polizeiliche Vorführung beantragte. Ob dies schon beim heutigen Fortsetzungstermin gelingt, steht dahin. Die 1. Strafkammer unter Vorsitz von Landgerichtsvizepräsident Jochen Bösl hat für das Verfahren aber noch weitere drei Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil dürfte erst im August fallen.

Bernd Heimerl